Zu welchem Typ Mensch gehörst du? Dem, der immer seine Meinung sagt, brechend ehrlich ist, ohne Rücksicht auf die Gefühle anderer? Bist du „Typ vorsichtig“, der sich gerne anpasst? Dem es schwerfällt, ehrlich zu sagen, was er will? Oder nimmst du es mit der Wahrheit grundsätzlich nicht so ernst? Sei ehrlich zu dir. Das war ich auch zu mir. Ich muss gestehen, lange war ich Typ Anpassung. Jemand, der es vermieden hat, sein Gegenüber vor den Kopf zu stoßen. Der gleichzeitig nie hinterfragt hat, was er wirklich möchte – und was nicht. Ich war in vielen Bereichen meines Lebens nicht ehrlich zu mir. Warum? Es war ganz einfach bequemer. Bis ich gemerkt habe, dass ich unzufrieden bin. Ich habe mich gefragt: Woran liegt das? Die Lösung? Ehrlichkeit. Zu mir selbst. Ehrlichkeit, die ich von anderen erwarte.
Fangen wir damit an, wie wichtig es ist, aufrichtig zu sich selbst zu sein. Ich habe damit im Kleinen begonnen, es mir zur Aufgabe gemacht, ehrlich zu reflektieren und zu entscheiden, was ich will. Ich habe mich von dem Gedanken gelöst, jedem gefallen zu wollen und angefangen, deutlich meine Meinung zu sagen. Ich habe keine Verabredungen mehr aus Höflichkeit angenommen, wenn ich lieber einen Abend für mich haben wollte. Keine Kleidung mehr gekauft, nur, weil mir das Kompliment einer Freundin – ob ehrlich gemeint oder nicht – geschmeichelt hat. Apropos ehrlich gemeintes Kompliment … auch in dieser Hinsicht musste ich ehrlich zu mir sein und feststellen, dass auch mir kleine Lügen oft viel zu leicht über die Lippen gingen. Warum? Weil ich meinem Gegenüber ein gutes Gefühl geben wollte. „Nein, deine Haare schauen heute aus wie immer. Sehr hübsch.“ Die Wahrheit: Es war ihr schlimmster Bad-Hair-Day aller Zeiten. Oder: „Du bist nicht schuld an dem Streit mit deinem Freund. Er hat sich komplett bescheuert verhalten.“ Die Wahrheit: Die sah vermutlich anders aus und ich hätte meiner Freundin einen konstruktiveren Rat geben sollen. Sicher, Lügen passieren oft aus gutem Willen. Kleine Notlügen, die uns so sinnvoll erscheinen. Aber auch sie sind falsch. Ich habe sie aufgegeben und meinen Freunden ehrlich meine Meinung gesagt. Immer. Auch, wenn sie im ersten Moment nicht schön zu hören ist. Doch ich habe gemerkt, wie wertvoll es ist, offen und ehrlich zu sein. Für mich. Für mein Umfeld.
Nach den ersten kleinen, ehrlichen Schritten habe ich mich ans Große gewagt. Ich habe mich gefragt, an welchem Punkt ich in meinem Leben stehe – und was ich von ihm erwarte. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass dieser Prozess nicht schwer war. Doch er war wichtig. Ich habe mich also aus der Perspektive eines auktorialen Erzählers betrachtet: ein guter Job, 60-Quadratmeter-Altbauwohnung, Single. Vor vielen Jahren habe ich beschlossen, dass ich mein Leben genau so leben will – und mit 80 zufrieden darauf zurückblicke, während ich allein auf meiner Terrasse am Prager Stadtrand Kaffee trinke und meine zwei Hunde beobachte. Ich habe mich lange ehrlich hinterfragt, ob das wirklich noch immer das ist, was ich will. Und ich kann dir sagen: Nein, wenn ich offen zu mir bin, haben sich einige Dinge grundlegend geändert.
Ehrlichkeit erwarte ich auch von meinem Umfeld. Von meinen engsten Freunden. Auch, wenn ich lange niemandem vor den Kopf stoßen wollte, waren mir doch schon immer ehrliche Kritik und harte Worte lieber als unehrliche Schmeicheleien. Egal, ob ich eine Freundin nach meinem Outfit frage oder wissen will, ob ich mich in bestimmten Situationen richtig verhalte. Ich schätze ehrliche Antworten. Auch dann, wenn sie meinen Ansichten widersprechen. Ich habe Glück und vertraue meinen Nahestehenden in dieser Hinsicht blind. Natürlich habe auch ich schon schlechte Erfahrungen gemacht. Hatte Freunde, die mir nicht die Wahrheit gesagt, mich wegen Banalitäten angelogen haben. Die Folge? Ich habe alles hinterfragt, wurde misstrauisch. Ein unwiderruflicher Bruch. Noch heute gehe ich konsequent mit Menschen um, die mich bewusst belügen. Kurz und schmerzlos. Ich will ehrlich zu mir sein. Zu anderen. Und genau das erwarte ich im Gegenzug auch. Denn sind wir mal ehrlich: Lügen bringen uns niemals weiter. Offene Worte und ein ehrlicher Blick hingegen schon.
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