Für Georg Baumann, Spross der Baumann-Dynastie, war es eine Herzensangelegenheit, die bewegte Geschichte seines Familienunternehmens zu publizieren. Dafür öffnete er sein umfangreiches Familienarchiv mit zahlreichen Briefen, Tagebüchern und Fotografien. Und er holte sich die Volkskundlerin Susanne Plank-Häusler, die auch schon ihre Magister-Arbeit über die Baumann-Firma verfasst hatte, als Co-Autorin ins Boot. „Die Geschichte der Gebrüder Baumann ist deswegen so interessant, weil sie eine typische Gründerzeit-Geschichte ist“, begründet Plank-Häusler ihre Motivation an der Arbeit. Die Firmengeschichte könne aber auch, so die Autorin, Inspiration sein für heutige Start-up-Unternehmer, da sie die Hintergründe für erfolgreiches Unternehmertum aufzeige.
1872, vor genau 150 Jahren, hatten Christian, Georg und Johann, die drei Baumann-Brüder, in Amberg ihre Firma gegründet. Ab diesem Zeitpunkt trat das Emailgeschirr aus Amberg mit dem Löwen als Logo einen Siegeszug um die ganze Welt an. Dabei waren die drei Baumann-Brüder eigentlich Spengler, stammten aus Wunsiedel. Doch sie wählten Amberg als Standort für die Produktion ihrer Emailprodukte aus, weil hier im Gegensatz zu ihrer Heimatstadt ein Eisenbahnanschluss vorhanden war. Und den brauchten sie, um ihre Produkte auf die Reise um die ganze Welt zu schicken.
Massenpanik in Moskau
Emailgeschirr hielt schon bald in jedem Haushalt Einzug. „Der Schlüssel zum Erfolg war, dass es damals keine Konkurrenz zu Email gab“, begründet Georg Baumann den wirtschaftlichen Aufschwung der Firma. Der Siegeszug machte nicht einmal vor den Toren des Zarenpalastes in Moskau Halt. Eine eigens 1896 anlässlich der Krönung des Zaren Nikolaus hergestellte Kreation von Trinkbechern war bei der Hochzeit so begehrt, dass vor der Verteilung bei den Hochzeitsgästen eine Massenpanik mit zahlreichen Toten entstanden sei, erzählt Baumann. „Aber das Stadtmuseum hat in seiner Ausstellung noch ein Exemplar“, konnte Baumann stolz die Zuhörer beruhigen.
Seinen wirtschaftlichen Höhepunkt erreichte das Amberger Familienunternehmen vor dem Ersten Weltkrieg. Emailgeschirr war auf der ganzen Welt begehrt, besonders auch in Amerika. Für Amberg natürlich ein Glücksfall. Jeder zehnte Amberger arbeitete bei Baumann. Die Unternehmer-Familie baute Wohnhäuser für ihre Arbeiter, unterstütze soziale Projekte wie Diakonie und Kindergärten.
Kooperation mit Seltmann
Es folgten die düstere Zeit des NS-Regimes und nach dem Zweiten Weltkrieg die Phase der Entnazifizierung. „Mein Vater war vermutlich nur ein Mitläufer. Deswegen ist das Unternehmen unbeschädigt aus dieser Zeit davongekommen“, erzählt Baumann. Nach dem Krieg erlebte die Firma noch einmal einen wirtschaftlichen Aufschwung. Baumann-Geschirr in bunten Farben, besonders im typischen Baumann-Blau, und die Zusammenarbeit mit Seltmann (Weiden) trugen dazu bei.
Doch in den 1980er-Jahren kam der Niedergang. Neue Materialien wie Plastik und Edelstahl verdrängten Email aus den Regalen. Aus dieser letzten Phase des Unternehmens stammt auch eine im Buch illustrierte Fotoserie von Gerd Dollhopf, die Menschen, Maschinen und Gebäude als bewegende Zeugen dieser Epoche dokumentiert. 1987 schließlich der Konkurs. Die ehemalige Weltfirma Gebrüder Baumann musste ihre Tore schließen, alle Gebäude wurden abgerissen. „Es ist schon etwas traurig, dass von der Fabrik gar nichts mehr übriggeblieben ist, nur der Straßenname Emailfabrikstraße“, sagt Plank-Häusler ein wenig wehmütig.
Die Baumann-Chronik
- Erschienen ist das 276 Seiten umfassende Werk im Büro Wilhelm Verlag (Amberg).
- Erhältlich ist die Chronik für 48 Euro im Buchhandel oder im Online-Shop des Verlags.
- Seit 30. Januar und noch bis zum 24. April läuft im Amberger Stadtmuseum die Sonderausstellung „Baumann, Amberg und die Welt“.















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