Amberg
12.08.2022 - 12:09 Uhr

Neues Hörbuch "Hunger": Hinter ehrwürdigen Fassaden lauert das Grauen

Mit der schandmäuligen Müllerin ist es aus. Der grausige Mord ist aber nur der Anfang noch viel schlimmeren Grusels, den sich der Amberger Autor Jörg Fischer ausgedacht hat. "Yellow King Productions" haben ein Hörbuch daraus gemacht.

Unter dem Zeichen des Gelben Königs öffnen Autor Jörg Fischer (rechts) und Produzent Mario Weiß (links) die Pforten zu Grusel und Wahnsinn vom Feinsten. Bild: Marco Rubenbauer
Unter dem Zeichen des Gelben Königs öffnen Autor Jörg Fischer (rechts) und Produzent Mario Weiß (links) die Pforten zu Grusel und Wahnsinn vom Feinsten.

"Hunger", so der Titel der Erzählung, lässt die Hörerinnen und Hörer schon mit wenigen Sätzen eintauchen in eine ebenso vergangene wie finstere Welt irgendwo in Ostbayern. Hier lauert das Grauen nicht nur der unglücklichen Müllerin auf, es schleicht sich auch durch die Reihen vermeintlich ehrwürdiger Honoratioren.

Der gezwungenermaßen unter ärmlichsten Bedingungen hausende Gerichtsreporter Ephraim Hufnagel hält den roten Faden der Geschichte in der Hand und lässt ihn bis zum finale furioso langsam genug abrollen, um sämtliche Nackenhaare zum Sträuben zu bringen. Sein tierischer Gefährte, aber nicht nur er, geben einen Hinweis auf das, was Autor Jörg Fischer im Sinn hatte: "Die Geschichte ist eine Hommage an E.T.A. Hoffmann und Robert W. Chambers, beides Autoren des 19. Jahrhunderts. Die Verbindung aus Hoffmanns ,Kater Murr' und Chambers ,König in Gelb' war die Grundidee", erzählt er im schriftlich geführten Interview.

Darüber hinaus läge uns die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts womöglich näher, als man es auf den ersten Blick glauben möchte: "Eine scheinbar ruhige Zeit, in der die Krisen der Vergangenheit klein geglaubt und bevorstehende Konflikte so gut als möglich ignoriert werden". Andererseits seien die bizarren Leidenschaften, um die es letztlich geht, Teil der menschlichen Natur und nicht an eine bestimmte Zeit gebunden.

Die Leidenschaft für Klischees

Die vorhandenen Berührungspunkte des Redakteurs mit Heinrich Heine waren so nicht von vornherein beabsichtigt: "Meine Figuren haben natürlich ihre Bezugspunkte in der Wirklichkeit." Er lege aber nicht vorab Karteikarten mit Steckbriefen und Charakterzeichnungen an. "Stattdessen erfinde ich kleine Geschichten, fiktive Erlebnisse der Figuren, aus denen heraus sich die Charaktere dann entwickeln können. Und wie jeder von uns hänge ich leidenschaftlich an bestimmten Klischees, die ich immer wieder einmal verwende", sagt Fischer.

Das Klischee vom Horrorautor im dunklen Kämmerlein, der bei flackerndem Kerzenlicht das Unaussprechliche zu Papier bringt, weist er dann aber doch von sich. Er brauche vor allem Zeit und Ruhe und trinke - anders als der von ihm hochverehrte Schriftsteller Charles Bukowski - keinen Alkohol bei der Arbeit: "So gesehen ist das also eine absolut langweilige Angelegenheit."

"Hunger" sei aber auch eine wirklich schwere Geburt gewesen. Der ursprüngliche Plan war eine mit "Das tote Gedicht" betitelte Erzählung über einen Beamten, der während der Arbeit einige ziemlich irre Ideen entwickelt und in die Tat umsetzt, angelehnt an ein ähnliches Werk von Michail J. Saltykow-Schtschedrin. "Aber die Geschichte kam nie so richtig in die Gänge. Der Ton, die Stimmung - alles fühlte sich irgendwie falsch an. Nach dem dritten Versuch habe ich schließlich vollkommen neu angefangen und nur die Figur des Gerichtsschreibers beibehalten", so Fischer. Danach lief es zwar wie geschmiert, nahm aber von ersten Entwürfen bis zur Rohfassung immer noch deutlich mehr als ein Vierteljahr in Anspruch.

Das Eigenleben der Erzählung

Die Zeit war gut investiert, zeigte sich doch auch Hörspiel-Regisseur und -Produzent Mario Weiß von "Yellow King Productions" auf Anhieb begeistert: "Ich war total beeindruckt von der düsteren Stimmung! Jörgs Geschichte 'Das Artefakt' war schon super, aber hier hat er für mich persönlich nochmal einen drauf gesetzt." Fischer verwebe gekonnt Geschichte mit fiktiven Stoffen, am Ende zweifele man keine Sekunde daran, dass das Geschehene tatsächlich so hätte passiert sein können. Vom vielversprechenden Manuskript bis zum fertigen Hörbuch ist es aber aufs Neue ein weiter Weg - von wegen "da sitzt nur jemand hinter dem Mikrofon und liest einfach vor". Aufbereitung des Skripts, Lektorat, Sprecherauswahl, Regieanweisungen, die Vorbereitung der eigentlichen Aufnahme sind zeit- und arbeitsaufwändig. Aufs erste Testhören folgen neuerliche Korrekturen, Feinabstimmungen, bevor das finale Mixing und Mastering ansteht, erklärt Weiß: "Am Ende baut man eventuell noch Sounds und Musik in das Hörbuch und exportiert die einzelnen Kapitel für den Upload in den Shops." So eine Arbeit sei also nichts für Menschen ohne Geduld, so sein Fazit.

Von Sprecher Philipp Engelhardt sind übrigens sowohl Autor als auch Produzent begeistert: "Seine Stimme hat einen enormen Wiedererkennungswert und als gelernter Schauspieler war es ihm möglich, die doch zahlreichen Figuren zu leben", befindet Jörg Fischer. Mario Weiß hatte zuvor schon mit Engelhardt zusammengearbeitet und fand ihn perfekt für die Rolle des düsteren Erzählers: "Er hat diese einzigartige Melancholie in der Stimme, die genau den Ton der Geschichte trifft."

Auf die Frage, ob ihn seine literarische Fantasie manchmal selber noch zum Schauern bringt, bekennt Fischer: "Nach Abschluss der Arbeit: fast immer! Wenn die Erzählungen veröffentlicht sind, beginnt ihr Eigenleben - sie existieren selbstständig, die Distanz zwischen uns wächst fortlaufend. So schaffen sie es bisweilen durchaus, mir einen gehörigen Schrecken einzujagen, wenn wir uns einmal wieder über den Weg laufen." Mario Weiß vergleicht dieses Stadium mit einer Fahrt durch die Geisterbahn: "Es gibt viel zu entdecken. Man sitzt ganz andächtig wie ein kleiner Bub im Wagen mit der Taschenlampe in der Hand und will alles genau anschauen und die Atmosphäre genießen und über allem hängt die Bedrohung und das Unheimliche wie dichter Nebel."

Grafenwöhr13.06.2022
Hintergrund:

Zu Autor, Hörbuch und Produktion

  • Autor Jörg Fischer, nach eigenen Angaben definitiv zu alt für den legendären "Club 27", aufgewachsen direkt an der deutsch-deutschen Grenze, Diplom-Archivar (FH), lebt in Amberg, veröffentlichte 1986 als Jugendlicher erste Geschichten in Fanzines.
  • Yellow King Productions, Multimedia-Agentur und Verlag, vor zehn Jahren von Mario Weiß gegründet, seit 4 Jahren Sitz in Illschwang, bereits über 5o veröffentlichte Hörbücher und Hörspiele, Schwerpunkte Horror, Fantasy und Science-Fiction,aber historische Romane, Comics oder Regionales.
  • Hörbuch: "Hunger" von Jörg Fischer, Sprecher Philipp Engelhardt, Regisseur Mario Weiß, als Download erhältlich u.a. bei Audible und Amazon
 
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