Runter von der Couch: Kraxeln mit Kraft und Köpfchen

Weiden in der Oberpfalz
19.03.2022 - 06:00 Uhr
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In der Serie "Runter von der Couch" stellen wir insgesamt acht Sportarten vor, die unsere Volontärinnen ausprobiert haben. Los geht's mit Bouldern: Das Kraxeln an der Kletterwand erfordert Kraft, ist aber auch für Tüftler geeignet.

Von Katrin Pasieka-Zapf und Lisa Sebald

Mit seinem rechten Fuß steht Bastian Weiß auf einem nur wenige Zentimeter breiten Vorsprung. Mit den Fingerspitzen versucht er den nächsten Griff zu berühren. Die Wand hat einen leichten Überhang, den nächsten Tritt zu erreichen, kostet Kraft. Loslassen und aus drei Metern abstürzen, ist in der Boulderhalle in Weiden zwar relativ ungefährlich, aber der Ehrgeiz es zum sogenannten "Top" zu schaffen, ist groß. Schon nach wenigen Sekunden heißt es für den Profi: Geschafft! Mit einem Sprung geht es zurück auf die dicke Weichbodenmatte.

Eine soziale Sportart

Bastian Weiß ist seit 2014 im Boulderverein aktiv. Er engagiert sich im sogenannten "Schrauberteam", das heißt er ist für alle Routen zuständig und platziert die Griffe an den Wänden. "Beim Bouldern kommt es nicht nur auf die Muskelkraft an", sagt der 37-Jährige. Um die vorgegebenen Routen zu bezwingen, spielen die richtige Bewegungstechnik, Fantasie und Kreativität eine wichtige Rolle. "Wer sich gerne eine Strategie zurecht legt oder gerne tüftelt, ist beim Bouldern deshalb genau richtig", sagt er. Das Schöne: Klettern kann man alleine, im Team oder mit Freunden. Beim Austausch über eine mögliche Route oder Technik komme man schnell mit anderen ins Gespräch. Es sei ein sehr sozialer Sport, so Weiß. Vielleicht wird Bouldern – das Klettern ohne Seil – auch aus diesem Grund immer beliebter. Laut Deutschem Alpenverein (DAV) gibt es in Deutschland weit über 500 Kletter- und Boulderhallen, Tendenz steigend. Rund 220 Anlagen werden von den Sektionen des DAV betrieben, 200 weitere von kommerziellen Anbietern. Ergänzt werden die großen Kletteranlagen von kleineren Wänden, die beispielsweise in Fitnesscentern, Schulen, Universitäten oder Reha-Einrichtungen zu finden sind.

Das Glashaus in Weiden

Dem Kletter- und Bouldersport können Interessierte auch in Weiden nachgehen. "Fünf Freunde wollten 2013 die lokale Kletterszene in Weiden zusammenbringen und eine regionale Trainingsmöglichkeit schaffen", erzählt Weiß. Ein ehemaliges Gewächshaus funktionierte die Gruppe dann zur Boulderhalle um - mit einem Trainingsbereich im Freien. Mittlerweile gibt es bereits zwei Hallen. 500 Quadratmeter Kletterfläche mit Tageslicht und frischer Luft stehen allen Interessierten zur Verfügung. Und die Nachfrage ist groß: 250 Mitglieder hat der Boulderverein Glashaus derzeit.

Die Regeln

Bouldern und Klettern sind zwar ähnlich, allerdings gibt es dennoch große Unterschiede: "Klettern findet in großen Hallen oder draußen statt – mit Sicherung von Seilen und Helmen. Beim Bouldern braucht man das Ganze nicht. Bequeme Kleidung mit viel Bewegungsfreiheit ist am wichtigsten", sagt Weiß. Zur Ausrüstung gehören zudem spezielle Schuhe und Magnesium für die Hände. Beides kann vor Ort gegen eine Gebühr ausgeliehen werden. Fertig gekleidet, geht es dann an die Kletterwand. Die Routen sind mit verschiedenen Farben nach ihrer Schwierigkeit markiert. Neueinsteiger starten im Glashaus mit der blauen Route – Schwierigkeitsgrad "schwer". Bastian Weiß lacht und sagt: "Für Anfänger gibt es nämlich nichts Leichtes."

Weiß legt seine Hände um den markierten Startgriff. Dort steht auch, ob er mit beiden oder nur mit einer Hand beginnen muss. Als nächstes versucht er seine Füße auf einem Griff abzustellen oder an die Kletterwand zu drücken - denn erst wenn beide Füße nicht mehr auf der Matte sind, darf er mit dem Klettern beginnen. Ab jetzt dürfen nur die Griffe der jeweiligen Farbe benutzt werden. Ziel ist der sogenannte "Top-Griff". "Die Route ist geschafft, wenn man für drei Sekunden mit beiden Händen diesen Griff festhält", erklärt er. Danach springt man ab oder klettert nach unten zurück.

Geringes Verletzungsrisiko

An den Kletterwänden sind auch Pyramiden angebracht. Diese werden beim Bouldern "Volumen" genannt. Sie sind zwar keine Griffe, dürfen aber trotzdem als Haltungshilfe genutzt werden. Zudem gibt es große, glatte Griffe, die sogenannten Aufleger, bei denen mit der gesamten Handfläche gearbeitet werden muss. Wie steht es da mit dem Verletzungsrisiko? "Dieses ist sehr gering", sagt Weiß. "Alles ist in Absprunghöhe, das heißt maximal 4,70 Meter hoch und die ganze Halle ist mit weichen Matten gesichert. Was passieren kann, sind Schürfwunden an den Händen oder dass mal ein Fingernagel abbricht. Angst muss aber niemand haben", so Weiß weiter. Größere Verletzungen, wie Bänderrisse oder verstauchte Knöchel durch Stürze, passieren sehr selten.

Bouldern bleibt für Bastian Weiß ein wunderbares Ganzkörpertraining: "Ich habe damals wegen meiner Rückenschmerzen angefangen", erzählt er. Bouldern aktiviert nahezu alle Muskelgruppen, fördert eine gerade Haltung und stabilisiert Rumpf und Rücken. Beginnend von den Fingern, mit denen man sich festhält, bis zu den Zehen, auf denen man auf kleinsten Tritten steht. Ausdauertraining hingegen ersetzt der Sport nicht. Joggen, Schwimmen oder Radfahren bieten sich daher als Ergänzung an. Im Glashaus ist bereits ein Yoga-Raum in Planung.

Früh übt sich

Zum "Auspowern" ist Bouldern durchaus auch für Kinder geeignet. "Viele Eltern machen den Sport auch zusammen mit ihren Kindern und sind überrascht, welche Routen die Kleinen schon schaffen", erzählt Weiß. Klettern ist super für das Gleichgewicht, außerdem wird die räumliche Orientierungsfähigkeit geschult. Bouldern ist für die Kinder ein spielerisches Krafttraining. Im Glashaus dürfen Kinder ab sechs Jahren ran – allerdings mit Vorsicht. "Kinder sollten nicht zu schwere und zu kleine Griffe halten. Das kann sich auf das Wachstum der Gelenke auswirken", sagt er. "Wenn man den Ehrgeiz hat und stets bei der Sache bleibt, wird man schnell besser", erklärt Weiß. Vor der Pandemie gab es wöchentlich Schnupperkurse für Anfänger. Diese will das Team, sobald sich die Situation entspannt, wieder aufleben lassen.

Auch Wettkämpfe finden im Glashaus normalerweise statt. "Zeit und Schnelligkeit sind in Wettkämpfen nebensächlich. Es geht nur um geschaffte Routen. Beispielsweise gibt es 30 verschiedene Boulder mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Wer die meisten schafft, ist dann der Gewinner", so Weiß.

Kosten und Mitgliedschaft

Acht Euro kostet der Tageseintritt im Glashaus Weiden. Leihschuhe drei Euro. Mitgliedschaften oder Jahreskarten sind auf Dauer günstiger: 240 Euro aktuell. Aufgrund der Pandemie ist der Zugang derzeit allerdings beschränkt. Das Team bittet um vorherige Anmeldung unter: booking.glashaus-bouldern.de.

Info:

10 Fakten zur Sportart Bouldern

  • Was: Unter Bouldern versteht man das Klettern ohne Klettergurt oder -seil an künstlichen Kletterwänden oder Felsblöcken bis zur Absprunghöhe. Die Kletterwände sind maximal 4,7 Meter hoch.
  • Bouldern leitet sich vom englischen Begriff "boulder" ab, was Felsblock bedeutet.
  • Beim Klettern werden vier Spielarten unterschieden: Sportklettern indoor, Sportklettern outdoor, Alpinklettern und Bouldern.
  • Wer: Die Sportart eignet sich für jeden, was sich auch in den Boulderhallen widerspiegelt. Es gibt Kinderbereiche und Routen in unterschiedlichsten Schwierigkeitsstufen. Jeder kann sein Tempo selbst bestimmen, je nach eigener Kraft und Ausdauer.
  • Wo: Der Deutsche Alpenverein (DAV) schätzt die Zahl der Kletterhallen in Deutschland (mit mehr als 100 Quadratmetern Kletterfläche) im Jahr 2018 auf etwa 500. Rund 220 Anlagen werden DAV betrieben, 200 weitere von kommerziellen Anbietern.
  • Welche Muskeln: Arme, Schultern, Rücken, Rumpf, Bauch und Beine werden gekräftigt. Koordination, Beweglichkeit und Körpergefühl verbessert.
  • Ausrüstung: Kleidung, die viel Bewegungsfreiheit bietet, Kletterschuhe in der passenden Größe (sollten eher eng sitzen), Magnesiumpulver für die Hände.
  • Risiken: Am Anfang kann die Haut an den Händen schmerzen. Blasen, Schürfwunden und blaue Flecken können ebenfalls vorkommen.
  • Kosten: Der Tageseintritt kostet im Schnitt zwischen 8 und 14 Euro, Leihschuhe zwischen 3 bis 5 Euro. Mitgliedschaften oder Jahreskarten sind günstiger.
  • Olympia: Sportklettern war 2021 zum ersten Mal olympisch. Der Wettbewerb war eine Kombination aus Speedklettern, Bouldern und Schwierigkeitsklettern.
Hintergrund:

Runter von der Couch - die Serie

Frühjahrszeit ist Fitnesszeit. Unsere Kolleginnen haben trendige Workouts und klassische Sportarten ausprobiert. In der achtteilige Serie "Runter von der Couch" erklären sie, warum Hula Hoop nicht nur die Hüfte lockert, was sportliches Radeln ausmacht und wie sich die Beine nach der ersten Yoga-Stunde anfühlen.

 
 

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