07.07.2019 - 17:48 Uhr

Ein Weidener in Gedanken auf der "Alan Kurdi"

Ein Weidener ist unmittelbar in die Verhandlungen um die "Alan Kurdi" eingebunden. Dominik Reisinger berichtet von seiner Arbeit als Einsatzleiter für den Verein Sea-Eye.

Dominik Reisinger auf der Seefuchs, dem Vorgänger-Schiff der "Alan Kurdi". 'Derzeit koordiniert der Weidener die Rettungsmission von Land aus. Archivbild: Sea-Eye
Dominik Reisinger auf der Seefuchs, dem Vorgänger-Schiff der "Alan Kurdi". 'Derzeit koordiniert der Weidener die Rettungsmission von Land aus.

Dominik Reisinger bereitet sich derzeit in Regensburg auf seine Maschinenbau-Masterprüfungen vor - und nebenbei mischt er in der europäische Flüchtlingspolitik mit. Der 28-jährige Weidener ist Mitglied im Vorstand des Regensburger Vereins Sea-Eye, der die "Alan Kurdi" betreibt. Das Schiff kreuzte zuletzt mit 65 Flüchtlingen an Bord im Mittelmeer, bis Malta seinen Hafen für das Schiff öffnete. Reisinger fungiert als "Einsatzleiter on shore" (an Land) In der Funktion hält er Kontakt zu Jan Ribbeck, der sich als "Director of Mission" an Bord aufhält. Auch mit den Leitstellen der Mittelmeeranrainer und dem Auswärtigen Amt habe er Kontakt, bestätigt Reisinger.

Regensburg29.03.2019

Als sich Malta am Sonntagmittag noch gegen die Aufnahme sperrt, gab sich Reisinger am Telefon bereits zuversichtlich, dass der Inselstaat die "Alan Kurdi" anlegen lässt. "Die europäischen Staaten müssen sich auf die Verteilung der Menschen einigen", nahm er die spätere Lösung vorweg. Malta hatte argumentiert, dass die Insel zuletzt viele Flüchtlinge aufgenommen habe. Das bestätigt Reisinger. Maltas Marine habe viele Menschen von Schlauchbooten und Holzkähnen gerettet. "Für ein Land mit nur 500 000 Einwohner ist es ein Problem, wenn es wöchentlich 1000 Menschen aufnehmen muss."

Ein Armutszeugnis

Trotz der nun doch schnellen Einigung sei es ein Armutszeugnis für die EU, das kleine Land so im Stich zu lassen. Dasselbe gelte für den Umgang mit den privaten Flüchtlingrettern. Besonders schäbig findet er das Verhalten der Niederlande. Die "Seawatch 3" mit Kapitänen Carola Rackete fuhr unter niederländischer Flagge. Die Besatzung habe nicht nur keine Unterstützung erhalten, sie sei regelrecht schikaniert worden. Auch die Vorgänger-Schiffe der Regensburger "Alan Kurdi", die Sea-Eye und die Seefuchs, fuhren unter niederländischer Flagge, bis ihnen das Land mit fadenscheiniger Begründung die Lizenz entzog. "Die Niederlande tun alles, um nichts mit der Seenotrettung zu tun haben zu müssen."

Dass die "Alan Kurdi" unter deutscher Flagge unterwegs ist, habe sich als Vorteil erwiesen. "Wir haben deutlich mehr Rechtssicherheit", sagt Reisinger. Ausdrücklich lobt der Weidener das Auswärtige Amt, das die Organisation unterstützt und berät. Während die Vorgänger-Schiffe wie eine private Jacht gemeldet waren, fährt die "Alan Kurdi" als professionelles Cargo-Schiff. Das bringt Vorteile, aber auch höhere Auflagen, was zum Beispiel die Besatzung angeht. "Wir beim Verein haben alle wenig Erfahrung mit Hochseeschifffahrt. Hier berät uns das Auswärtige Amt wirklich gut."

Innenministerium bremst

Anderseits bekomme er ständig aus erster Hand die Uneinigkeit innerhalb der deutschen Regierung mit: Wo das Auswärtige Amt hilft, da bremst und blockiert das Innenministerium. Es sei zwar zu begrüßen, wenn sich Innenminister Horst Seehofer nun mit seinem Italienischen Amtskollegen Salvini anlegt, und die Öffnung der italienischen Häfen fordert. "Aber diesen Worten sollten in den nächsten Tagen und Wochen auch Taten folgen."

Unabhängig vom aktuellen Fall fordert Reisiniger, dass sich die EU endlich um eine dauerhafte Lösung bemüht. "Nach fünf Jahren wird es Zeit." Die Staaten müssten sich auf eine Quote zur Verteilung der Flüchtlinge einigen. Dann sei eine staatliche Rettungsmission im Mittelmeer nötig, und die Kriminalisierung privater Seenotretter müsse aufhören. Mittelfristig sollte es den Menschen ermöglicht werden, von Afrika aus, Asyl zu beantragen. "Es kann nicht sein, dass sich die Menschen erst auf dem Meer in Lebensgefahr begeben müssen", sagt Reisinger.

Und dann sollten die Staaten tatsächlich damit beginnen, die Fluchtursachen zu bekämpfen. "Darüber wird so viel geredet, aber es passiert nichts", sagt Reisinger. Oder noch schlimmer: Mit der Diktatur im Niger gebe es inzwischen eine Vereinbarung, die Entwicklungshilfe an die Sicherung der Grenzen koppelt. So lasse sich das Problem sicher nicht von Europa fernhalten.

 
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