Aus den Worten von Oberbürgermeister Jens Meyer spricht massives Misstrauen gegenüber dem Projekt und denjenigen, die es betreiben. "Wir müssen als Stadt Weiden hellhörig sein gegenüber dem, was da mit einer enormen Geschwindigkeit durchgepeitscht wird", sagt er in der Stadtratssitzung über die Stromtrasse Süd-Ost-Link. Man müsse sich fragen: "Wer will was auf wessen Kosten erreichen?" Meyer erinnert daran, dass Gemeinden wie Irchenrieth mit einer Veränderungssperre bedacht wurden – das heißt, die Weiterentwicklung der Gemeinde ist in Bereichen des möglichen Trassenverlaufs zunächst unmöglich. Der Bundesnetzagentur bescheinigt der OB einen "respektlosen Umgang" mit Betroffenen während der Anhörungstermine. Meyer beteuert: "Wenn unsere Belange beeinträchtigt sind, scheue ich mich nicht, den Klageweg zu beschreiten."
Wann aber? Sofort – das zumindest würden sich die Grünen und die ÖDP wünschen. Sie empfehlen den Austritt aus dem "Bündnis Hamelner Erklärung", das – nach Meinung von "Grün.Bunt.Weiden"-Fraktionschef Karl Bärnklau – "eher den Betreibern als den Gegnern nutzt". In diesem Bündnis stimmen neben Weiden unter anderem die Landkreise Hof, Tirschenreuth, Neustadt, Schwandorf und Regensburg ihr Vorgehen gegen die Stromtrasse ab. Den Erfolg bezweifelt Bärnklau. So habe sich die Stadt stets ausdrücklich gegen einen Trassenverlauf im Weidener Osten ausgesprochen. Nun sei er genau dort vorgesehen.
Nach den Worten von Baudezernent Oliver Seidel wartet das Hamelner Bündnis den Planfeststellungsbeschluss ab, um dann gegebenenfalls dagegen zu klagen. Wie Bärnklau treten Sonja Schuhmacher und Helmut Schöner (beide ÖDP-Fraktion) sowie auch Bernhard Schlicht (FDP/FW) für eine sofortige Klage ein – mit Verweis auf den Landkreis Wunsiedel und dessen streitbaren Rechtsanwalt Wolfgang Baumann.
Das allerdings wäre eine Klage gegen die Bundesfachplanung. Und die wäre Ländersache, wirft SPD-Fraktionsvorsitzender Roland Richter ein. Er gibt zu bedenken, "dass der Freistaat Bayern von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat". "Die Klage dürfte nicht zulässig sein", bestätigt Rechtsdezernentin Nicole Hammerl. Dass sie Baumann und anderen Experten der Trassengegner unterstellt, sie spielten mit den Ängsten der Bürger (und profitierten unter anderem durch Buchverkäufe davon), veranlasst Sonja Schuhmacher zu einem Konter: "Wenn Rechtsanwalt Baumann finanzielle Interessen hätte, dann wäre er für die Wirtschaft tätig und nicht für uns." Beim Widerstand gegen die WAA habe er sich bewährt. "Wir vertrauen ihm und all seiner Kompetenz."
Mit 22:18 spricht sich der Stadtrat gegen eine Klage zum jetzigen Zeitpunkt aus. Klarer – mit 19:11 – endet das Votum für einen Verbleib im Hamelner Bündnis. Hätte der Stadtrat über ein generelles Nein zur Trasse abgestimmt, wäre es wohl 40:0 ausgegangen. Auch die CSU lehnt die Planung ab, wie Benjamin Zeitler verdeutlicht: Sie sei "an der Bevölkerung vorbei gemacht." Und sogar die AfD erweist sich als Trassengegner. Allerdings aus ganz anderen Gründen: Sie wünscht sich laut Manfred Schiller die Abkehr von erneuerbaren Energien zugunsten eines "verlässlichen" Energiemix' aus Gas, Kohle und Kernkraft.
"Der Weidener Stadtrat lehnt die Stromtrasse Süd-Ost-Link einmütig ab. Der Oberbürgermeister kündigt an, notfalls klagen zu wollen."
Wieso denn noch abwarten?
Wie der Landkreis Wunsiedel, vertreten durch Rechtsanwalt Wolfgang Baumann, vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gegen die Bundesfachplanung zu klagen, wäre die ein konsequenter Beschluss des Stadtrates gewesen. Erst ganz am Ende eines Verfahrens, das man insgesamt bereits in Frage stellt, zu klagen, so, wie es das Hamelner Bündnis gegebenenfalls nach dem Planfeststellungsbeschluss tun wird - erscheint mir nicht zielgerichtet und kostenmäßig nicht gerechtfertigt. Eine Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss wird wohl auch keine Klage gegen das ganze Projekt sein, sondern sich nach der Betroffenheit der einzelnen Städte und Kreise im Bündnis richten. Man könnte sich sogar vorstellen, dass der Vorteil der einen Kommune zum Nachteil der andren werden könnte. Man könnte sich sogar vorstellen, dass sich eine gewisse Konkurrenz innerhalb der Bündnismitglieder Hamelner... herausbildet. Bislang wollte man die Trasse ja nicht komplett ablehnen, sondern so schonend, wie möglich verwirklicht sehen, das heißt, man würde örtliche Ablehnungsgründe vorbringen. Sieht man das mittlerweile anders? Die Stadt Weiden ist wie andre Städte und Kreise Mitglied dieses Bündnisses. Für welche Belange würde denn das Hamelner Bündnis den Rechtsweg beschreiten?
Was mich zudem verwundert, sind Aussagen von Stadträt_innen und auch von Seiten der Stadtverwaltung, die laut onetz-Bericht getroffen wurden bzw. anscheinend nicht getroffen wurden. So stellte Stadtrat Richter dar: "Das allerdings wäre eine Klage gegen die Bundesfachplanung. Und die wäre Ländersache". Er gab zu bedenken, "dass der Freistaat Bayern von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat". Hinzukommend "bestätigt" Rechtsreferentin Nicole Hammerl: "Die Klage dürfte nicht zulässig sein". Somit wird der Anschein erweckt, es gebe keine Möglichkeit gegen das bislang laufende Verfahren zu klagen. Dass dies nicht der Realität entspricht, zeigt die Klage des Landkreises Wunsiedel, zweier großer Umweltverbände und der Stadt Marktredwitz beim Bundesverwaltungsgericht. Dabei ist es für die Leser_in nicht zu erkennen, ob die genannten Äußerungen nun rechtliche Erkenntnisse oder Mutmaßungen sind.
Frau Hammerl geht, in meiner Ansicht nach, unangemessener Weise als Rechtsreferentin Stadt Weiden sogar so weit, persönliche Aussagen - "spielten mit den Ängsten der Bürger" - und Bewertungen über "Baumann und andre Experten der Trassengegner" zu treffen. Hier sei angemerkt, Bürger_innen, Landkreis Wunsiedel, Städte und Verbände haben den Anwalt zur Vertretung ihrer bereits vorhandenen Bedenken und Anliegen in Wolfgang Baumann gefunden. Die WAA scheiterte letztlich aufgrund von Verfahrensfehlern, die von Herrn RA Baumann aufgedeckt wurden.
Tatsache ist, dass Klagen gegen die Bundesfachplanung beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht wurden - die Städte und Landkreise auch Weiden und Neustadt/WN sollten sich solidarisch dazugesellen, statt mal abzuwarten, und es nachher zu bereuen. Wenn ein Gutachter sein Werk in ein Buch fasst, dient das der Öffentlichkeit, dies von Frau Hammerl wegen "Profitinteressen" in Abrede gestellt, würde ich für unlauter halten. Hier sei noch bemerkt, dass das Buch des Professors, welchen Frau Hammerl meinen könnte, kostenlos downgeloaded werden kann.
Zu wünschen wäre es, wenn der Stadtrat hierzu Bürger_innen anhört, die große Betroffenheit zu diesem Thema zeigen, bzw. seit Jahren in dieser Sache aktiv sind, in dem man sie z.B. zur Sitzung einlädt. Ob es in der Stadtratssitzung zum vorgenannten Sachverhalt noch aufklärende Wortbeiträge gab, kann ich nicht abschätzen. Darüber wird dann das veröffentlichte Sitzungsprotokoll Aufschluss geben. Zuletzt erwächst aus dem onetz-Bericht allerdings die Erkenntnis, dass ein bestimmter Stadtrat mit seinem Vorschlag - "verlässlichen" Energiemix' aus Gas, Kohle und Kernkraft" - garantiert kein Gewinn für Zukunft, Klima und Umwelt sein kann.
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