Ich will über Gefühle reden, und zwar über meine. Und über Krieg. Das ist für mich einigermaßen überraschend: Noch vor einer Woche war ich der Meinung, dass meine Gefühle in diesem Zusammenhang das Letzte sind, das ich thematisieren sollte. Ich habe mich über Menschen geärgert, die glaubten, ihr Umgang mit dem Krieg in der Ukraine täte irgendwas zur Sache – es sei denn, sie waren selbst betroffen.
Das hat sich geändert, und das hat auch mit dem großartigen Text der Kollegin Miriam Wittich von vor einer Woche an dieser Stelle zu tun. Miriam hat einen bemerkenswerten Satz geschrieben: "Jedem, der sich überfordert fühlt oder der Angst hat, sei erlaubt, auf sich selbst Acht zu geben." Mir fiel auf: Ich habe nicht auf mich Acht gegeben. Was ich durchmache, ist ganz klassische Trauer, in fünf Stufen: Schock nach der Eilmeldung, eine lange Wut, ein kurzer Verhandlungsversuch mit höheren Mächten, tagelange Traurigkeit, seit kurzem leise Akzeptanz.
Ich glaube, unser Umgang mit dieser Katastrophe ist zu oberflächlich. Und er ist nicht gesund. Krieg durch das Teilen eines Kalenderspruches über Frieden in der Instagram-Story zu verarbeiten, kann nicht genug sein. Ob eine 70-zeilige Abhandlung gesünder ist? Ehrlich, keine Ahnung. Aber ich will es versuchen.
Warum bin ich immer noch geschockt? Krieg in meiner Nähe war etwas, von dem ich ziemlich genau 27 Jahre lang glauben durfte, es nie erleben zu müssen. Das ist heute anders. Ich habe geliebte Menschen mit Familien in der Ukraine, ich habe Angst, dass diese Menschen in einem sinnlosen Krieg sterben, habe um sie geweint. Ein neues Gefühl.
Warum bin und bleibe ich wütend? Natürlich spüre ich Wut auf vieles und viele: Putin, seine Oligarchen, auf diesen widerlichen Nationalismus, auf die sogenannten Putin-Versteher Schröders und die Wagenknechts dieser Welt, aber auch auf mich. Über Jahre haben ukrainische Stimmen in meinem Umfeld ausgesprochen, was sie fürchten – dass Putin die Krim nicht genügen würde. Über Jahre habe auch ich das abgetan. Dass ich Teil dieser bequemen, deutschen Ignoranz war, enttäuscht mich. Und ich trauere um meine privilegierte, heile mitteleuropäische Welt, die nie mehr so sein wird wie vor dem 24. Februar.
Vielleicht hat dieser Text irgendjemanden geholfen, der ihn liest – ich hoffe es. Vielleicht habe ich aber nur mir selbst etwas von der Seele geschrieben. Wenn dem so ist: immerhin.
OTon
Wir sind junge Mitarbeiter der Oberpfalz-Medien. In unserer Kolumne „OTon“ schreiben wir einmal in der Woche über das, was uns im Alltag begegnet – was wir gut finden, aber auch, was uns ärgert. Dabei geht es weniger um fundierte Fakten, wie wir sie tagtäglich für unsere Leser aufbereiten, sondern um unsere ganz persönlichen Geschichten, Erlebnisse und Meinungen. Wir wollen zeigen, dass nicht nur in Hamburg, Berlin oder München Dinge passieren, die uns junge Menschen bewegen. Alle Teile dieser Kolumne sind zu finden unter onetz.de/oton.
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