So kam die Michaelskirche in Weiden zu neuen Glocken

Weiden in der Oberpfalz
15.09.2023 - 11:01 Uhr
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Ihren Klang kennt wohl jeder Weidener. Vor genau sieben Jahrzehnten erhielt die Michaelskirche drei neue Glocken. Fast wäre es nicht dazu gekommen: Der Zweite Weltkrieg und die Finanzen spielten gegen die Kirche.

Zu jeder Viertelstunde ist es zu hören – das Geläut der Michaelskirche. Über 480 Jahre alt ist die größte der vier Glocken im Turm in der Weidener Innenstadt. Die anderen drei kamen 1953 dazu: Diesen Samstag, 16. September, jährt sich der Einbau zum 70. Mal. Aber wie kam die evangelische Kirche überhaupt zu ihren neuen Glocken?

Angefangen hat alles im Zweiten Weltkrieg. Die Deutschen benötigten dringend Metall für Kriegsgeräte. Mehr als 100.000 Kirchenglocken wurden deswegen in ganz Deutschland abgehängt und überwiegend eingeschmolzen, berichtet Historiker Jonas Scherner in einem Beitrag für die "Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte". Auch die Michaelskirche musste ihre Glocken abgeben. Für die Weidener ging es aber halbwegs glimpflich aus. 1947 tauchte auf dem Hamburger Glockenfriedhof zumindest die älteste, die Ratsglocke von 1540, wieder auf und wurde zurückgebracht in die Max-Reger-Stadt. Seitdem war das Ziel klar: Die Anzahl wieder auf vier erhöhen.

Großes Finanzierungsproblem

Dass es das heutige Vierer-Geläut überhaupt gibt, ist dabei keine Selbstverständlichkeit. Ganz im Gegenteil: Wie aus damaligen Berichten aus dem Neuen Tag hervorgeht, war die Finanzierung zunächst ein Riesenproblem. Die Kirchengemeinde hatte schlichtweg nicht genug Geld, um die neuen Glocken bezahlen zu können. Gemeindemitglied, Porzellanfabrikant Wilhelm Seltmann half aus, zahlte die Rechnung für die größte aus eigener Tasche. Doch selbst das reichte nicht.

Abhilfe schaffte eine Idee des damaligen Dekans Adolf Wunderer. Er richtete einen neuartigen Besuchsdienst ein. Kirchenmitarbeiter sollten zwischen Juni und September jedes Mitglied der evangelischen Gemeinde zu Hause besuchen und nach Spenden fragen. Dieses sogenannte "Glockenopfer" sicherte letztlich die Finanzierung.

Glockenguss und bunter Empfang

Nachdem die Geldfrage geklärt war, gingen die Glocken in die Produktion. Dies übernahm die Glockengießerei Bachert aus Karlsruhe. Am 14. August 1953 fand dort in den Hallen der Guss statt. Hier bekam das Bronze-Geläut auch seine Inschrift verpasst. In den aufgedruckten Worten stehen die Aufgabe und Bedeutung der jeweiligen Glocke. Was dort steht, weiß Pfarrerin Christiane Weber: Auf der größten, der Friedensglocke, ist zu lesen: "Christus ist unser Friede". Die Gebetsglocke mahnt "Haltet an am Gebet". "Lasset die Kindlein zu mir kommen" ist auf die Taufglocke gedruckt.

Mit vielen bunten Herbstblumen beschmückt, trafen die drei Glocken am 12. September an der Michaelskirche ein. Ein ebenfalls mit Blumen verzierter Lastwagen hatte den Transport von Karlsruhe nach Weiden übernommen. Der Kirchen- und Posaunenchor empfang das Geläut mit dem Choral, einem gesungenen Kirchenlied. Dekan Wunderer erinnerte nochmals an die Geschichte der Kirche. Er schloss seine Ansprache mit dem Wunsch, dass das neue Geläut seine Aufgabe so lange erfüllen soll, wie Gott es wünscht. Vier Tage nach dem Empfang, am 16. September, wurden die Glocken schließlich empor gezogen. Seitdem hängen und läuten sie mitten im Herzen Weidens.

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Info:

Führung durch Michaelskirche und Glockenturm

  • Termine: Erntedank-Sonntag (1. Oktober), 1. Adventssonntag (3. Dezember), Weihnachten und Silvester
  • Individuelle Terminvereinbarung: Türmer Christian Stahl, christian.stahl[at]elkb[dot]de
  • Gruppengröße: zwischen 5 und 30 Personen
  • Dauer: etwa 75 Minuten
  • Kosten: 3 Euro pro Person, Gruppenrabatt möglich
 
 

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