Ende des Jahres bin ich fertig. Also nicht mit den Nerven. Gut, das schon auch, aber nur ein bisschen. Und das sind wir ja alle momentan. Corona und so. Aber ich meine etwas anderes. Wenn dieses Jahr am 31. Dezember der Sekundenzeiger auf die Zwölf springt - tack - dann enden für mich 22 Jahre der Ausbildung. Kindergarten, Grundschule, Gymnasium, Studium, Volontariat. Dann bin ich Redakteur, mein erster voll bezahlter Job. Hurra!
Dabei wollte ich doch am Anfang Pirat werden. Wäre sicher auch cool. Aber das hatte einen Haken: die Einstellungschancen sind eher schlecht. Hab ich gehört. Schon deutlich besser wären die Aussichten als Lehrer. Ob ich dafür geeignet gewesen wäre? Im Kindergarten habe ich, weil ich sie vorher daheim unbedingt lernen wollte, den anderen Kindern versucht die Schreibschrift beizubringen. Ist mir heute eher ein bisschen peinlich, aber ein pädagogisches Grund-Gen scheint da zu sein.
Apropos Lehrer. Immer heißt es: "Der war ein Idiot" und "Ich hatte nur schlechte Lehrer." Zumindest da hatte ich Glück. Ziemlich viel sogar. Mit wenigen Ausnahmen hatte ich nur Lehrer, die mich weitergebracht haben - oder mit denen Schulstunden zumindest erträglich waren. Ist ja auch schon was. Mit Abstand wichtigster Lehrer für mich war mein Deutsch-Lehrer in der Oberstufe, der mir das Selbstvertrauen gegeben hat, dass, was da aus meiner Feder kommt, gar nicht mal völlig unlesbar ist. Und dass die Idee, das zum Beruf zu machen, eine gute wäre. Ein Schiller-Drama anständig analysieren könnte ich dagegen heute nicht mehr. Und Effi Briest habe ich eh nie gelesen. Meinen Traumberuf habe ich jetzt trotzdem. Puh. Jedenfalls bin ich meinem Oberviechtacher Gymnasium dankbar. Der Oberstufen-Deutschkurs trifft sich übrigens noch immer, sechs Jahre nach dem Abi, jeden Sommer zur Lagebesprechung in einem Biergarten.
Bin ich also nach all den Jahren der Ausbildung jetzt gerüstet und mit reichlich Wissen gesegnet? Mit Halbwissen vielleicht. Und überall tun sich dessen Lücken auf. Gerade bin ich dabei, meine Steuerunterlagen zu sammeln. Das war in Deutsch kein Thema. Und Wirtschaft habe ich recht schnell abgelegt. Ich bin ziemlich planlos. Freibetrag? Steuerklasse? Wie, was, wo? Über Fragen der Lebenspraxis hüllen wir lieber den Mantel des Stillschweigens. Beispiel: In meiner Wohnung lebt seit einigen Tagen eine Fliege als Untermieterin. Erwischt habe ich sie noch nicht. Jage ich sie, surrt sie höhnisch. Die richtige Technik des Fliegen-Erschlagens muss ich erst lernen.
OTon
Wir sind junge Mitarbeiter der Oberpfalz-Medien. In unserer Kolumne „OTon“ schreiben wir einmal in der Woche über das, was uns im Alltag begegnet – was wir gut finden, aber auch, was uns ärgert. Dabei geht es weniger um fundierte Fakten, wie wir sie tagtäglich für unsere Leser aufbereiten, sondern um unsere ganz persönlichen Geschichten, Erlebnisse und Meinungen. Wir wollen zeigen, dass nicht nur in Hamburg, Berlin oder München Dinge passieren, die uns junge Menschen bewegen. Alle Teile dieser Kolumne sind zu finden unter onetz.de/oton.
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