Nach den Zahlen des Wahlamtes der Stadt Amberg kamen am 15. März 7643 Wähler ins Wahllokal. 7895 gaben dagegen per Briefwahl ihre Stimmen für den Stadtrat ab. Das entspricht 50,81 Prozent.
Die Briefwähler produzierten nur 187 ungültige Stimmzettel, während es bei den Urnenwählern 212 waren. Dazu kommt der Effekt, dass die Briefwähler bei der Stimmvergabe durchschnittlich näher an die Maximalzahl von 40 herangingen als die Urnenwähler (36,52 gegenüber 34,46). Im Endergebnis führt das dazu, dass die gültigen Briefwahlstimmen (281.490) 52,36 Prozent der Gesamtstimmen ausmachen.
In der Folge haben von acht angetretenen Listen sechs mehr Briefwahl- als Urnenwahlstimmen erhalten. Besonders gravierend ist der Unterschied in absoluten Zahlen bei „Die Liste Amberg“ (36.560 Briefstimmen zu 24.091 Urnenstimmen) und bei der ÖDP (20.297 zu 13.787). Nur bei zwei Parteien überwiegen die Urnenstimmen, bei der CSU (112.708 zu 115.994) und bei den Grünen (30.471 zu 30.718).
Das überrascht, denn Forschungen zu Briefwählern bei Bundestagswahlen ergaben nicht nur, dass diese tendenziell älter, eher höher gebildet und typischerweise parteigebunden sind, sondern auch, dass für gewöhnlich CDU/CSU, FDP und Grüne unter den Briefwählern überdurchschnittlich gut abschneiden. Ein Forscher formulierte sogar: „Briefwahl-Champion ist die CSU.“
Wenn diese Beobachtung nun für die Amberger Stadtratswahl 2020 nicht zutrifft, so mag dies an dem Umstand liegen, dass der Wähler hier nicht nur eine Stimme, sondern 40 abgibt. Er muss also keine Entscheidung für nur eine Partei treffen, kann vielmehr seine Kreuzchen über mehrere Listen streuen. Dies könnte den beschriebenen Effekt ebenso verwaschen wie die stark gestiegene Zahl der Briefwähler, die möglicherweise dazu führt, dass in der größeren Menge die Parteineigung nicht mehr in der Deutlichkeit auftritt wie in der kleineren Auswahl. Oder sollte hier bereits die Coronakrise parteipolitische Präferenzen beeinflusst haben?
Auf jeden Fall kann man angesichts der stetig steigenden Anzahl von Briefwählern – bei der Stadtratswahl 2014 lag ihr Anteil noch bei gut 35 Prozent – eine Anforderung für den künftigen Erfolg der antretenden Listen formulieren: in den Reihen der Briefwähler besonders gut abschneiden. Das Problem dabei: Woher weiß ich, wer ein Briefwähler ist? Eine schöne Denksportaufgabe für Parteistrategen.
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