München
19.01.2022 - 17:39 Uhr

Bayern-Trend: Keine Mehrheit für Bayerns Regierung

Die CSU steckt weiter im Umfragetief. Parteichef Söder will mit frischem Personal für neuen Schwung sorgen, und die Abgeordneten setzen bei ihrer Video-Klausur auf Fortschritte bei der Digitalisierung Bayerns und die Stärkung der Pflege.

Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger (links) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sind aktuell im Umfragetief. Archivbild: Peter Kneffel
Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger (links) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sind aktuell im Umfragetief.

Wenn im Januar auf eines Verlass ist, dann auf das Erscheinen des "Bayern-Trends" des BR-Fernseh-Magazins "kontrovers" zur Mitte der CSU-Winterklausur. Gefühlt im Minutenabstand checken dann Abgeordnete wie beobachtende Journalisten auf ihren Smartphones, ob die Umfragezahlen schon da sind. Heuer allerdings stimmte das Timing nicht: Weil die Klausur corona-verkürzt wurde, erfuhr die Welt erst nach Ende der Tagung, dass der freie Fall der CSU in der Wählergunst zumindest gestoppt scheint. 36 Prozent der bayerischen Wähler würden der CSU ihre Stimme geben, wäre am kommenden Sonntag Landtagswahl. Das ist zwar noch einmal weniger als die mageren 37,2 Prozent 2018, aber auch mehr als mit 31,7 Prozent historische Tief bei der Bundestagswahl im vergangenen Herbst.

Parteichef Markus Söder kannte die Zahlen noch nicht, als er am Dienstag per Video in die ohnehin virtuelle Klausur zugeschaltet seinen Lagebericht abgab. Glaubt man Teilnehmern des geschlossenen Zirkels, blieb der Neuigkeitswert überschaubar. Er wolle vor der Landtagswahl die personelle Aufstellung seines Regierungsteams "verfeinern" - was immer das heißen mag -, traditionellen Wählerschichten solle wieder mehr Beachtung geschenkt und die Wirtschaft beim Neustart nach der Pandemie unterstützt werden. Zudem erläuterte er seinen aktuellen weniger scharfen Corona-Kurs. Die von einigen Abgeordneten dringend erhoffte Aussprache über Söders Politikstils der vergangenen Monate entfiel, soll aber demnächst in Präsenz auf einer regulären Fraktionssitzung nachgeholt werden.

Dass durchaus Gesprächsbedarf besteht, am Kurs im Allgemeinen und in manchen Punkten im Besonderen, lässt sich an den auf der Klausur verabschiedeten sechs Resolutionen ablesen. In einer zum Beispiel werden zwar die Bemühungen der Staatsregierung um die Digitalisierung Bayerns gelobt, aber dann unter dem Motto "digital first" ein ehrgeiziger Plan skizziert, mit dem "Papier und amtliche Stempel" möglichst rasch durch einheitliche digitale Lösungen von Kommunen bis zu den Staatsbehörden ersetzt werden sollen. Einfacher und unbürokratischer soll alles werden. In einer anderen Vorlage wird ein ganzes Maßnahmenpaket zur Stärkung der beruflichen Ausbildung als Ausweg aus dem Fachkräftemangel gefordert. Auch bei der Pflege sieht die CSU-Fraktion weiteren Handlungsbedarf.

Natürlich fehlen auch CSU-Klassiker wie die Innere Sicherheit nicht. Die Radikalisierung bei den Corona-Protesten habe die Notwendigkeit einer "wehrhaften Demokratie" unterstrichen, heißt es in einem der Papiere. Es brauche auf der einen Seite die Sicherung der Versammlungsfreiheit, auf der anderen aber den Schutz vor radikalen und verfassungsfeindlichen Kräften. Als dringend erforderlich hält die CSU in diesem Zusammenhang härtere Konsequenzen beim Missbrauch von Kindern als "menschliche Schutzschilde" gegen Polizeieinsätze. Zur Stärkung des Ehrenamts schlägt die CSU-Fraktion vor, Einsatzzeiten bei Freiwilligendiensten auf die Rente sowie die Verkürzung von Wartezeiten auf Studienplätze anzurechnen.

Dass es bei der Digitalisierung in Bayern noch gelegentlich ruckelt, verspürte CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer am eigenen Leib. Seine am Mittwoch für den Vormittag angekündigte Online-Pressekonferenz zum Klausurabschluss musste auf den Nachmittag verlegt werden, weil sich keine stabile Internet-Verbindung in sein Kemptener Stimmkreisbüro herstellen ließ. Die Verzögerung änderte aber nichts daran, dass er sich nicht konkret zu Söders Andeutungen über neue Köpfe in der Staatsregierung äußern konnte. Die Rochade stehe aber "nicht unmittelbar bevor, sonst wüsste ich das". Tut er aber offenkundig nicht. Mit einem umfassenden Personalaustausch rechnet Kreuzer ohnehin nicht, da "die CSU-Seite der Staatsregierung gute und effektive Arbeit macht". Als er das sagte, kannte er allerdings den neuen "Bayern-Trend" noch nicht. Demnach sind nur noch 45 Prozent der Bayern mit der Arbeit der CSU in der Staatsregierung zufrieden. Vor einem Jahr waren es noch 66 Prozent.

Regensburg19.01.2022
Hintergrund:

Weiß-blaue Koalition ohne Mehrheit

Nach der "Bayern-Trend"-Umfrage des BR-Fernsehmagazins "kontrovers" hätte die bayerische Koalition aus CSU und Freien Wähler derzeit keine Mehrheit im Landtag. Wäre am Sonntag Landtagswahl käme die...

  • ... CSU auf 36 Prozent (minus 12 im Vergleich zum Januar 2021).
  • Die Freien Wähler erhielten unverändert acht Prozent.
  • Auch die Grünen müssten mit 14 Prozent (minus 3) Federn lassen.
  • Eindeutiger Gewinner wäre die SPD mit 14 Prozent (plus 7).
  • Zuwächse gäbe es zudem für die AfD (plus 3 auf 10 Prozent) und die FDP (plus 4 auf 7 Prozent).

Auch die Arbeit der Staatsregierung wird von den Bürgern schlechter bewertet als vor einem Jahr. Der Anteil der Zufriedenen sank von 70 auf 54 Prozent. Ausschlaggebend dafür dürfte das Corona-Krisenmanagement sein. Hielten das vor einem Jahr noch 60 Prozent der Bayern für gut, sind es heute nur noch 47 Prozent. Die Unzufriedenen sind aber kein homogener Block. Eine Hälfte plädiert für strengere Corona-Maßnahmen, die andere für gelockerte. Immerhin: 64 Prozent der Bayern sprechen sich für eine allgemeine Impfpflicht aus. Deutlich schlechter bewertet als vor einem Jahr werden auch Bayerns Spitzenpolitiker. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kommt nur noch auf 55 Prozent Zuspruch (minus 17), sein Stellvertreter Hubert Aiwanger (Freie Wähler) gar nur auf 36 Prozent (minus 18).

 
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