Weiden in der Oberpfalz
05.08.2019 - 20:50 Uhr

"Weiden träumt" in der Kritik: Kein Traum für Einzelhändler?

Sollten die Veranstalter von „Weiden träumt“ mehr für den Einzelhandel tun? Das fordert Philipp Kaufmann, Geschäftsführer des City-Centers. Er ist damit nicht alleine. Das Stadtmarketing verteidigt sich nun.

Volle Straßen bei "Weiden träumt": Die Veranstaltung zog auch 2019 viele Menschen in die Innenstadt. Mit Einkaufstüten gingen jedoch offenbar nur wenige heim, trotz verlängerter Öffnungszeiten bis 24 Uhr. Bild: Gabi Schönberger
Volle Straßen bei "Weiden träumt": Die Veranstaltung zog auch 2019 viele Menschen in die Innenstadt. Mit Einkaufstüten gingen jedoch offenbar nur wenige heim, trotz verlängerter Öffnungszeiten bis 24 Uhr.

Man werbe mit „Shoppen bis Mitternacht“, doch einige Geschäfte machten am Abend von „Weiden träumt“ nicht auf oder sperrten vor Mitternacht zu. „Wer von den Organisatoren stellt sich die entsprechenden Fragen dazu“, fragt Philipp Kaufmann in einem Leserbrief an Oberpfalz-Medien. Insbesondere die kleinen Einzelhändler würden nicht von der Veranstaltung profitieren. Das habe er in Gesprächen mit Kollegen gehört. Er habe nichts gegen ein „Bürgerfest 2.0“ mit Musik, Unterhaltung und Gastronomie, im Gegenteil, doch dazu brauche man den Handel nicht.

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Umsatz durch Reduzierung

Einzelhandelssprecher Tobias Sonna pflichtet Philipp Kaufmann auf Nachfrage „im Prinzip“ bei. Er habe selbst gesehen, dass viele Händler nicht geöffnet hatten. „,Weiden träumt‘ ist eine tolle Veranstaltung. Aber der Handel leidet darunter, dass nur wenige Kunden etwas kaufen.“

Rückmeldungen der Händler und die Nachbesprechung der Veranstaltung haben laut Andrea Schild-Janker, Geschäftsführerin des Stadtmarketings, das „Weiden träumt“ zusammen mit der Stadt veranstaltet, ergeben, „dass viele sich positiv äußerten“. Dies schließe inhabergeführte Läden, Filialisten und Geschäfte in Haupt- und Nebenlagen ein. Entscheidend für den Erfolg sei die Attraktivität der Aktionen in den Läden. „Nur vereinzelte Geschäfte haben bei der Kultur- und Einkaufsnacht nicht geöffnet.“

Viele der geöffneten Läden versuchten, die Kunden mit Aktionen zu locken. Inhabergeführte Geschäfte punkteten laut Schild-Janker mit kreativen Aktionen, größere mit Rabatten. „Schnäppchen ziehen Leute“, weiß auch Sonna. „Man kann viel Umsatz generieren an diesem Abend – wenn man reduziert. Das kann aber nicht jeder. So ist es zum Beispiel für Apotheken oder den Buchhandel nicht möglich und auch kleinere Händler können das vielleicht nicht bieten.“ Bei Sonna habe es früher Aktionen wie Koch-Shows gegeben. Die liefen normalerweise gut, doch während „Weiden träumt“ sei es selbst damit schwierig, eine gute Kundenfrequenz zu erreichen. „Wenn die Leute tanzen, wollen sie nicht unbedingt eine Einkaufstasche mitnehmen“, vermutet er.

Eine Einkaufsnacht ist auch eine Personalfrage, so Sonna und Schild-Janker übereinstimmend. Vor allem für kleinere Geschäfte sei dieser Mehraufwand schwierig zu meistern. Die Mitglieds-Händler des Arbeitskreises im Stadtmarketing, der „Weiden träumt“ konzipiert hat, seien jedoch eindeutig für eine Einkaufsnacht statt eines weiteren verkaufsoffenen Sonntages gewesen, merkt Schild-Janker an.

Image-Gewinn

Tobias Sonna sieht auch eine andere mögliche Sichtweise: „Dank ,Weiden träumt‘ kommen Auswärtige in die Läden, die sonst nicht da wären. Da hofft man, dass sie an einem anderen Tag einkaufen.“ „Weiden träumt“ sei zumindest gut fürs Image.

Für das Stadtmarketing sei es Ziel, die Stadt als attraktiven Standort in den Köpfen zu positionieren, erläutert Schild-Janker. Entscheidend sei dabei „nicht der reine Umsatz an diesem Abend, sondern auch der längerfristige Werbeerfolg“. Es sei Aufgabe des Handels, aus dem Besucherstrom seine Kunden zu generieren. „Vorschläge für weitere verkaufsfördernde Maßnahmen werden gerne aufgegriffen.“ Das Thema „Weiden träumt“ habe er über Jahre im Stadtmarketing angesprochen, so Kaufmann. „Man muss nicht immer derselben Meinung sein, aber wenn man sich nicht mehr austauscht, dann bleibt immer alles so wie es ist.“ Er kritisiere keine Personen, sondern wolle „mit konstruktiver Kritik neue Denkansätze generieren und im Austausch Lösungen für die nahe Zukunft kreieren“. Etwas zu ändern hält auch Sonna für sinnvoll: „Wir müssen überlegen, wie man ,Weiden träumt‘ für alle attraktiv machen kann. Dem Handel wäre geholfen, wenn auf der Straße nicht gar so viel angeboten werden würde. Dann würden die Maßnahmen in den Geschäften mehr wahrgenommen.“

„Was grundsätzlich fehlt, ist ein Leitfaden“, sagt Kaufmann am Montag auf Nachfrage. „Was sind wir? Einkaufsstadt, Wohlfühlstadt, Max-Reger-Stadt ... Wir haben so viele Gruppierungen, die alle das Gleiche wollen: Weiden voranbringen. Diese gilt es zu bündeln, um gemeinsam unseren Standort zu stärken. Wir haben viel zu bieten und sollten das mit breiter Brust kommunizieren.“

Kommentar:

Beste Werbung für die Einkaufsstadt

Philipp Kaufmann hat schon recht: „Weiden träumt“ beschert manchen Geschäften traumhafte Umsätze, während sich in andere Läden kaum Kunden verirren. Die Action, so Kaufmanns Vorwurf, spiele sich hauptsächlich auf den Straßen und in den Gassen draußen ab und kaum vor den Verkaufstheken drinnen. Stimmt. Warum aber sollte das so schlecht sein?
In der langen Shopping-Nacht rührt sich was in der Stadt. Es ist tatsächlich zu einem „Bürgerfest bei Nacht“ geworden, wie Kaufmann kritisiert – aber eben eines, das vom Handel ausgeht. Kunden haben die Möglichkeit, auch nach dem normalen Geschäftsschluss einzukaufen – schon mal mit Rabatten zum besonderen Anlass – oder sich zumindest in den Läden umzusehen. Händler, die das nicht nutzen können, sollten zunächst bei sich selbst Ursachenforschung betreiben. Warum klappt’s bei anderen?
Falls die lange Shopping-Nacht tatsächlich für manchen Geschäftsmann ein Draufzahlgeschäft ist – der längerfristige Effekt dürfte doch viel mehr wert sein: Bei vielen Tausend Besuchern aus Stadt und Land betreibt die Einkaufsstadt beste Werbung für sich selbst.

Ralph Gammanick

Kommentar:

Das Pseudo-Shopping-Klientel trägt keine Tüten, die beim Cocktail stören

Der Manager des City-Centers klagt: „Weiden träumt“ ist eine Supersause, eine mit Flair, Musik, Kunst, und Cocktails. Die Leute zieht es in die herrlich illuminierte, beschallte und belebte Innenstadt, um eine laue Sommernacht zu feiern. Shoppen? Muss nicht.
Doch woran liegt’s? Das Pseudo-Shopping-Klientel zieht es eben nicht in die überhitzten Geschäfte, um von dort Tüten nach draußen zu tragen, die dann beim Cocktail schlürfen stören. Auch eine Shopping-Nacht ans eurokarge Monatsende zu legen, wie Kaufmann moniert, klingt ungeschickt. Das erinnert an den Hund, der durch die Glasscheibe des Metzgers die Wurst anhimmelt und dabei neben dem Schild „Wir müssen draußen bleiben“ sitzt.
Zugegeben, Jammern gehört seit jeher zum (Handels-)Geschäft. Trotzdem sollte Kritik aus der Geschäftswelt bei einer Shopping-Nacht ernst genommen werden. Denn während „Weiden träumt“, ist das Personal in den Läden hellwach – und kostet. Um das zu finanzieren, ist Umsatzstreben legitim. Genauso wie die Forderung nach einem Shopping-Nacht-Konzept, das die Kunden in die Stadt UND zu den Ladenkassen strömen lässt.

Simone Baumgärtner

 
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