Weiden in der Oberpfalz
15.06.2018 - 16:38 Uhr

"Ich war in wirtschaftlicher Not"

Florin M. richtet seinen Blick ins Leere, als sein Verteidiger Marc Steinsdörfer seine Aussage verliest. Ein Geständnis.

In dieser engen Holzkiste im doppelten Boden eines kleinen Lkws schleusten Schlepper mehrere Male Menschen von Rumänien nach Deutschland und  Österreich. Bundespolizeiinspektion Waidhaus/exb
In dieser engen Holzkiste im doppelten Boden eines kleinen Lkws schleusten Schlepper mehrere Male Menschen von Rumänien nach Deutschland und Österreich.

Drei Verhandlungstage schweigt der 49-jährige Angeklagte zu den Vorwürfen, er habe Ausländer gewerbs- und bandenmäßig nach Deutschland und Österreich eingeschleust - und das in sieben Fällen. Am vierten dann die Überraschung: Durch eine von seinem Verteidiger Marc Steinsdörfer verlesene Erklärung gesteht der Rumäne vor dem der Ersten Strafkammer am Landgericht Weiden. "Ich war an vier Transporten von Ausländern in die Bundesrepublik beteiligt."

Von der engen Kiste im doppelten Boden des kleinen Lkws, in der die insgesamt 37 Personen nach Deutschland gebracht wurden, habe er bei der ersten Fahrt erfahren. Florin M. habe die Transporte in einem Pkw begleitet, "immer eine Kühlbox mit Wasser dabei gehabt, das ich den Menschen in den Pausen gegeben habe". Mit der Schleusung am 10. August 2017, die ihm ebenfalls zur Last gelegt wird, habe er nichts zu tun. "Da war ich in ärztlicher Behandlung. Einige Tage zuvor ist mir Blut abgenommen worden. Am 10. August habe ich die Ergebnisse erhalten. Ich war in Bukarest." Zudem bestreitet Florin M., Teil einer Organisation zu sein. "Mir war klar, dass die Transporte illegal waren. Aber ich war in wirtschaftlicher Not. Deshalb habe ich mich dazu entschieden." Auch an den Schleusungen von Bulgarien nach Österreich sei er nicht beteiligt gewesen. Doch ein Beamter des Landeskriminalamtes Österreich, der als Zeuge geladen ist, schildert Ermittlungsergebnisse, die auf Florin M. als Auftraggeber hinweisen.

"Wir haben im September 2016 mehrfach vor allem irakische Staatsbürger aufgegriffen, die nach Österreich geschleust wurden." Immer in einem Klein-Lkw, immer in einem Versteck im doppelten Boden. Am 21. September dann der Erfolg. Die Ermittler nehmen den rumänischen Fahrer des Transporters - Sorin B. - fest. "Als wir das Fahrzeug kontrollierten, haben wir sieben Menschen gefunden - zusammengepfercht wie Sardinen", schildert der Beamte. Unter ihnen ein Kind, "völlig unterkühlt". Der Fahrer, der inzwischen eine Haftstrafe in Rumänien absitzt, wird mehrfach von den Österreichern verhört - und nennt schließlich den Namen seines Auftraggebers: Florin M. "Er hat gesagt, dass er ein Bild des heute Angeklagten und dessen vollständigen Namen in seinem Facebook-Profil gespeichert hat. Das hat er uns gezeigt - und Florin M. identifiziert." Die Beamten überprüfen das Handy des Fahrers und stellen fest, dass er bereits am 20. September, einen Tag vor seiner Festnahme, nach Österreich eingereist ist. "Er hatte eine Willkommens-SMS bekommen." Sorin B. gesteht, auch an diesem Tag Menschen geschleust zu haben.

"Das Fahrzeug, Geld und das Schleppertelefon habe er von Florin M. bekommen. Sie waren ständig in telefonischem Kontakt, der Fahrer hat so Anweisungen bekommen, wo er die Menschen abholen und wo er sie hinbringen soll." Pro Fahrt habe er 1000 Euro bekommen. 2017 erhalten die österreichischen Beamten einen Anruf der Waidhauser Kollegen. "Sie haben Florin M. festgenommen. Wieder war er an einer Schleusung beteiligt." Drei der Menschen, die am 21. September 2016 in dem Klein-Lkw nach Österreich geschleust wurden, sagen am vierten Verhandlungstag aus. Ihre Schilderungen decken sich mit denen der zahlreichen anderen, die unter anderem in Waidhaus und Eslarn 2017 von den Schleusern abgesetzt wurden. "Wir hatten kaum Platz, es war kalt. Zu Essen und Trinken hatten nichts", beschreibt eine 31-jährige Irakerin die Situation in dem engen Versteck. "Ich hatte Angst um mein Leben. Aber die Angst vor dem IS in meiner Stadt war größer. Deshalb sind wir geflohen." Im Lkw befinden sich auch ein jüngerer und ein älterer Bruder der Zeugin sowie ihr damals etwa neunjähriger Neffe. Die Verhandlung wird am Montag, 25. Juni, fortgesetzt.

 
Kommentare

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Tobias Punzmann

Kein Mensch ist illegal!

18.06.2018
Heinz Rahm

Für die paar harmlosen Leutchen wird der angeklagt? Was für eine doppelte Moral! Und wer wird für Hunderttausende von Illegalen verantwortlich gemacht, die 2015 und 2016 kamen? Das "BÄMPFchen"? Oder sogar Franco A., der böse Gemüsehändler aus Syrien, der sogar so gemein war, kein Arabisch zu sprechen? Wie wurde der verteufelt! Und heute werfen die Politiker mit alten AfD-Parolen um sich, für die diese Partei damals als bitterböse Nazi-Partei bezeichnet wurde. In welcher doppelbödigen Gesellschaft leben wir eigentlich?

15.06.2018
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