Amberg
05.06.2019 - 10:42 Uhr

Neues Autohaus: Streit um Flächenfraß

War es im Bauausschuss noch die Verkehrsanbindung, über die heftig diskutiert wurde, so holte die neue Gewerbefläche an der Kreuzung B 85 und AM 30 am Montag im Stadtrat ein ganz anderes Thema ein: der Flächenfraß.

So soll die neue Gewerbefläche samt Autohaus im Kreuzungsbereich von AM30 und B 85 einmal ausschauen. Der Stadtrat hat darüber am Montag intensiv diskutiert. Grafik: Stadt Amberg
So soll die neue Gewerbefläche samt Autohaus im Kreuzungsbereich von AM30 und B 85 einmal ausschauen. Der Stadtrat hat darüber am Montag intensiv diskutiert.

Formal ging es am Montag im Stadtrat um den Bebauungsplan Amberg 127 "Gewerbegebiet B85/AM30". Der Bauausschuss hatte sich hier zuletzt die Köpfe heiß diskutiert über den Beschluss der Obersten Baubehörde in Berlin, an dieser Stelle keinen Kreisverkehr zur Erschließung dieses Geländes zu erlauben, auf dem sich - zunächst einmal - ein örtliches Premium-Autohaus ansiedeln will, das mit seiner bisherigen Lage in der Stadt nicht zufrieden ist.

Auf circa drei Hektar soll, so schilderte es Baureferent Markus Kühne, nach möglichst umweltschonenden Gesichtspunkten ein neuer Betrieb entstehen, wo heute eine landwirtschaftlich genutzte Fläche ist. Mehrstöckig soll der Autohändler sein Hauptgebäude anlegen, ohne gigantische Parkflächen auskommen, da ein Parkdeck vorgesehen und letztendlich sei der Ausbau in Richtung Kompetenzzentrum für E-Mobilität das Ziel.

Amberg23.05.2019

Ökologisches Konzept schön und gut, so Hans-Jürgen Bumes von den Grünen, der sich jüngst ein E-Fahrzeug dieses Herstellers zugelegt hat. "Wir müssen trotzdem den Flächenverbrauch zur Kenntnis nehmen." Und schon befand sich der Stadtrat in einer Diskussion, die einigen Mitgliedern des Gremiums offensichtlich nicht geschmeckt hat. Denn Bumes legte nach und forderte, Gewerbeflächen künftig nur noch in Erbpacht zu vergeben, um unerfreuliche Leerstände - beispielsweise bei den ehemaligen Autohäusern Zinkl und Peter - zu vermeiden.

Und noch etwas hatte Hans-Jürgen Bumes anzumerken. Erst kürzlich habe der Stadtrat die Erweiterung des Gewerbegebiets West um bis zu 40 Hektar beschlossen. "Da müsste doch wohl auch noch Platz für ein Autohaus drin sein", sagte Bumes, wohl wissend, dass der Premium-Hersteller nicht an der Fuggerstraße sondern attraktiv platziert am Stadteingang bauen will. "Wir werden als Stadträte doch an der Nase herumgeführt", so Bumes.

Bei aller Kritik, so Uli Hübner (SPD). Aber die komme exakt an der falschen Stelle. Ausgerechnet bei einem Projekt, bei dem mehrgeschossig gebaut werde, mit viel Begrünung und Photovoltaik. "Wenn man schon Flächen versiegelt, dann möglichst effizient", stellte er seine Meinung dar. Aber auch OB Michael Cerny wollte sich den Schuh der Grünen nicht anziehen. Könne der Investor nicht an dieser Stelle bauen, dann werde er eben in eine Nachbarkommune ausweichen. "Und die werden sich freuen", so Cerny. Sein Credo: "Wenn wir es nicht machen, dann machen es eben die anderen."

Flächen für Arbeitsplätze

Aufgabe eines Oberzentrums sei es, so Michael Cerny, Flächen für die Schaffung von Arbeitsplätzen zur Verfügung zu stellen. Geschehe das nicht, würden diese abwandern. "Dann diskutieren wir wieder über die Mobilität der Arbeitnehmer und den damit verbundenen CO2-Ausstoß. Und noch etwas merkte Cerny zu den beiden leer stehenden Autohäusern in der Stadt an. Die könne man von heute auf morgen sofort wiederbeleben, wenn man von den Grundsätzen des Einzelhandelskonzepts abweiche, die zum Schutz der Altstadt festgelegt worden seien. "Wenn ich das aufgebe, bekomme ich diese Flächen sofort voll - aber das wollen wir ja nicht."

Trotzdem, so Klaus Mrasek (ÖDP). Ein Autohaus könne auch an anderer Stelle realisiert werden. "Aber ich gestehe zu, dass wir uns da in einer gewissen Zwangslage befinden", sagte Mrasek - ohne die Argumentation der Bau-Befürworter für richtig zu halten. Die vertrat unter anderem Martin Seibert (SPD) der feststellte: "Das ist keine Eisengießerei, der es egal ist, wo sie produziert." Der Standort sei wichtig, sonst verliere die Kommune dieses Unternehmen. "Wir haben übrigens im Industriegebiet Nord ganz andere Eingriffe in die Natur gemacht", sagte Seibert, die würden ihn persönlich viel mehr schmerzen. Denn letztendlich sei die fragliche Fläche an der B 85 kein ökologisch wertvoller Bereich sondern vielmehr intensiv genutztes Ackerland.

Gegen die neun Stimmen der Grünen, der ÖDP, von Amberger Bunt und der unabhängigen Stadträtin Hannelore Zapf stimmte das Gremium für den Bebauungsplan.

Kommentar:

Diskussion längst Überfällig

Als der Stadtrat am Montagabend über den Flächenfraß debattierte, da kannten die meisten Räte die konkreten Zahlen noch nicht. Betrug der Anteil der Siedlungs- und Verkehrsflächen an der Gesamtfläche der Stadt Amberg im Jahr 1980 noch 25,26 Prozent, so waren es Ende 2017 bereits 34,76 Prozent – Tendenz steigend. Eine erschreckende Entwicklung. Doch wer mit offenen Augen durch die Stadt geht und fährt, kann diesen Trend gar nicht übersehen. An jeder Ecke schießt ein Wohngebiet oder eine Gewerbefläche aus dem Boden – und das bei einer stetig sinkenden Einwohnerzahl Ambergs.
Argumente gegen eine solche Entwicklung aber sind nicht erwünscht – siehe die Debatte von Montag. Wer sich kritisch zu neuen Gewerbegebieten äußert, ist ein ewig gestriger Verhinderer, wer dafür plädiert, erst einmal vorhanden Wohnraum zu sanieren bevor neuer entsteht, ein weltfremder Fantast. Tatsächlich ist es aber so, dass durch diese Entwicklung unsere Stadt immer enger und weniger lebenswert wird. Die Sehnsucht nach der heilen Welt wächst, je größer ihre Zerstörung ist. Die Ergebnisse der Landtags- und Europawahl zeigen ganz klar auf, dass viele Bürger nicht mehr bereit sind, das hinzunehmen. Höchste Zeit also, dass die Debatte um den Flächenfraß geführt wird – wenn es auch diesmal vielleicht sogar den Falschen erwischt hat.

Andreas Ascherl

 
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