Wer Helmut Wilhelm am Montag, 12. April, zum 75. Geburtstag persönlich gratulieren will, wird sich schwertun. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete, der seit 1984 abgesehen von einer Unterbrechung (2002 bis 2008) für die Grünen im Stadtrat sitzt, wird keine Feier auf die Beine stellen und auch nicht in seinem Haus am Fuße des Mariahilfbergs sein. Mit Corona hat das nichts zu tun. Schon eher mit einer liebgewonnen Tradition.
Es war ein Tag im Dezember des Jahres 1985, an dem Helmut Wilhelm für bundesweite Schlagzeilen sorgte. Als Richter sollte er an einer internen Kammersitzung am Amberger Landgericht teilnehmen. Doch die Kollegen warteten vergeblich auf ihn. Er war zuvor bei einer Demonstration im Wackersdorfer Hüttendorf von der Polizei festgenommen worden. Was damals als Affront oder gar mutwillige Auflehnung gegen Ministerpräsident Franz-Josef Strauß und die geplante Wiederaufbereitungsanlage bewertet wurde, brachte Helmut Wilhelm in der Bevölkerung einen gewaltigen Sympathiebonus ein. "Wenn das nicht gewesen wäre, wäre ich vermutlich nicht in den Bundestag gekommen. Ich hätte die Bekanntheit gar nicht gehabt", sagte er nach seiner Berliner Zeit (1994 bis 2002).
In Regensburg geboren
Dabei war der gebürtige Regensburger, der in Amberg aufgewachsen ist und 1965 am Erasmus-Gymnasium die Abiturprüfungen bestand, schon vor Beginn der WAA-Zeiten ein Kämpfer für regionale Interessen und den Umweltschutz. Bereits während seiner Studienzeit gründete er 1971 die Initiative Forum Regensburg, der es zu verdanken ist, dass die dortige historische Altstadt in der heutigen Form erhalten blieb. Für seine Aktivitäten erhielt der noch immer von Wilhelm geführte Verein 1975 den Theodor-Heuss-Preis und 1977 die bayerische Denkmalschutz-Medaille.
Außerdem setzte sich der Jubilar in der Energie- und Umweltpolitik ein. 1980 entstand unter seinem Vorsitz die Amberger Bürgerinitiative für eine Zukunft ohne Atomkraft. Der unermüdliche Einsatz von Helmut Wilhelm drückte sich schließlich 1985 in der verpassten Sitzung und in der Tatsache aus, dass der Amberger zum geschäftsführenden Vorstandsvorsitzenden des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz gewählt wurde. Parallel dazu forcierte Wilhelm, dessen Vater Georg einst Landgerichtspräsident war, seine Karriere.
Nach Stationen in Regensburg, Weiden und Tirschenreuth kam Wilhelm als Richter an das Amberger Landgericht. Für die Grünen zog er 1984 in den Stadtrat ein, in dem er bis 2002 vertreten war. Nach einer Pause kehrte er 2008 in das Gremium zurück. Dazwischen lagen acht Jahre im Bundestag: von 1994 bis 1998 in der Opposition gegen Bundeskanzler Helmut Kohl und von 1998 bis 2002 als Teil der rot-grünen Regierung von Gerhard Schröder. 2003 ließ sich Wilhelm für den Landtag aufstellen, erhielt aber nicht genügend Stimmen.
2004 das Bundesverdienstkreuz
Stattdessen übernahm der leidenschaftliche Bahnfahrer im Jahr 2003 den Vorsitz der Freunde des Mariahilfbergs. Mittlerweile hat er diese Funktion an seinen Stadtratskollegen Hans-Jürgen Bumes abgegeben. Für seinen Einsatz um das Gemeinwohl erhielt Wilhelm 2004 das Bundesverdienstkreuz. Zehn Jahre später sorgte er mit seiner Frau Elke Winkel für ein Novum in der Amberger Stadtgeschichte. Zum ersten Mal hatte es ein Ehepaar gemeinsam in den Stadtrat geschafft. Das gleiche Kunststück gelang ihnen bei der Kommunalwahl 2020. Vor zehn Jahren verabschiedete sich Helmut Wilhelm in den Ruhestand. Aktiv ist der dennoch: Er ist auch mit 75 Jahren noch für den Bayerischen Verfassungsgerichtshof tätig, Vorstandsmitglied im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz und Vorsitzender der Bürgerinitiative Forum Regensburg.
Seinen Geburtstag feiert Helmut Wilhelm in Mirow (Mecklenburg-Vorpommern) mit seiner Frau, die dort ein Haus besitzt. "Ich habe noch nie groß gefeiert", sagt der Jubilar, der sich auch ohne Corona-Pandemie am 12. April im Osten Deutschlands zurückgezogen hätte.
Wenn der 75-Jährige auf sein bisheriges Leben zurückblickt, sagt er: "Ich würde alles genau so noch mal machen." Gesundheit wünscht er sich für die Zukunft und "ein langenes Leben, ein glückliches Leben". Nur eine Beschäftigung vermisst er schmerzlich - das Basteln an seiner Modelleisenbahn: "Das Kriechen unter den Tisch geht nicht mehr. Da spielen die Knie leider nicht mehr mit." Dafür fährt er nach wie vor liebend gern mit der echten Bahn, "mit der großen", wie er sagt. Aber selbst das ist kein Muss mehr: "Ich bin wunschlos glücklich."
Elke Winkel und Helmut Wilhelm: Ambergs erstes Ehepaar im Stadtrat
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