Nach umstrittenem Elfmeterpfiff für England: "Das war eine Frechheit"

Weiden in der Oberpfalz
08.07.2021 - 16:15 Uhr
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Es war der Aufreger des EM-Halbfinalspiels gegen Dänemark: Der umstrittene Elfmeterpfiff zugunsten der "Three Lions" in der Verlängerung. Wir haben Schiedsrichter aus der Region befragt, wie sie in dieser Szene entschieden hätten.

Der niederländische Schiedsrichter Danny Makkelie (blaues Trikot) berät mit dem Video-Assistenten über den entscheidenden Strafstoß-Pfiff im EM-Halbfinale zwischen England und Dänemark. Die Dänen können die Entscheidung nicht fassen.

Von Reiner Fröhlich, Christian Frühwirth und Fabian Leeb

Thomas Ehrnsperger (1. FC Rieden/Regionalliga)

"Im Live-Bild habe ich gedacht, es ist ein Elfmeter. Es hat sehr nach Foul gerochen, die Aktion war schnell und dynamisch, da reicht oft ein kleiner Kontakt. In der Zeitlupe betrachtet, muss ich aber sagen: Es ist klar kein Elfmeter! Der Kontakt war viel zu gering, meiner Meinung nach war der Spieler darauf aus. Ein Strafstoß muss klar sein. Für mich ist es für einen Elfmeterpfiff, der ganz oft spielentscheidend sein kann und in dieser Partie auch spielentscheidend war, viel zu wenig. Wohl jeder Fußballfan wird sagen, den darf man nicht pfeifen. Aber Theorie und Praxis unterscheiden sich sehr häufig. Vom Regelbuch her ist der Elfmeter abgesegnet. Nach den Kamerabildern gab es einen leichten Kontakt, und deswegen darf der Videoschiedsrichter auch nicht eingreifen, weil es wegen des Kontaktes eben kein klarer Fehler war."

Andreas Stolorz (DJK Irchenrieth/Landesliga)

"Bei der ersten Betrachtung in Realgeschwindigkeit hätte auch ich sofort auf Elfmeter entschieden. So wie der Verteidiger zum Gegenspieler geht, war die Situation ohne Video-Assistent und Zeitlupe eindeutig. Bei wiederholter Betrachtung fällt aber das eher untypische Fallmuster des englischen Spielers auf, da er sich mit den Händen abstützt, das spricht meistens gegen ein Foulspiel. Allgemein ist die Situation nun natürlich sehr unglücklich, wenn im Nachgang eine Schiedsrichter-Entscheidung im Mittelpunkt der Diskussionen steht. Zumal diese Situation mitunter turnierentscheidend sein kann. Ich glaube, der VAR hat nicht interveniert, weil er auch am Bildschirm den Fehler nicht zu 100 Prozent aufdecken konnte. Und dann zählt eben die Wahrnehmung auf dem Platz."

Jonas Kohn (Germania Amberg/Landesliga)

"Ich hätte den Elfmeter nicht gepfiffen. Von der Aktion her war es mir zu wenig, um in einem EM-Halbfinale kurz vor Schluss einen Strafstoß zu geben. In so einer Situation muss es kein hundertprozentiger Elfmeter sein, sondern ein tausendprozentiger. Und für mich war das kein tausendprozentiger. Ich habe mir die Szene noch mehrfach angeschaut, und man sieht, dass der Verteidiger zwar das Bein stehen lässt, aber einen Kontakt habe ich nicht gesehen, der Sterling geht da schon vorher runter. Deswegen finde ich den Pfiff sehr kritisch. Der Videoschiedsrichter kann in so einer Situation auch nicht eingreifen, weil es keine klare Fehlentscheidung war. Es war in einem Grau-Bereich, es war ein Kann-Elfmeter, kein Muss-Elfmeter."

Albert Kellner (Kreisvorsitzender Fußballkreis Amberg/Weiden, inaktiver Schiri, da er als Vorsitzender und Spielleiter nicht pfeifen darf)

"Das war eine Frechheit. Es ist unmöglich, so einen Elfmeter zu geben, in dieser Situation, in der Verlängerung, in der es um ein Finale geht. Der VAR hatte offensichtlich eine ganz andere Sichtweise als Millionen Zuschauer. Welche Szene in welchem Spiel er beobachtet hat, weiß ich nicht. Außerdem hätte der Schiedsrichterassistent schon vorher die Fahne heben müssen, weil ein zweiter Ball im Spiel war. Wir als Schiedsrichter sind angehalten, sofort das Spiel zu unterbrechen, wenn ein zweiter Ball auf dem Feld ist – außer er ist weit ab vom Geschehen. Aber das war nicht der Fall."

Lukas Schwendner (DJK Ensdorf/Bezirksliga und A-Junioren Bayernliga)

"Den Elfmeter hätte ich nicht gepfiffen, das war übertrieben. Dem Schiedsrichter muss eigentlich bewusst sein, dass er damit ein EM-Halbfinale entscheidet. Dafür war es in so einer Situation zu wenig. Der Video-Schiedsrichter hätte eingreifen und zum Schiedsrichter sagen müssen: Schau dir das bitte auf dem Monitor an. Der zweite Ball hat für mich das Spiel nicht beeinträchtigt, er hat nicht in einem Zweikampf gestört."

Roman Solter (TSG Weiherhammer/Kreisliga)

"Das ist immer ganz schwierig, aus der Ferne ein Urteil abzugeben. Das hat man auch im Anschluss bei der Analyse von Manuel Gräfe im ZDF gesehen. Auf den ersten Blick hätte ich klar zu einem Strafstoß tendiert. Nach der Betrachtung mehrerer Zeitlupen ist es schon eine sehr harte Entscheidung. Für den Schiedsrichter auf dem Platz ist das nicht einfach, das ist eine Entscheidung von Millisekunden. Der Videoschiedsrichter hat vermutlich nicht eingegriffen, weil es eben einen ganz leichten Kontakt gegeben hat. Aber dass so eine Entscheidung ein derart wichtiges Spiel entscheidet, ist schon hart."

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Amberg29.06.2021
 
 

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