22.02.2023 - 14:21 Uhr

"Schweinsbraten statt Insekten und Madenmüsli": Politischer Aschermittwoch der CSU in Passau

Ein Markus Söder in Hochform und begeisterte Zuhörer – beim Politischen Aschermittwoch der CSU in Passau scheinen alle nur auf das Wiedersehen nach drei Jahren Corona-Pause gewartet zu haben.

Der CSU-Vorsitzende und Bayerische Ministerpräsident Markus Söder trinkt Bier beim Politischen Aschermittwoch der CSU in der Dreiländerhalle Passau. Bild: Peter Kneffel/dpa
Der CSU-Vorsitzende und Bayerische Ministerpräsident Markus Söder trinkt Bier beim Politischen Aschermittwoch der CSU in der Dreiländerhalle Passau.

Moses ist ohne Rauschebart und Hirtenstab gekommen. Anders als beim Franken-Fasching in Veitshöchheim tritt Markus Söder dieses Mal ohne Verkleidung auf – sieht man einmal vom beim Politischen Aschermittwoch anlassbedingt erforderlichen Trachtenjanker ab. Ansonsten aber orientiert sich Söder durchaus am alttestamentarischen Vorbild. Der CSU-Chef hat so etwas wie die zehn Gebote dabei, die im Herbst den Wahlsieg sichern sollen, er warnt seinen Getreuen vor dem Tanz um Goldene Kälber und andere Götzen, vor allem vor den grünen und denen von ganz rechts, und er schwärmt vom gelobten Land, in dem zwar nicht Milch und Honig fließen, aber immerhin dank seiner weisen Führung Laptop und Lederhose in fruchtbarer Symbiose leben.

Politischer Aschermittwoch der CSU also. Nach drei Jahren Pause ist fast wieder alles wie immer. Die Passauer Stadtkapelle spielt den Defiliermarsch (was allerdings erst im zweiten Anlauf klappt), die Dreiländerhalle ist mit rund 4000 Menschen proppenvoll und der CSU-Generalsekretär stellt erwartbar fest, dass es "gefühlt 10.000" seien. Neu ist, dass der Generalsekretär Martin Huber heißt, an den Wänden keine Parolen hängen und der Stellplatz im Parkhaus nicht länger fünf, sondern sieben Euro kostet. Dabei ist das Gebäude nach wie vor unbeheizt.

Söder in Topform

Söder ist in Topform nach Passau angereist. Man ist geneigt, ihm zu glauben, als er gleich zu Beginn bekennt, wie sehr er diese Veranstaltung während Corona vermisst habe. Am Rednerpult angekommen bläst sich Söder auf wie der unglaubliche Hulk. "Die andern", blickt er auf die parallelen Veranstaltungen der Konkurrenz, "die andern wollen so sein wie wir, aber sie können es nicht: Wir sind die Stärksten, wir sind die Besten!" So wird das seit Jahrzehnten in Passau intoniert, aber Söder findet dieses Mal ein paar neue Drehs, der Ampel in Berlin sei dank.

Seine bevorzugte Zielscheibe sind die Grünen. Deren Robert Habeck nennt er den "Käpt'n Iglo von der Küste", der recht "knuffig" rüberkomme. Das war's dann aber auch schon mit dem Wohlwollen. Habeck, tönt Söder, sei der "schlechteste Wirtschaftsminister aller Zeiten". Ludwig Erhard würde wohl im Grabe rotieren, wenn er wüsste, dass er einen solchen Nachfolger habe. Vor allem aber schießt sich Söder auf das grüne Gesellschaftsbild ein. "Die Grünen sind die größten Spielverderber und Stimmungskiller der Nation", ruft er in die wallende Bierseligkeit vor sich hinein.

Söder mokiert sich über Gendersprache und Wokeness

Also zählt er auf, dass die Grünen den Bayern am liebsten das Autofahren verbieten würden und das Fleischessen sowieso. Eine "richtige Fleisch- und Wurstphobie" hätten die Grünen, wollten in München das Essen in Kitas auf komplett vegetarisch umstellen. "Stellt euch vor, ein Kindergeburtstag soll mit Broccoli und Karotten zum Erfolg geführt werden – eine völlig absurde Idee!" Dafür sollen Insekten zum Nahrungsmittel erklärt werden, schaudert es Söder und seine Zuhörer gleich mit. "Vor drei Jahren hieß es: Rettet die Bienen!, jetzt heißt es: Futtert die Käfer!", formuliert Söder und setzt deftig hinterher: "Wir Bayern essen lieber Schweinsbraten statt Insekten und Madenmüsli. Aber wenn ihr das wollt, liebe Grüne, dann könnt ihr das Zeug selber fressen."

Nach der erfolgreichen Aufführung an anderer Stelle mokiert sich Söder anschließend zotenreich über Gendersprache und Wokeness, wobei er dabei nicht immer dem selbst auferlegten Gebot der Aufrichtigkeit folgt. Denn angeblich soll der Begriff Schützenkönig künftig durch die "treffsicherste Person" und die Muttermilch durch "Elternmilch" ersetzt werden. Will zwar niemand ernsthaft, aber für Schenkelklatscher und Beifallstürme kann man das ja mal behaupten. Vor allem wenn als Pointe im Manuskript steht: "Wir lassen uns von den Grünen nicht unsere Sprache und Kultur umerziehen." Die CSU jedenfalls werde den "bavarian way of life" fortsetzen.

Zwischen Anekdotenerzähler und Einpeitscher

Natürlich darf auch nicht der Hinweis auf den Länderfinanzausgleich fehlen, in den Bayern inzwischen jährlich zehn Milliarden Euro einzahle. "Damit könnten wir die zweite Stammstrecke in München zweimal bauen – mit Mini-Bar in jedem Waggon", lästert Söder und wirft dabei einen bösen Blick in Richtung Berlin, der "Hauptstadt der Chaoten". Die SPD und die FDP streift Söder nur am Rande, ebenso den Koalitionspartner, die Freien Wähler. Denen, und damit wohl vor allem ihrem Chef Hubert Aiwanger, rät Söder, nicht nur im Revier der CSU zu jagen und nicht mit AfD-Positionen zu flirten. "Wer Schmutz anfasst, fängt irgendwann selbst zu stinken an", mahnt er.

Eine Stunde zwanzig gibt Söder den kurzweiligen Anekdoten- und Schnurren-Erzähler, zwischendrin auch den begnadeten Einpeitscher und auch ein wenig den bürgerlichen Populisten. In der Halle hängen sie an seinen Lippen, die Stimmung ist, wenn die Erinnerung nicht trügt, ausgelassen wie lange nicht. Zehn Minuten klatschen die 4000 am Ende Söder zu, singen das aus Fußball-Stadien nach einem Kantersieg gebräuchliche "Oh wie ist das schön" und fordern sogar lautstark ein Zugabe. Zumindest diesen Wunsch erfüllt ihnen Söder nicht. Vermutlich war nicht einmal er auf so viel Ekstase vorbereitet.

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Deutschland & Welt22.02.2023
 
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