Der Sonntag ist heilig? Für Johannes Lukas mit Sicherheit. Und so bedauert der Pfarrer vom Hammerweg, was der Weidener Stadtrat nun abgesegnet hat: die Öffnung von Waschanlagen an Sonn- und Feiertagen. "Schade", kommentiert der Geistliche. "Das ist eine weitere Aushöhlung des Sonntags." Nicht nur aus kirchlicher Sicht: Erneut verlören Arbeitnehmer Schutz, kritisiert Lukas im Gespräch mit Oberpfalz-Medien. Er verstehe ja, dass es zunehmend Leute gebe, für die der Sonntag "nur ein freier Tag" sei, und man ihnen entgegenkommen müsse. Aber: "Man kann ein Auto doch auch am Feierabend oder am Samstag waschen. Warum ausgerechnet am Sonntag? Will ich den nicht lieber mit der Familie verbringen als mit dem Auto?"
Auch dem Stadtrat war der Sonntag heilig – in der Vergangenheit. Sollen Autowaschanlagen am "siebten Tag" öffnen dürfen? Bei Abstimmungen 2006 und 2009 gaben deutliche Mehrheiten eine klare Antwort: Auf gar keinen Fall. 2017 signalisierte der Hauptverwaltungsausschuss einem Antrag der Bürgerliste erst grünes Licht (9:2) – bevor er im Stadtrat erneut durchfiel (17:22). Dass Bürgerliste und "Die Freien" nun erneut einen Anlauf wagten, darüber zeigte sich Rechtsdezernentin Nicole Hammerl in der jüngsten Stadtratssitzung leicht erstaunt. Schließlich habe sich an den Rahmenbedingungen und den Gründen der vormaligen Ablehnung – vor allem Schutz der Anwohner in Mischgebieten – nichts geändert. "Mehrheiten können sich ändern", erwiderte Christian Deglmann, Fraktionschef der Bürgerliste. Er sollte recht behalten. Am Ende stand es 21:13 für den Sonntags- und Feiertagsbetrieb der Anlagen.
"Wirtschaftlicher Nachteil" in Weiden
"Wir wollen niemandem die Ruhe nehmen", beteuert Deglmann in der Sitzung. Es gehe in dem Antrag nur um Selbstwaschanlagen – also Autowaschen per Selbstbedienung, "meinetwegen nur bei geschlossenen Toren". Für die "Freien" (vormals FDP/FW) erinnert Bernhard Schlicht an die Regelungen im Umland: In Altenstadt/WN, Neustadt/WN und Nabburg seien Waschanlagen geöffnet. "Für die Weidener Betreiber entsteht ein wirtschaftlicher Nachteil", stimmt SPD-Fraktionsvorsitzender Roland Richter zu. "Es gibt keinen Grund, das aufrecht zu erhalten." Nach "mehrheitlicher Meinung" der SPD-Fraktion sollten SB-Anlagen sonn- und feiertags in Betrieb gehen dürfen.
"Ohne Sonntage nur Werktage"
Nicht Teil dieser Mehrheit sind offenbar Oberbürgermeister Jens Meyer, der später dagegen votiert, und stellvertretende Fraktionschefin Hildegard Ziegler. "Ohne Sonntage gibt es nur noch Werktage", betont sie. Der Sonntag sei "eines der ältesten Arbeitsschutzgesetze", leide aber unter zunehmender Ökonomisierung. Und selbst SB-Anlagen, so die Genossin, "bringen Unruhe rein". Eine Argumentation ganz im Sinne von Markus Nickl, Diözesansekretär der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB). Die beklagte vor einem Jahr öffentlich die damals geplante Sonntagsöffnung des "Tante-M"-Ladens in Parkstein, obwohl er ohne Personal auskommt. Genutzt hat es nichts, "Tante-M" bekam die Genehmigung. "Wo ist die Grenze?", fragt Nickl jetzt. "Wenn ich am Sonntag das Auto waschen darf, warum darf ich nicht auch den Rasen mähen oder Fliesen legen?"
Die Spirale werde immer weitergedreht, der Sonn- und Feiertagsschutz "sturmreif geschossen", meint Nickl auf Anfrage von Oberpfalz-Medien. Auf der Strecke bleibe der Mensch, der auch mal zur Ruhe kommen müsse. Für Nickl geht es dabei nicht nur um den Schutz von Arbeitnehmern, sondern auch um den Schutz des Umfelds. Sprich: Waschanlagen haben eine Nachbarschaft, die sich gestört fühlen könnte. "Solche Entscheidungen werden oft als Beitrag zu mehr Freiheit verkauft", sagt der KAB-Mann. "Aber Freiheit ohne Wahl ist keine Freiheit." Anlieger und Arbeitnehmer, denen die Sonntagsruhe genommen wird, hätten keine Wahl mehr. Nickl empfiehlt den Stadträten, darüber nachzudenken, "für welches Klientel sie sich hier eigentlich einsetzen wollen". Und er attestiert ihnen eine "verquere kommunale Politik".
"Kirchlich und sozial verträglich"
Die Befürworter wiederum merken an, dass der Freistaat es den Kommunen ja ausdrücklich erlaube, die Öffnung an Sonn- und Feiertagen zuzulassen. Mit anderen Worten: Offenbar hat selbst die CSU trotz ihrer Nähe zur Kirche keine Probleme damit. In der Stadtratssitzung bleibt das unbestätigt – kein Mitglied der CSU-Fraktion meldet sich zu Wort. Stattdessen schildern die Antragssteller von Bürgerliste und "Freien" die Regelung als "kirchlich und sozial verträglich". Willkommener Nebeneffekt, laut Schlicht: Die Stadt sichert sich Gewerbesteuereinnahmen.
Auch Karl Bärnklau und seine Grünen hätten nichts gegen den Betrieb von SB-Waschplätzen. Eigentlich. Bärnklau wirft allerdings ein, dass die Genehmigung einer Kommune nach den gesetzlichen Vorgaben immer den Betrieb aller Arten von Waschanlagen umfasse, also nicht nur den von Selbstbedienungsanlagen. "Eine Beschränkung auf bestimmte Sparten sieht die Regelung nicht vor." Darauf weist auch die Stadtverwaltung im Vorlagebericht ausdrücklich hin. Die Antragssteller kommentieren diesen Umstand nicht. Sie berichteten vorher lediglich von einem Betreiber, der ihnen versichert habe, nur SB-Plätze öffnen zu wollen. Wie andere Besitzer von Waschanlagen reagieren, ist unklar.
Die Stadtverwaltung sorgt sich dabei nach eigenem Bekunden um Anwohner in einem Misch- oder allgemeinen Wohngebiet, wie in der Christian-Seltmann- oder Frauenrichter Straße. Das "höhere Ruhebedürfnis" der Nachbarn wäre beeinträchtigt. Ein Argument, das dreimal Gehör fand bei der Stadtratsmehrheit. Das vierte Mal nicht mehr.
Auflagen für die Sonn- und Feiertagsöffnung von Autowaschanlagen
- Öffnung erst ab 12 Uhr
- Kein Betrieb an gesetzlichen Feiertagen (Neujahr, Karfreitag, Ostersonntag, Ostermontag, Pfingstsonntag, Pfingstmontag, 1. Mai, erster und zweiter Weihnachtstag)
- Grundsätzlich gilt laut Feiertagsgesetz in Bayern: An Sonn- und Feiertagen verboten sind alle „öffentlich bemerkbare Arbeiten, die geeignet sind, die Feiertagsruhe zu beeinträchtigen“. Für Waschanlagen können Kommunen Ausnahmen selbst beschließen
Kommentare
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.