Zwei Zivilpolizisten suchen nach einer Erstmeldung einen bewaffneten Mann in der Nähe des Kindergartens St. Dionysius. Um kurz nach 8 Uhr müssen sie den Suizidversuch des 23-Jährigen, der kein Kind in einer der beiden Einrichtungen hatte, am Buswartehäuschen mitansehen, an dem es zu dieser Uhrzeit für Neunkirchener Verhältnisse zugeht wie am Stachus.
Eltern bringen ihre Kleinen in Krippe und Kindergarten oder verabschiedeten gerade noch ihre Großen in Richtung Montessori-Einrichtung. Diverse Schul- und Linienbusse passierten die Haltestelle. Plötzlich fallen Schüsse, es gibt es kein Durchkommen mehr: Polizeiautos versperren die Zufahrtsstraßen, Rettungs- und Notarztwagen blinken. Die Eltern müssen umkehren und sind verunsichert. Schnell glühen Telefonleitungen und Whatsapp-Kanäle. Gibt es einen Amoklauf am Kindergarten oder an der Schule?
Lieder lenken ab
Derweil singen die etwa 30 Kleinen drinnen in der Kindertagesstätte St. Dionysius wie so oft in diesen Tagen Nikolaus-Lieder. Allerdings im hinteren Bereich des Gebäudes, in der Krippe. Die Erzieher lotsten sie geistesgegenwärtig dorthin. Später, als die vielen Polizisten in und vor dem Kindergarten ihre Arbeit tun, spielen die Kleinen unbeeindruckt weiter. Sie gehen von einer Polizeiübung aus, ähnlich der Feuerübung vor wenigen Wochen. Nach und nach verständigen die Erzieher die Eltern, informieren, beruhigen. Die Kleinen werden schließlich unaufgeregt und peu à peu abgeholt.
"Es gibt ein Sicherheitskonzept, in dem ein geordneter Ablauf in solchen oder ähnlichen Situationen grundgelegt ist", heißt es später am Tag in einem Elternbrief, den der Geschäftsführer der Kindertageseinrichtung, Florian Hoffmann, herausgibt. Weiter ist darin vermerkt: "Das pädagogische Personal hat nach der Gefahreneinschätzung richtig gehandelt, so dass keine Panik bei den Kindern aufgetreten ist." Tatsächlich sind sich nach der Tragödie seitens der Polizei über Notfallseelsorger, Berater der Krisenintervention bis hin zum Vertreter der katholischen Kirche als Träger der Kindertageseinrichtung alle einig: "Das ganze (Kindertagesstätten-)Team hat gemäß des Notfallplans akkurat, professionell und super reagiert und gearbeitet", lobt Pfarrer Stephan Rödl. "Die Erzieher haben sehr gut reagiert", pflichtet Notfallseelsorger Johannes Lukas bei, der mit einem weiteren Kollegen und zwei Kriseninterventionsberater vor Ort war.
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Keine unmittelbare Gefahr
Zugleich betonen aber auch alle, insbesondere Geschäftsführer Florian Hoffmann im Elternbrief, dass für die Kinder "zu keiner Zeit unmittelbare Gefahr bestand". Ähnlich sieht es die Leiterin der Montessori-Schule: "Bei uns ist alles okay. Der Unterricht ist am Mittwoch ganz normal gelaufen", antwortet deren Leiterin Gerda Högl-Siegler knapp auf die Frage nach der pädagogischen Betreuung an diesem Ausnahmetag.
Nun gilt es, den Schritt voran in die Normalität zu tun. Dabei stellt Geschäftsführer Hoffmann den Eltern frei, ob sie ihrem Kind eine Einrichtungspause einräumen wollen oder nicht. Zugleich macht er aber deutlich: "Zum Wohle des Kindes würden wir Ihnen raten, dass Sie Ihrem Kind einen gewohnten und normalen Tagesablauf bieten." An diesem Donnerstag soll wie geplant der Nikolaus die Kleinen besuchen. "Lasst uns froh und munter sein", wird der Heilige da auch zu hören bekommen. Ja, die Lieder für den Nikolaus sitzen.
„Vermeiden Sie es, vor Ihrem Kind über den Vorfall zu sprechen“, sagt Florian Hoffmann, Geschäftsführer der Kindertageseinrichtung. Wenn aber Fragen kommen, sollen sie auch beantwortet werden, rät Notfallseelsorger und Dekan Johannes Lukas. Wie? „Kurz und ehrlich. Einfach den Ball flach halten und dem Ganzen keine große Bedeutung zumessen.“ Ebenfalls wichtig sei, dass sich Erwachsene nicht im Beisein von Kindern über das tragische Ereignis unterhalten. Die Erzieher selbst werden wohl die Belastung erst spüren, wenn sie zur Ruhe kommen. „Falls nötig haben wir dafür die BRK-Nachberatung.“
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