Es käme nicht unerwartet, deutet sich schon anderorts an und wäre verständlich, weil einfach menschlich. Jeder Theaterfan kennt sie, die zwei, drei Klassik-, Volks- und Familienstücke, die – viel- und teilweise auch abgespielt – Selbstläufer beim Publikum sind. Nicht wenige Theaterunternehmen werden nach zwei schwierigen Spielzeiten mit schmerzhaften Corona-Unterbrechungen in Versuchung kommen, in der Spielplangestaltung auf Nummer sicher zu gehen. Kein Pokern und sicher auf das bewährte Blatt setzen.
Das Landestheater Oberpfalz (LTO) dagegen geht bei seinem Kulturherbst in Vohenstrauß und der Winterbühne an verschiedenen Spielorten „All in“, um im Bild zu bleiben. „Während zwei Jahren Pandemie, in denen ein Virus immer wieder unsere Pläne durchkreuzte, wuchs die Überzeugung, sich zukünftig nicht mehr von Bedenken und Ängsten von Wunschprojekten abhalten zu lassen“, beschreibt Till Rickelt die Stimmung im Leuchtenberger Theaterbetrieb. Konkret meint der scheidende Künstlerische Leiter des Landestheaters unter anderem die Komödie „Der nackte Wahnsinn“, seine letzte Regiearbeit für das LTO vor seinem Wechsel ans Theater Ravensburg.
Entlarvender Blick hinter die Bühne
„Trotz oder vielleicht gerade wegen seiner perfekten Konstruktion schreckte ich immer davor zurück – zu groß schienen mir die technischen und darstellerischen Anforderungen.“ Nun ist das aberwitzige Stück über die hektische Endphase der Proben eines Bühnenstücks auf den Spielplan des LTO-Kulturherbstes in der Stadthalle Vohenstrauß gerückt. Und aus mehreren Perspektiven erzählt und mit den Realitäten und Auswüchsen eines Theaterbetriebs verwoben letztlich als „Spiel im Spiel im Spiel im Spiel“ ist es ein absoluter Leckerbissen für alle Theaterfreunde.
Auch das Highlight der LTO-Winterbühne ab Januar ist ein gewagtes Stück, das den Leuten der Region vom Inhalt her noch näher ist. Die Uraufführung von „Pfui! – Die Klankermeiersaga“ bringt eine legendäre Weidener Rotlicht-Figur der 70er Jahre auf die Bühne. Für das Schauspiel über das Leben und den mysteriösen Tod Walter Klankermeiers ging Autor Uli Scherr („Servus King – Elvis in der Oberpfalz“) mit Jungregisseurin Katharina Stark auf Menschen zu, die mit dem Nachtclubbetreiber zu tun hatten.
„Mord, Sex-Shows und die Kirche – und das in Weiden. Das klingt ja fast nach einer Netflix-Serie“, sagt Stark dazu. „Von Interview zu Interview wurden die Geschichten immer wilder.“ Das Ergebnis ist ein heißer Tipp, auch für die jüngere Generation, die über diesen überraschend anrüchigen Teil von Weidens Geschichte verwundert den Kopf schütteln dürfte.
"Zweite Chance" für Inszenierungen
In einem – hoffentlich unterbrechungsfreien – Spielplan in den kälteren Monaten verhilft das Landestheater auch denjenigen Inszenierungen zu ihrem Recht, die während der Coronapandemie nicht oder nur reduziert gespielt werden konnten. Wie das szenisches Konzert „Karneval der Tiere“, dessen musikalische LTO-Neufassung am 2. Oktober auch als CD herauskommt, oder das Widerstandsdrama „Die Weiße Rose“. Die im vergangenen Jahr absagte Hornby-Komödie „Nipple Jesus“ und Bölls „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ werden im Winter Premiere feiern.
Rund um Weihnachten sorgt mit „Ein Schaf fürs Leben“ eine laut Regisseurin Caroline Ghanipour ganz besondere Freundschaft für leuchtende Kinderaugen, während mit „Judas/Ismene, Schwester von“ (Regie: Jona Manow) einem Verfemten und einer Vergessenen eine Stimme gegeben werden. Auch startet das LTO einen neuen Versuch für die Wiederaufnahme von „Resl Unser“ und „Nils Holgersson“. An einem neuen Spielort, dem Gemeindezentrum in Speinshart, vergoldet die Culture-Clash-Komödie „Willkommen bei den Hartmanns“ die tristen Wintermonate.
„Ein außerordentlich ambitioniertes, abwechslungsreiches und spannendes Programm“ nennt das Landestheater selbst sein Herbst/Winter-Programm. Ein mutiges, bei dem es nur ein Zugeständnis an die „Mainstream-Klassiker“ gibt: Den Auftakt macht am 1. Oktober ein Gastspiel des Erby-Theaters München mit „Der Geizige“ nach Molière.
Kulturherbst und Winterbühne beim LTO: Die Stücke
- „Der Geizige“: Erby-Theater München (Stadthalle Vohenstrauß)
- „Karneval der Tiere“ (Stadthalle Vohenstrauß und Max-Reger-Halle Weiden)
- „Der nackte Wahnsinn“ (Stadthallen Vohenstrauß und Erbendorf)
- „Die Weiße Rose“ (Stadthalle Vohenstrauß)
- „Resl Unser“ (Begegnungszentrum Konnersreuth)
- „Nils Holgersson“ (Regionalbibliothek Weiden und Schwarzachtalhalle Neunburg)
- „Willkommen bei den Hartmanns“ (Gemeindezentrum Speinshart und Nabburg, Spitalkirche St. Marien)
- „Nipple Jesus“ (Kunstverein Weiden und Vohenstrauß, Friedrichsburg)
- „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ (Regionalbibliothek Weiden)
- „Ein Schaf fürs Leben“ (Regionalbibliothek Weiden und Gemeindezentrum Speinshart)
- Judas/Ismene, Schwester von“ (Nabburg, Spitalkirche St. Marien; Max-Reger-Halle Weiden und Friedrichsburg Vohenstrauß)
- „Pfui! Die Klankermeier-Saga“ (Veranstaltungsort offen)
Vorverkauf Kulturherbst läuft, für Winterbühne Start am 1. Oktober; Karten unter Telefon 09659/9310-0.
Infos unter: www.landestheater-oberpfalz.de















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