Eine kleine Sensation entdeckten Kirchenpfleger Georg Münch und seine Helfer auf dem Dachboden des ehemaligen Hahnbacher Klosters der Armen Schulschwestern. Beim Ausräumen des Spitzbodens für den Umbau zum Pfarrsaal, fiel ihnen unter manch anderem Kuriosum, wie einem wurmstichigen Harmonium, Gemälden oder restaurierungsbedürftigen Heiligenstatuen eine gut erhaltene Standarte des einstigen Hahnbacher Fahrradvereins Germania in die Hände.
Offensichtlich haben ja die Hahnbacher und die Fahrradfahrer schon über lange Zeit eine eigene spezielle Geschichte. Mit dem Radlträgerdenkmal von Peter Kuschel beim Oberen Tor nehmen sich die Hahnbacher bekanntlich selber auf den Arm und erinnern dabei auch an manchen Watschntanz. Denn kaum hatte man in provozierender Absicht, um sein Rad wegen der schlechten Hauptstraße zu schonen, dieses durch den Markt tragen wollen, kam es nicht selten zu „schnellen Füßen“ oder zu einer Rauferei, weiß dazu Heimatpflegerin Marianne Moosburger zu berichten.
Verein hieß zunächst Solidarität
In der „Geschichte des Marktes Hahnbach“ von Dr. Heribert Batzl findet man den Hinweis, dass aus den Reihen der Hahnbacher Arbeiterschaft 1921 der Anstoß zur Gründung eines ersten Radfahrervereins namens Solidarität kam. Die Gründung erfolgte im Gasthof zum Grünen Baum, der in der Hauptstraße 76 war und auch ihr Vereinsheim blieb. Bei der Standartenweihe am 23. Juni 1923 änderte dieser Verein dann seinen Namen um in Germania und fixierte sein effektives Gründungsjahr auf 1922.
1921 erfolgte auch die Gründung der beiden Radfahrvereine Concordia und Adler. Die Bürgersöhne der Adler gründeten sich im Gasthaus zur Post und wollten anfangs keine Arbeiter aufnehmen. Am 1. Juni 1926 veranstalteten sie ein Gartenfest und bald schon darauf überschritt man die gesetzten sozialen Grenzen und schloss sich mit der Concordia zusammen. Bis 1935 führten diese dann gemeinsam ein reges Vereinsleben.
Hahnbachs erster Heimatpfleger Ludwig Graf erinnert sich auch noch daran, dass er als Ministrant die Standarten der beiden Vereine putzen musste. Ein Foto von den Adlern mit Mesnerin Rosmarie Rauch zeigt deren mittlerweile verschollenes Aushängeschild. Im Amberger Anzeiger vom 8. August 1927 fand er zudem: “Radfahrverein Concordia Amberg hielt das erste Bezirksmannschaftsfahren des Bezirks 29 Amberg ab. Es traten die Rennmannschaften von Amberg, Nabburg, Schnaittenbach, Haselmühl und nicht zu vergessen die Hahnbacher Ortsgruppe Germania mit ihrem Favoriten Rösl an. 1. Bezirksmeister mit der ersten Mannschaft wurde Amberg, zweiter Nabburg und dritter Hahnbach mit Rösl, Städl und Schöpf.“ Bekannt in Radfahrerkreisen war auch der Kümmersbucher Alfons Siegert, der unter anderem dreimal Bezirksmeister wurde.
Teure Sporträder angeschafft
Auch in den umliegenden Ortschaften formierten sich Radfahrvereine und auch dort wurden nicht selten teure Sporträder angeschafft, Ausflüge unternommen und wurde an Radrennen teilgenommen. Der Adlholzer Hobbyheimatforscher Josef Wismet wusste noch von seinem Vater Josef Wismet, einem Johann Wankerl aus Frohnhof, Hans Schöpf und einem Herrn Graf aus Mülles und Hans Sollfrank, welche sich des Öfteren gemeinsam auf Tour machten. Er schrieb: "Die Land- und Gemeindestraßen waren damals nicht geteert, staubig bei Trockenheit und dreckig bei Regen. Sie waren bucklig nach allen Seiten, mit vielen Schottersteinen und spürbaren Rinnen von Wagenspuren." Auch sei die Straße oder der Weg auf der Fußgängerseite mit Stiefel- und Schuhnägeln gespickt gewesen, „sehr zum Leidwesen der wohl wenigen Radfahrer“, hieß es. Wismet betonte, dass man „gutes Flickzeug, Luftpumpe und Werkzeug" unbedingt dabei haben musste.
Auch hatten die Räder weder Freilauf, noch Rücktrittbremse, so dass man sowohl bergauf, als auch bergab treten musste. Dazu war die Vorderbremse am Reifen unzuverlässig und wenig wirksam. Beleuchtung gab es entweder keine oder nur spärlich mit einer Karbidlampe, die allerdings bei Stürzen meist zu Bruch ging. Beim Anfahren brauchte man schon eine rechten Schwung, um über den Sattel zu hüpfen oder gar über den Achsstutzen, der am Hinterrad herausstand. War es kein Sportrad, so hieß das Fahrrad damals oft „Brennabor“ oder „Veloziped“, schreibt Josef Wismet.
Ob man vielleicht, mitveranlasst durch das Auffinden der Vereinsstandarte und der zunehmenden Freude am Fahrradfahren, auch dank der zunehmenden Anzahl an Pedelecs und E-Bikes, eine Auferstehung eines Fahrradvereins erleben wird? Interessenten wären in jedem Fall willkommen, ließen Bürgermeister Bernhard Lindner und HKA-Vorsitzender Georg Götz unlängst verlauten.
Strenge Fahranordnungen
Auch in Amberg nahmen Ende des 19. Jahrhunderts die Fahrradfahrer oder wie man sie auch nannte die Velocipedfahrer kontinuierlich zu. Man diskutierte öffentlich und im Rat, ob man für diese „schnell fahrenden Fahrzeuge“ eine Art Führerschein oder mindestens eine bessere Verkehrsaufklärung einführen sollte. Schließlich wurde eine Velocipedkarte entworfen, die jeder Radler bei der Amberger städtischen Behörde jeweils für ein Jahr beantragen und ständig mit sich zu führen hatte. Sie kostete zwei Mark und zehn Pfennig. Ausgestellt wurde sie nur Personen mit einer „erprobten Fahrsicherheit“ und einem „sicheren Fahrrad“.
Dazu gab es Fahranordnungen: so durfte in der Stadt nur ganz langsam und nicht freihändig oder in Bögen gefahren werden. Gänzlich untersagt war das Fahren in der Allee, über die Krambrücke und die Brücke am Ziegeltor. An Markttagen, bei der Dult oder Festivitäten waren für diese auch die betreffenden Plätze und umgebenden Straßen tabu.Auch war es verboten andere Fuhrwerke oder Personen zu umkreisen oder zu rasch und zu nahe an ihnen vorbeizuradeln. An Straßenwendungen und -kreuzungen hieß es, mit der Glocke oder durch lautes Rufen auf sich aufmerksam zu machen. In der Begegnung mit Reitern, Kutschen oder Viehtransporten war das Tempo zu drosseln und beim Scheuen eines Pferdes sofort abzusteigen. Auch ein Nebeneinander- oder Wettfahren war ohne polizeiliche Erlaubnis strikt untersagt, ansonsten konnte die Fahrerlaubnis entzogen werden.
Nach 1900 wurde eine einfachere Fahrradkarte ausgestellt, ebenfalls nur für ein Jahr und zum Preis von einer Mark. Doch schon 1911 wurde nicht mehr nachgefragt. Aber ab 1918, nach dem Ersten Weltkrieg, gab es wieder Fahrradkarten bis 1925 und dann nochmals nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese hatten jedoch primär den Zweck, die zunehmenden Fahrraddiebstähle zu begrenzen (siehe dazu auch Stefan Helml, Amberger Geschicht‘n, Wirth 1984, S. 148 ff).
"Die Land- und Gemeindestraßen waren damals nicht geteert, staubig bei Trockenheit und dreckig bei Regen. Sie waren bucklig nach allen Seiten, mit vielen Schottersteinen und spürbaren Rinnen von Wagenspuren."
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