Amberg
23.03.2022 - 11:32 Uhr

Amberger Chorgemeinschaft glänzt mit Joseph Haydns Stabat Mater

Ein Publikum voll gespannter Erwartung füllte am Sonntagnachmittag den Kongregationssaal in Amberg. Auf dem Programm stand Joseph Haydns Stabat mater, dargeboten von der Chorgemeinschaft Amberg.

Das Konzert der Chorgemeinschaft Amberg im Kongregationssaal war ein Genuss. Bild: Wolfgang Steinbacher
Das Konzert der Chorgemeinschaft Amberg im Kongregationssaal war ein Genuss.

Es war ein Kunstgenuss, den am Sonntagnachmittag im Kongregationssaal in Amberg das Publikum erleben durfte. Auf dem Programm stand Joseph Haydns Stabat mater mit der Amberger Chorgemeinschaft unter der Leitung von Dieter Müller, dem Vokalensemble Freund & Friends und dem Arton Ensemble.

Das Stabat mater ist ursprünglich ja ein mittelalterliches Gedicht, das die Gottesmutter in ihrem Schmerz um den Gekreuzigten besingt. Viele Komponisten widmeten sich diesem Thema. Joseph Haydn schuf damit im Jahr 1767 sein erstes großes „Kirchenwerk“. In 14 Sätzen setzt er ganz unterschiedliche musikalische Formen ein, die er den ausdrucksvollen Arien, Duetten, Ensemble- und Chorsätzen zugrunde legt.

Diesen musikalischen Schatz galt es nun zu heben. Und dieser Aufgabe stellten sich das Ensemble und der musikalische Leiter mit großem, emotionalem und künstlerischem Engagement. Standen bei der Planung des Konzerts laut Müller „der zeitliche Bezug zur Passionszeit und damit zum Leiden und Sterben Christi; die Tiefe und der Gehalt der Komposition; die Besetzungsgröße des Ensembles und natürlich – last not least – die Finanzierung des Ganzen“ im Fokus, so weitete sich das Spektrum vor drei Wochen mit der derzeitigen Kriegssituation in der Ukraine. Die Bilder von Grausamkeit und Schmerz, von vielen verzweifelten Müttern und Kindern, aber auch von Mut, Aufrichtigkeit und Hoffnung finden in der Symbolik der Musik einen hochaktuellen Widerhall. Nach solchen einleitenden Worten Müllers und einer Schweigeminute begann das Konzert.

Frühlingssonnenstrahlen huschten über die goldenen Verzierungen im Saal, die Musiker nahmen Platz, der Chor kam durch den Mittelgang. Stabat mater dolorosa – die Instrumente Violine, Viola, Cello und Bass, Oboe, Englischhorn und Orgel setzten ein, skizzierten Akzente, gruben tiefe Spuren der schmerzlichen Emotionen, fanden aber auch tröstende Melodienbögen. Müller meißelte mit Feingefühl an der Tonskulptur. Er sagte: „Jedes anspruchsvolle Werk – und selbst ein einfacher Choralsatz – entbehrt nicht gewisser Schwierigkeiten, diese sind natürlich auch immer von der Leistungsfähigkeit des Chores und dessen Anspruch abhängig“. Saubere Intonation und saubere Textdeklamation seien ihm wichtig. „Dem Chor die kompositorischen Entwicklungen (Spannungslinien), ihre Ziel- und Höhepunkte und die entsprechend folgenden Entspannungs- und Endpunkte zu vermitteln, nimmt nach der Arbeit an den Grundlagen (Notentext) einen beträchtlichen Anteil im Übepensum zu solch einem Werk ein“, erläuterte er in einer Vorinformation. Auch die emotionale Seite einer Komposition sei bedeutsam. „hier gilt es gleichsam den Chor mit in die „Komponierstube“ des Meisters zu nehmen und zu vermitteln, wie er die Textaussage (und damit auch sein eigenes Empfinden) in Musik umgewandelt hat“.

Präzision und Emotion

Und diese intensive Vorbereitung trug Früchte. Der Chor präsentierte sich inspiriert und voller Ästhetik, folgte dem Leiter auch in kompliziert gefühlsverflochtene Situationen, spiegelte Stimmungen wider und zeichnete jubelnde Koloraturen im „Paradisi gloria“. Präzision und mitreißende Emotion klangen durch alle Chorstationen. Auch wenn die Chorstärke während der Pandemiezeit zurückgegangen sei, die Qualität war nach wie vor bemerkenswert. Bemerkenswert auch das vierblättrige Solistenkleeblatt: Tenor Christopher Kessner zeichnete mit berührender Stimme das Bild der Mutter unter dem Kreuz. Christine Mittermair lieferte im „O quam tristis et afflicta“ zusammen mit den Streichern und Bläsern die weichmelancholische Alt-Mattierung und der Chor kommentierte mit der Frage „Quis est homo“ in geschmeidiger wie dramatisch-wirkmächtiger Weise. Mit hellem, vibratoreichem Sopran überzeugte Andrea Wurzer und stellte sich an die Seite der weinenden Mutter. Der kurzfristig eingesprungene Markus Simon rückte mit seinem leidenschaftlich deklamierenden Bass die ohnmächtige Wut über das grausame Sterben am Kreuz ins Zentrum.

Wenn auch die Sprache des Stabat-Mater-Gedichts überkommen ist, die Musik ist immer noch beeindruckend. Wieder einmal gelang Dieter Müller mit diesem Konzertabend die Bergung eines wertvollen, musikalischen Schatzes, der durch feine Nuancierung und sorgfältige Abstufungen zwischen Trauer und Hoffnung glänzte. Nach einer Minute berührten Schweigens wurden die Sänger, Musiker und ihr Dirigent mit wahren Beifallsstürmen gefeiert.

Info:

Hintergrund

  • Die Amberger Chorgemeinschaft ist ein gemischter Konzertchor, der 1980 von Berthold Höps gegründet wurde und seit 2007 von Dieter Müller geleitet wird.
  • Im Sommer 1994 erhielt die Amberger Chorgemeinschaft den „Kulturförderpreis der Oberpfalz 1994“ verliehen, und Berthold Höps wurde im Februar 2008 am Ende seiner 27-jährigen Chorleitertätigkeit mit der Verdienstmedaille der Stadt Amberg ausgezeichnet.
  • Mit Dieter Müller feierte der Chor im Mai 2010 sein dreißigjähriges Bestehen mit einem großen Festkonzert, in dessen Rahmen auch Müllers Komposition „Gloria: Große Doxologie für Sopran, Chor und Orchester“ aufgeführt wurde.
 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.