Von Lucia Brunner und Wolfgang Ruppert
"Auch die Hussiten haben ihre Kinder im Krieg verloren", erzählt Tristram Zenger (Bruno Spitzhirn) seinem Sohn Milo (Jonathan Binder) auf der Bühne. Durch die anschauliche Erzählung seines Vaters beginnen er und die Zuschauer zu verstehen, was Krieg bedeutet und welche schmerzlichen Folgen er haben kann. Denn: "Nichts im Leben ist nur schwarz und weiß", sagt Tristram.
Zum Sonnenuntergang kracht es, Rauch steigt auf, eine Explosion eröffnet die Schlacht. Brennende Pfeile fliegen durch die Luft, erhellen den Nachhimmel. Schwerter klirren, Blut spritzt. Ritter auf Pferden verteidigen ihr Land, Verletzte oder Tote fallen zu Boden. Auf den Brettern, die die Welt bedeuten, inszenieren 120 Laiendarsteller in Neunburg vorm Wald die Schlacht bei Hiltersried, die ein entscheidender Wendepunkt im Hussitenkrieg im 15. Jahrhundert war.
Glorifizierter Sieg
Ein Glaubenskrieg, ausgelöst durch den Tod des Reformators Jan Hus am 6. Juli 1415 auf dem Scheiterhaufen bei dem Konzil von Konstanz. Die Hussiten aus dem benachbarten Böhmen unternahmen Raubzüge in Bayern, die insbesondere die heutige Oberpfalz und Niederbayern betrafen. So drangen sie in Gebiete um Neunburg, Tirschenreuth, Cham und sogar bis nach Sulzbach und Bamberg vor. Dort wurden die militärischen Kräfte verstärkt, auch Bauern kämpften mit. Auf beiden Seiten war es vor allem die ländliche Bevölkerung, die unter den Raubzügen und den Gegenoffensiven litt.
1433 zogen sich die Belagerungen der Hussiten bis in die Oberpfalz. Johann von Pfalz-Neumarkt, der Pfalzgraf, zog gegen die Hussiten. Obwohl seine Truppen zahlenmäßig unterlegen waren, gelang es ihm die Hussiten, die sich in einer Wagenburg bei Hiltersried verschanzt hatten, zu besiegen. Eine verlustreiche Schlacht, die nach dem Krieg als grandioser Sieg glorifiziert wurde. Bis heute erinnern Orts- und Flurnamen, Sagen, Legenden und historische Spiele an die Ereignisse.
Dialoge im Dialekt
So auch die Festspiele "Vom Hussenkrieg". Sie schaffen es, mit einer Mischung aus schweren Themen wie Tod, Angst und Verzweiflung, einem historischen Kern, emotionalen Elementen und Humor, der Geschichte einen Antikriegs-Charakter mit Unterhaltungsfaktor zu verleihen. Das geschieht vor allem über Dialoge in Oberpfälzer Mundart und eine Zeitreise, die den Zuschauer in das Jahr 1433 versetzen soll.
Dabei handelt es sich um eine Neuinszenierung des Stücks, das von Regisseurin und Theaterpädagogin Karin Michl, Regieassistentin Verena Forster sowie Autorin Christina Fink nun nach der Coronapause Premiere feierte. "Wir haben uns bemüht den Urtext von Peter Klewitz zu belassen. Die Idee war die Rahmenhandlung zu ändern", erklärt Michl. Der Hussenrkieg wird seit 1983 aufgeführt. Seither habe sich am Stück immer wieder etwas verändert. "Aber die Grundgeschichte war immer gleich", so Michl.
Berührende Momente
"Ich wollte, dass der Tristram jemanden die Geschichte erzählt, der unter der Situation leidet, weil er als Böhm geächtet wird", sagt Michl. So haben die Verantwortlichen des Stücks, die Figur des Tristrams überleben lassen, der seinem Sohn von den Gräueln des Krieges erzählt. Das Stück erhält eine zweite Ebene, da die Schauspieler die Ereignisse des Krieges auf der Bühne lebendig werden lassen.
Auf der Bühne sieht man etwa die Kaufleute aus Neunburg, die sich sorgen, dass der Krieg in ihre Stadt kommt. Denn die Hussen, "die hat der Deifl gsehn". Es werden unterschiedliche Sichtweisen von Männern und Frauen, Bauern und Adel sowie Bayern und Böhmen gezeigt.
Michl hat mir ihrem Team schon im Januar mit den sogenannten "Emotionsproben" begonnen, damit die Schauspieler an die Zuschauer berührende Momente weitergeben und Nähe erzeugen. Besonders ergreifend, ist die Familiengeschichte der Zengers.
Konkurrenz zu Streamingdiensten
Unter Pfalzgraf Johann zieht auch Tristrams Vater, Hans Zenger (Franz Binder), in den Krieg. Nach der Schlacht bei Hiltersried treffen Vater und Sohn aufeinander. Der Sohn steht auf der Seite der Hussiten. Der junge Tristram (Christian Voith) versucht dem alten Zenger zu erklären, dass es auch auf Seiten der Böhmen Opfer gab. Auch sie würden unter dem Krieg leiden. "Auch die Hussiten haben an etwas geglaubt und es war jetzt nicht unbedingt der verkehrte Glaube", sagt die Regisseurin. Davon will Tristrams Vater nichts hören und beginnt mit seinem Sohn zu kämpfen, da er in ihm den Feind sieht.
Gerade die Dialoge zwischen Großvater, Vater und Sohn zeigen die Komplexität der Geschichte auf, geben ihr Tiefe. Wie wichtig ist da noch das Thema historische Authentizität? Laut Michl spielt Unterhaltung sowie Elemente, die die Geschichte auflockern, eine wichtige Rolle. Sie sieht ihr Stück in Konkurrenz mit Streamingdiensten, wo ebenfalls Filme und Serien mit der Inszenierung historischer oder fingierter Schlachten aufwarten.
Historischer Kern
Manuel Winkler, Vorsitzender des Festspielvereins "Vom Hussenkrieg", ist bewusst, dass die Botschaft des Stücks aktueller denn je ist. "Wir zeigen in unserer Schlacht wie es damals ungefähr gewesen ist. Wir zeigen die Gräueltaten und was Schlimmes außen herum passiert ist. Nicht nur auf Oberpfälzer Seite sondern auch auf tschechischer Seite, weil es war ja für alle das Gleiche."
Das Geschehen zeigt den historischen Kern, der aber fiktionale Elemente beinhaltet. "Natürlich haben wir das Stück auch etwas ausgeschmückt, sonst hätten wir das nicht so lebendig zusammenbekommen", erklärt Winkler. So ist die Figur des Tristram Zengers eigentlich frei erfunden. Alexander Binder spielt einen Hussiten im Stück und kämpft in Bayern unter feindlicher Flagge. Sein Fazit: "Das Stück ist interessant und da sollte man sich dran erinnern."
Zahlen und Fakten zum Hussenkrieg
- ab 1403: Streit um die Prager Reformtheologen und Kirchenkritiker, die sich stark an den als häretisch verurteilten Thesen des Oxforder Magisters John Wyclif orientierten
- 1415: Konzil von Konstanz, am 6. Juli stirbt Jan Hus am Scheiterhaufen, an seinem Nachnamen basiert der Begriff "Hussenkrieg". 453 böhmische und mährische Adlige schreiben einen Protestbrief und appellierten wegen der Glaubensspaltung an den zukünftigen Papst.
- 1418: Papst Martin V. verurteilt erneut die Lehren von Wyclif und Hus und droht bei Nichtgehorchen zu einem Kreuzzug aufzurufen
- 1. März 1420: Kriegsbeginn
- Ab 1421: Gruppierungen der Hussiten unternehmen Raubzüge in Bayern
- 1433: Schlacht von Hiltersried, 20 Kilometer von Neunburg in Wald entfernt, wird unter Pfalzgraf Johann gewonnen.
- 1437: Krieg wird beigelegt als König Sigismund als rechtmäßiger böhmischer König durch den Landtag anerkannt wird.
Quelle: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Hussitenkriege
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