Wer zum ersten Mal auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr durch die Camps für die übenden Truppen läuft, fühlt sich unweigerlich an alte Spielfilme über die amerikanische Armee erinnert. Die ockerfarbenen Baracken, in denen Soldaten untergebracht oder Büros eingerichtet sind, könnten aus einem Filmset in den Studios in Hollywood stammen. Tatsächlich stehen diese Gebäude aber seit den 1950er Jahren in der Oberpfalz und nicht in Kalifornien. Damals war die US-Militäreinrichtung zum ersten Mal ausgebaut worden.
Inzwischen sind die Unterkünfte überholt. Sie entsprechen nicht mehr dem Standard der US-Armee. Derzeit sind in den Baracken zwischen 20 und 40 Soldaten in Stockbetten in einem Raum untergebracht. Standard beim US-Heer sind aber längst schon Zimmer für vier und acht Soldaten, ebenfalls mit Stockbetten. Eine Renovierung wäre nach Angaben des U.S. Army Corps of Engineers, den Bauingenieuren der US-Armee, teurer als ein Neubau. Also wird neu gebaut. Ein Vorhaben für mehrere hundert Millionen Dollar und für viele Jahre. Noch ist das Projekt in der Planungsphase – wenn es gut läuft soll es in einigen Jahren einen ersten Spatenstich geben.
Jedes Jahr rund 100 Millionen US-Dollar
Im Büro von Andrea Hösl von der US-Garnison Bavaria in Grafenwöhr (Kreis Neustadt/WN) laufen die Pläne über den Tisch. Die Architektin ist Chief Design & Project Management der Garnison. Sie und ihr Team steuern die Bau- und Renovierungsmaßnahmen in den US-Militärstandorten Grafenwöhr, Vilseck, Hohenfels und Garmisch-Patenkirchen, die alle zur Garnison gehören. Jahr für Jahr haben die Männer und Frauen Investitionen in Höhe von rund 100 Millionen US-Dollar in Planung, weitere 100 Millionen US-Dollar befinden sich jährlich in der Ausführung.
Derzeit sind dies unter anderem der Neubau der Grundschule (Elementary School) in Grafenwöhr, die Renovierung des Gebäudes 541 im Zentrum der US-Kaserne "Tower Baracks", der Bau des Training Support Centers, dessen Rohbau inzwischen fertig ist, oder die Erneuerung der Landebahn in Grafenwöhr. Start- und Landezone werden zudem mit Beton verstärkt. An der Länge ändere sich nichts, betont Hösl. Mitte Juli steht in Grafenwöhr wieder ein Spatenstich an: für ein Vehicle Maintance Center in der Nähe von Tor 6. Die Werkstätte mit Lagerräumen ist ein Projekt mit einem Gesamtvolumen von rund 50 Millionen US-Dollar.
Renovierung der Wohnhäuser in Vilseck
In den benachbarten "Rose Baracks" in Vilseck (Kreis Amberg-Sulzbach) werden seit längerem straßenzugweise die Einfamilienhäuser renoviert und einige neu gebaut. Die Gebäude, die während der Erweiterung der Kaserne in den 1980er Jahren als Fertighäuser aus den USA nach Europa gebracht worden waren, sind in die Jahre gekommen. Ein Auftrag, der an Unternehmen aus der Oberpfalz ging, wie so viele in den vergangenen Jahrzehnten.
Solche Aufträge schreibt die US-Garnison zum Teil eigenständig aus, je nach Auftragsvolumen. Auf ihre Ausschreibungen wünscht sich die US-Seite grundsätzlich mehr regionale Angebote, um regionale Firmen beteiligen zu können. Größere Baumaßnahmen werden in Kooperation mit dem Staatlichen Bauamt umgesetzt. Ab einem Volumen von 375.000 US-Dollar muss das Bauamt beteiligt werden, erläutert Hösl. Abläufe und Zuständigkeiten regelt seit Jahrzehnten ein Verwaltungsabkommen zwischen der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten. "Rund 60 Prozent der Aufträge im Bauamt kommen von der US-Armee", sagt Roman Beer, Leiter des zuständigen Staatlichen Bauamtes Amberg-Sulzbach.
Neue Unterkünfte für bis zu 5000 Soldaten
Ab einem Volumen von 7,5 Millionen Dollar wird auf der US-Seite auch das U.S. Army Corps of Engineers eingebunden – bisweilen auch mit Teams direkt aus den USA. Zudem wird die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) benötigt, etwa als Eigentümer der Flächen, wie im Fall des Projektes „Operational Readiness Training Complex“ (ORTC), jener Neubau, der die bisherigen US-Camps ersetzen soll.
Im nächsten Jahrzehnt sollen südlich der "Tower Baracks" zwischen Camp Aachen und der Panzerstraße unter anderem Unterkünfte und Offiziersquartiere für bis zu 5000 Soldasten sowie Gebäude für Brigade-, Bataillons- und Kompaniehauptquartiere, Kantine und Wartungshallen entstehen. Dort sollen übende Truppen, sei es aus den USA oder von europäischen US-Verbündeten, angemessen untergebracht werden können.
Für amerikanischen und bayerischen Planer ein Großprojekt. Zum Entwurf eines ersten Konzeptes, eine Art städtebaulicher Plan, war eigens ein Team aus den USA nach Grafenwöhr gekommen. Nun geht es an die Umsetzung. Erste Planungsaufträge liegen beim Bauamt. Die entsprechenden Musterpläne der US-Streitkräfte für Truppenunterkünfte müssen überarbeitet und an deutsche Normen angepasst werden, darunter Bau- und Umweltvorschriften. Wenn die US-Seite besondere Wünsche hat, gilt vereinfacht gesagt, immer die strengste Regel. Auch das ist vertraglich so festgelegt.
Unterschiedliche Regeln für den Brandschutz
Ein Beispiel, das Planer beider Seiten nennen ist der Brandschutz. In US-Gebäuden ist eine Sprinkleranlage vorgesehen, in deutschen üblicherweise nicht. Also wird eine Sprinkleranlage eingebaut, aber im Zweifel nach deutschen Vorgaben. Weitere Besonderheiten sind etwa eine zentrale Steuerung von Heizung und Lüftung und eine Brandmeldeanlage, die sich bei Alarm direkt bei der US-Feuerwehr meldet.
Eine eigene Baudienststelle Grafenwöhr wie vor zwei Jahrzehnten zu Zeiten des Großprojektes "Efficient Basing Grafenwöhr (EBG)" gibt es diesmal nicht. Gleichwohl sind seine Mitarbeiter regelmäßig auf dem Truppenübungsplatz falls die Bauaufsicht es erfordert, berichtet Bauamtsleiter Beer.
Derzeit geht es nicht so zügig, wie sich das alle Beteiligten wünschen. Das liegt unter anderem an den langen Lieferzeiten für verschiedene Baustoffe. Für Elektrokabel liege diese bei bis zu 20 Wochen, sagt Beer. Hösl berichtet, dass in ihrem Team nur die Hälfte der Stellen besetzt ist. Beer verweist darauf, dass Planungsbüros und Unternehmen wegen der derzeit guten Baukonjunktur ausgelastet sind. In Grafenwöhr, so viel ist klar, gibt es auf jeden Fall bis weit ins nächste Jahrzehnt Aufträge.
Bundeswehr baut in Grafenwöhr neu
- Nicht nur die US-Armee, auch die Bundeswehr investiert in den 25 Kilometer langen und rund 14 Kilometer breiten Truppenübungsplatz Grafenwöhr. Für rund 120 Millionen Euro entstehen unter anderem Unterkünfte für 1200 Soldaten im Camp Normandie, das die Bundeswehr seit dem Jahr 1960 nutzt. Bisher gibt es dort Platz für 750 Soldaten.
- Zudem entstehen neue Gebäude für den deutschen Stabsbereich am Truppenübungsplatz Grafenwöhr. Der “Deutsche Militärische Vertreter" und das Truppenübungsplatzkommando sollen aus den "Tower Baracks", wo sie bisher untergebracht sind ausziehen, und ins Camp Normandie verlegt werden.
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