Helge Weindler gehört zweifellos zu den bedeutendsten deutschen Kameramännern. Sein Spielfilm-Debüt "Theo gegen den Rest der Welt" oder spätere Filme wie "Männer" oder "Happy Birthday, Türke!" sind auch Nicht-Cineasten ein Begriff. Auch in populären TV-Serien wie "Der Fahnder" oder "Auf Achse" war er der Mann an der Kamera. Der verbrachte seine Schul- und Lehrzeit in Amberg: Über diese Zeit, etwa zwischen 1957 und 1970, würde Simon Hauck gerne mehr erfahren.
Der Münchner Kulturjournalist und Filmkritiker, der seit 2018 mit seiner Familie in Amberg lebt, arbeitet an einer Biografie Helge Weindlers und sucht Zeitgenossen, die den Fotografen und Kameramann aus seiner Amberger Zeit kennen. Und die mehr wissen über manches, was dem Journalisten bei seinen Recherchen bislang nur als Anknüpfungspunkt begegnet ist. Der Wingershof zum Beispiel: Damals offenbar nicht nur Wirtshaus, sondern auch bei der Jugend wegen des Bandkellers ein beliebter Treffpunkt. Auch Helge Weindler machte hier Musik, wie Hauck inzwischen weiß – er spielte Gitarre.
Zu Hause im Sebastiansviertel
Aufgewachsen ist Weindler im Sebastiansviertel. Ob das Haus Nummer 14 in der Sebastiansstraße wirklich das Haus war, in dem der junge Helge mit seinen Eltern Adolf und Elisabeth, eine geborene Haaser, gewohnt hat, kann Hauck nicht sicher sagen: "Die nette Frau aus dem Elektrogeschäft", das inzwischen dort logiert, vermutete, es sei eher ein Nachbarhaus gewesen. Hauck meint aber, auf alten Bildern aufgrund des Gartens das Haus Nr. 14 wiedererkannt zu haben.
Recherchen in diversen Archiven, Dokumente und Gespräche haben inzwischen schon manche Erkenntnis erbracht – etwa die, dass Helge Weindler kein begeisterter Schüler war. "Er hatte schlechte Noten und hat nie einen Schulabschluss gemacht." Dafür sei er "von der Pike auf ein begabter Fotograf" gewesen: Gelernt hat Helge Weindler dieses Handwerk bei Foto Zorn, wo er "das beste Pferd im Stall" war, wie Hauck aus seinen Gesprächen mit dem Juniorchef und der Laborantin von damals weiß. Trotzdem sei fraglich, ob Weindler "jemals seine Ausbildung beendet hat": In den Unterlagen der Handwerkskammer jedenfalls tauche er nicht auf.
Gibt es noch Schulfreunde?
Hauck spürt für seine Biografie aber nicht nur Lebensstationen und dem Werk des Fotografen und Kameramanns nach, sondern interessiert sich auch für den Menschen Helge Weindler. Er sucht Gesprächspartner, die die Weindlers und insbesondere natürlich Sohn Helge kannten. Gibt es noch alte Freunde, die mit ihm in der Schule waren oder im Wingershof Musik gemacht haben? Kennt ihn jemand noch aus der Zeit am humanistischen Gymnasium, dem heutigen Erasmus-Gymnasium? Hauck würde gern mit Weggefährten aus jener Zeit ins Gespräch kommen, um ein genaueres Bild von Weindlers Amberger Jahren zu bekommen. Die Amberger Redaktion von Oberpfalz-Medien/Amberger Zeitung (09621/306254, heike.unger[at]oberpfalzmedien[dot]de) stellt gerne den Kontakt zu Simon Hauck her
Bilder von damals gibt es, der junge Fotograf war viel mit der Kamera unterwegs, hat Landschaft und Menschen der Oberpfalz fotografiert. Man könne da vielleicht von den "kleinen Leuten" sprechen, die Bäuerin, aber auch der Trinker auf der Straße. Oder das Bild "eines schon leicht angeschimmelten Apfels", den Weindler so perfekt ausgeleuchtet habe, dass man auf dem Foto "sieht, da steckt das ganze Leben drin". Hauck schwärmt von einer "ganz tollen Serie von Bildern" aus der Region, die allerdings bislang nur wenig wahrgenommen worden sei.
Zwei ganz frühe Filme
Auch bewegte Bilder gibt es. Hauck hat einige davon auf seinem Laptop: Er restauriert zwei Filme, die Weindler in der Region gemacht hat, als er schon nach München gezogen war, um die Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) zu besuchen, an der er später auch Dozent war. "Ein Tag in der Heimat" heißt ein Film, den Weindler 1976 gedreht hat – ein Dokumentarfilm über "Menschen und Landschaft in der Oberpfalz", wie der Untertitel verrät. Die Oberpfalz war Weindlers Heimat, er ist in Furth im Wald geboren. Diese Herkunft merke man ihm an, sagt Hauck aufgrund seiner bisherigen Recherchen – aber Weindler habe auch "damit gehadert". Hauck spricht vom gespaltenen Verhältnis zwischen der Heimat Provinz und dem kosmopolitischen Blick eines Weltenbummlers darauf.
Der Journalist hat Helge Weindler auf seiner Spurensuche als "sehr melancholischen, leisen Menschen" kennengelernt, der "sowohl ein typischer Bayer war – als auch nicht". Die technische Seite seines Berufs sei ihm wichtig gewesen ("Das wichtigste Wort für ihn war professionell"), auch die Förderung guter Leute – und seine Familie. 1988 heiratete Weindler die Regisseurin Doris Dörrie, mit der er dann Tochter Carla bekommen hat. Vielleicht auch nicht ganz einfach für Weindler, meint Hauck – als der auf einmal "der Mann von...." war. Die gemeinsame Zeit einer großen Liebe endete, als der an Krebs erkrankte Weindler 1996, mit 48 Jahren, bei den Dreharbeiten zu Dörries Film "Bin ich schön?" in Spanien an einer Hirnhautentzündung starb.
Streifzug mit Doris Dörrie
Simon Hauck hat auch Doris Dörrie für seine Recherchen getroffen. Kein Gespräch am Tisch, sondern eines, das bei einem gemeinsamen Streifzug durch Schwabing "passierte" – mit immer wieder neuen Abzweigungen, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Auf seine Frage, was am Ende bleibe, wählte sie die Begriffe "Schönheit" und "Melancholie". Das, meint Hauck, habe Weindler ganz gut abdecken können. "Jemand, der von innen leuchtet" und doch "immer noch besser werden will und sich dadurch selber antreibt". Und dann doch unvollendet bleiben musste.
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