"Nachhaltigkeit" steht in großen Lettern über den 44. Erlanger Universitätstagen, die am Dienstag im Großen Rathaussaal in Amberg gestartet sind. Oder wie es die Vizepräsidentin der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen, Professor Bärbel Kopp, am Dienstag einleitend sagte: "Wir haben heute die Verantwortung für morgen." Wie ernst man diese Verantwortung beispielsweise an der FAU in Erlangen nimmt, zeigt schon die Tatsache, dass sich die Universität mit Professor Matthias Fiska einen eigenen Sonderbeauftragten für Nachhaltigkeit leistet.
Bevor mit Professor Wolfgang Kießling der eigentlich Referent des Abends die Bühne betrat, machte Matthias Fiska deutlich, dass der Klimawandel ein gesamtgesellschaftliches Problem darstellt. Das auch nur gemeinsam gelöst werden kann. Ein Faktor allein werde nicht in der Lage sein, diese große Herausforderung zu meistern. "Wir zeigen da ja mit den Fingern gerne mal auf die Politik", so Fiska. Dabei müssten wir alle unseren Teil zur Lösung des Problems Klimawandel beitragen. "Daher müssen wir interdisziplinär vorgehen." Ingenieure, Sozialwissenschaftler, Historiker oder Betriebswirtschaftler müssten gemeinsam forschen und handeln. Und eigentlich alle Menschen.
Ohne Menschen kein Klimawandel
Einer, der den Klimawandel schon länger erforscht, ist Wolfgang Kießling. Die Süddeutsche Zeitung hat ihn einmal "Deutschlands einflussreichsten Paläontologen" genannt. Einen Urzeitdetektiv, der federführend im sogenannten Weltklimarat mitarbeitet, in dem tausende von Wissenschaftler Daten zusammentragen und nach möglichen Lösungen suchen, um den vermaledeiten Klimawandel doch noch irgendwie in den Griff bekommen zu können. Matthias Kießling ist der Hauptautor des Expertenberichts des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), der Grundlage für Politik und Wissenschaft für den Umgang mit den klimatischen Veränderungen auf unserem Planeten.
"Ohne den Menschen gäbe es keinen Klimawandel", machte Kießling anhand der vorliegenden Daten für die letzten 12.000 Jahre deutlich, in denen sich die Menschheit zur führenden Spezies auf dem Planeten entwickelt hat. Derzeit liegt die Erwärmung um knapp 1,2 Grad über dem Referenzwert zwischen 1850 und 1900. Das oft genannte Klimazahl von nicht mehr als 1,5 Grad Erwärmung hält nicht nur Kießling für wohl nicht mehr erreichbar. Aber unter 2 Grad, so machte er deutlich, müssen wir bleiben – sonst nützen all die Maßnahmen nichts, die wir ergreifen. Derzeit allerdings sieht es nach Einschätzung von Wolfgang Kießling nicht danach aus, dass es besser wird mit uns Menschen. Im Gegenteil: "Das letzte Jahrzehnt hat die meisten Treibhausgase der Menschheitsgeschichte ausgestoßen."
Noch nie so hohe Temperaturen
Und noch eines machte Kießling deutlich: Trotz aller regionaler Klimastörungen wie die vorübergehende Heißzeit im Römischen Reich oder später eine kleine Eiszeit in Mitteleuropa hat die Menschheit global noch niemals so hohe Temperaturen gesehen, wie wir sie derzeit erleben. "Der Klimawandel stellt eine Bedrohung für das menschliche Wohl und die Gesundheit des Planeten dar. Daher müssen wir jetzt handeln." Dabei ist Wolfgang Kießling vor allem Paläobiologe. Er beschäftigt sich klimatechnisch hauptsächlich mit den biologischen Folgen des Klimawandels, mit einem immer schneller vorangaloppierenden Artensterben bei Pflanzen und Tieren.
Die Biodiversität, also die Vielfalt des Lebens auf unserem Planeten, geht zurück. Seit 1970, so Kießling, sind bereits 69 Prozent der damals vorhandenen Wildpopulation verschwunden. Der Anteil der Wildnis an Land beträgt derzeit noch 25 Prozent, im Wasser sind es 34 Prozent. "Das Artensterben nimmt zu", warnte Kießling – ohne Panik verbreiten zu wollen. Landnutzung, Überfischung, Verschmutzung und invasive Arten seien in dieser Reihenfolge die größten Bedrohungen für die Tier- und Pflanzenvielfalt auf der Erde. Dürre, Feuer und Hitzewellen die offensichtlichen Folgen des fortschreitenden Klimawandels.
Es gibt noch Rettung
Trotz dieses Horrorszenarios ist nach Einschätzung des Weltklimarats noch nichts verloren. Erste und wichtigste Voraussetzung dafür ist aber, dass es gelingt, die Erderwärmung auf maximal zwei Grad zu begrenzen. Aus Sicht der Biodiversität sei es wichtig, "dass die Arten wandern können." Tiere und Pflanzen tun sich schwer mit der Anpassung an höhere Temperaturen, aus diesem Grund brauchen sie laut Kießling miteinander verknüpfte Ökosysteme. "Die Arten müssen mit dem Klimawandel wandern können." Die Ökosysteme mit der ihnen eigenen Biodiversität sind nach Einschätzung der Wissenschaft darüber hinaus als Speicher für das Kohlendioxid unabdingbar. Wälder, Grasland, Moore und Sümpfe sowie Auftriebsgebiete in den Meeren nannte Wolfgang Kießling als Beispiele. Wobei er unmissverständlich deutlich machte, dass Nadelwälder hier bei uns in Deutschland keine Zukunft im Klimawandel haben. Die gehöre den robusteren Laubbäumen.
Doch wie lässt sich die Vielfalt der Arten, die Biodiversität, auf unserer Erde bewahren? Voraussetzung ist die Begrenzung des Temperaturanstiegs auf unter zwei Grad, so Kießling. 30 bis 50 Prozent der Fläche müssen zudem in Schutzgebiete umgewandelt werden, die miteinander vernetzt sind, um Artenwanderungen zu erlauben. Allein mit der Renaturierung ehemaliger Nutzflächen sei es möglich, zwischen 15 und 60 Prozent der heutigen Artenvielfalt zu erhalten. "Und man kann damit gleichzeitig 300 Gigatonnen CO2 binden."
Deutschland muss Vorreiter sein
Die Transformation der Städte – inklusive städtischer Landwirtschaft und der stete Ausbau erneuerbarer Energien wie Windräder sind wichtige Faktoren, um den Wandel im Klimawandel zu schaffen. "Grünträumerei", so machte Professor Kießling deutlich, ist aber der falsche Weg zum Ziel. Deutschland, so sein logischer Schluss, sei reich und damit fähig, ein Vorreiter der Klimarettung zu sein. "Wir müssen eine Art Machbarkeitsstudie hier bei uns in Deutschland erstellen." Oder anders gesagt: "Wir müssen der Welt zeigen, dass es geht."
44. Erlanger Unitage zum Thema Nachhaltigkeit
- Der nächste Vortrag im Rahmen der Erlanger Unitage beginnt am Dienstag, 7. März, um 19.30 Uhr im Großen Rathaussaal
- Professor Markus Beckmann spricht zum Thema "Bis es kippt: Warum wir bestimmte Tipping Points verhindern und andere herbeiführen wollen
- Tipping Points bezeichnen den Übergang eines Systems in einen neuen Zustand, von dem aus es keine Rückkehr mehr gibt
- Die Veranstaltung ist kostenfrei, Beschränkungen wie in den Vorjahren gibt es keine mehr
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