Wenn man von einer Passstraße spricht, denkt man unwillkürlich an Straßen und Durchlässe in den Alpen, die meist sehr hoch gelegen sind. Links und rechts erheben sich steile Felswände, die Durchfahrt ist öfters sehr eng. Im Winter sind sie wegen des Schnees nicht selten unpassierbar.
Ein ganz anderes Bild bietet der Wurmlohpass im Fichtelgebirge. Er ist eine Einsattelung zwischen der Kösseine und der Hohen Matze. Auf 652 Metern über Normal-Null verläuft über den Pass in Nord-Süd-Richtung die Staatsstraße 2665 von Kemnath und Brand nach Tröstau und weiter zur Kreisstadt Wunsiedel. Der Pass ist nach dem Ort Wurmloh benannt, der am Pass durchfahren wird und zur Gemeinde Nagel gehört. Er hat ganz und gar nichts mit einem Alpenpass zu tun: eher eben, Gehöfte und Bebauung bis zur höchsten Stelle, Wald und Wiesen auf der Tröstauer Seite. Verkehrsmäßig wegen des jüngsten Ausbaus bereitet der Pass weder Autos noch Lastwagen Probleme.
Wasserscheide
Eines hat der Wurmlohpass mit vielen Alpenpässen gemeinsam: Er bildet eine Wasserscheide. Durch den Wurmlohpass verläuft von Ost nach West die Europäische Hauptwasserscheide zwischen Schwarzem Meer und Nordsee. Die Bachläufe südlich des Scheitelpunktes fließen über Gregnitz, Naab und Donau zum Schwarzen Meer, die Bachläufe nördlich über Röslau, Eger und Elbe zur Nordsee. Auf der Europäischen Hauptwasserscheide verläuft im Abschnitt Kösseine–Hohe Matze der vom Fichtelgebirgsverein markierte Hauptwanderweg Höhenweg.
Wasser ist für Natur und Mensch lebenswichtig. Deshalb kam es nicht selten zu Auseinandersetzungen um das Wasser, vor allem wenn Menschen entdeckten, dass damit die Gestaltung des täglichen Lebens beeinflusst werden konnte. Manches Gewässernetz wurde von Menschenhand stark verändert, wobei wirtschaftliche Hintergründe vielfach eine Rolle spielten. Um- und Ableitungen wurden angelegt für Mühlenbetriebe oder Hammerwerke oder auch zum Zwecke der Wiesenwässerung. Dass dabei auch eine Überleitung in ein anderes Stromgebiet und dadurch zu einem anderen Meer erfolgte, war den Vorfahren zwar bekannt, aber spielte nur eine untergeordnete Rolle.
Die meisten Bachumleitungen findet man Ende des 17. Jahrhunderts im nahe des Wurmlohpasses gelegenen Fichtelberg-Neubau. Wie aus einem Artikel über die Gewässerkunde im Fichtelgebirge unter dem Titel „Der Wasserklau ging umher“ hervorgeht, benötigte man viel Wasser, um der dort aufblühenden Eisenverarbeitung in Hütten- und Hammerwerken zu genügen. So wurde der Seehausbach im unteren Teil an der Saugasse in Richtung Fichtelsee abgeleitet und damit die Richtung verändert. Mehrere Rinnsale kamen vom Südhang des Ochsenkopfes, flossen in die Warme Steinach und damit über den Main in die Nordsee. Doch plötzlich zog man quer über den Hang einen Kunstgraben, Bocksgraben genannt, und leitete das Wasser zum Mühlweiher nach Fichtelberg-Neubau. Wasser, das seit Menschengedenken in die Nordsee floss, hatte nun die Richtung ins Schwarze Meer.
Wasser umgepumpt
Wie groß der Reiz ist, Wasserscheiden zu ändern, geht aus einem „Spektakel“ hervor, das am 23. Oktober 1999 über die Bühne ging: 31 Feuerwehren aus dem Landkreis Wunsiedel legten eine sechs Kilometer lange Schlauchleitung von der Röslau in Tröstau über den Wurmlohpass zur Gemeinde Nagel an den Nagler See und pumpten das Wasser über die Anhöhe. Damit entzogen die Feuerwehrleute der Nordsee das Röslauwasser und leiteten es bewusst, wenn auch nur für ein paar Stunden, über Gregnitz, Naab und Donau dem Schwarzen Meer zu. Utensilien von der Aktion werden heute noch im Feuerwehrhaus in Nagel aufbewahrt und gezeigt, wie der Kommandant Markus Meyer erläutert.
Wie sehr die Wasserscheide das alltägliche Leben begleitete, zeigt eine Notiz des Heimatschriftstellers Karl Greger von den Buchlohhäusern, die unterhalb der Kösseine, also nicht weit entfernt vom Wurmlohpass, liegen. Im Ortsteil Kössain gibt es eine Gaststätte mit dem Namen „Zum Falter“. Dazu schreibt er: „Eine Besonderheit dieser Gaststätte wäre noch anzumerken. Die Gaststube befindet sich genau auf der Wasserscheide. Geht man von der Haustüre heraus und drei Schritte nach rechts, bieselt man ins Schwarze Meer, und geht man drei Schritte nach links, wird die Nordsee beliefert.“ Dass früher männliche Wirtshausbesucher nicht die vorhandenen Toiletten benutzten, sondern abends und nachts vor die Haustüre gingen, war keine Seltenheit.
Der Wurmlohpass
- Name kommt vom Ort Wurmloh in der Gemeinde Nagel
- liegt 652 Meter über Normal-Null
- von Ost nach West verläuft die Europäische Hauptwasserscheide zwischen Schwarzem Meer und Nordsee
- Bachläufe südlich des Scheitelpunktes fließen über Gregnitz, Naab und Donau zum Schwarzen Meer
- Bachläufe nördlich des Scheitelpunktes fließen über Röslau, Eger und Elbe zur Nordsee
„Eine Besonderheit dieser Gaststätte wäre noch anzumerken. Die Gaststube befindet sich genau auf der Wasserscheide. Geht man von der Haustüre heraus und drei Schritte nach rechts, bieselt man ins Schwarze Meer, und geht man drei Schritte nach links, wird die Nordsee beliefert.“
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