Von der Rathausspitze "vorgeführt" fühlt sich auch Karl-Heinz Schell (SPD), eines der dienstältesten Mitglieder im Bauausschuss. Nur er hatte im Bauausschuss Anfang Dezember mit Sitzungsleiter, Bürgermeister Jens Meyer (SPD), für den Vorschlag der Bauverwaltung gestimmt und die Nutzungsänderung abgelehnt. Die Argumente des Baudezernats schienen überzeugend: Das Gebäude liegt im Außenbereich. Es konnte einst nur errichtet werden, weil es durch den von der Telekom angemeldeten öffentlichen Gemeinbedarf als privilegiert galt.
Für die von den neuen Eigentümern geforderte Nutzungsänderung gebe es keine Chance, zumal sich dadurch die Entstehung einer Splittersiedlung verfestige, argumentierte das Baudezernat. Die Unternehmer, die einen langfristigen Mietvertrag mit der Telekom für die Restflächen verfügen, hätten als erfahrene Immobilienbesitzer von den baurechtlichen Problemen gewusst, die vor einer Umnutzung der Büroflächen zu lösen waren.
Lange gewartet
Mit ihrer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts gingen die Investoren zunächst auch nicht mit der Brechstange vor. Sie beantragten bereits im Oktober 2018 die Nutzungsänderung. Eine Entscheidung der Stadt blieb zunächst aus. Das Bauamt versuchte über Monate, dem Vorhaben über die Hürden zu helfen und Argumente für den Gemeinbedarf der Arztpraxis zu finden. Vergeblich. Die ungeduldigen Investoren vermieteten die Flächen - ohne städtischen Segen - im Frühjahr 2019. Inzwischen ist eine "medizinische Vorsorgungseinrichtung mit Schwerpunkt Suchtmedizin und Substitutionsbehandlung (Arztpraxis)" eingezogen.
Trotz der von der Ausschussmehrheit "abgelehnten Ablehnung" kann die Nutzungsänderung nicht als genehmigt betrachtet werden. Dies erledigt der Oberbürgermeister kurz vor Weihnachten, während der Baudezernent im Urlaub weilt. Seggewiß glaubt offenbar nicht daran, dass sich die Argumentation des Bauamtes "durchhalten" lässt. Das Rechtsamt wird eingeschaltet und sieht in seiner rechtlichen Würdigung vom 9. Januar überraschend doch Gründe, die für eine Genehmigung der Arztpraxis im Außenbereich sprechen könnten. Es schlägt vor, die Nutzungsänderung zu befristen, und zwar so lange, wie das Restgebäude an die Telekom (privilegierte Nutzung) vermietet ist. Die nachgeordnete Nutzung des Gebäudes durch die Arztpraxis stehe nicht im Widerspruch zur Darstellung im Flächennutzungsplan. Das Baudezernat konnte die neuen Argumente nicht bestätigen.
Weiterer Konflikt
In den Reihen der Stadträte wird inzwischen sogar gemunkelt, dass hinter der überraschenden Genehmigung der Nutzungsänderung ein anderer Konflikt steht: Die Stadt hat beim hochgelobten Projekt Wittgarten-Durchstich eine kleine Fläche aus dem Grundstück eines der GdR-Gesellschafter überbaut. Käufer und Verkäufer waren sich zwar einig. Aber der Deal ist noch nicht über die Bühne gebracht. Der Grundstückseigentümer soll dort aus Verärgerung sogar gedroht haben, seine Fläche aus der öffentlichen Nutzung herauszunehmen.
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