Orden und Auszeichnungen hat Alfons Graf in seinem langen Leben reichlich verliehen bekommen. Doch nicht das Bundesverdienstkreuz ist ihm die für ihn persönlich wichtigste Ehrung, der Bayerische Verdienstorden zählt für ihn, den Gewerkschafter und Betriebsrat, wesentlich mehr. Doch die aktive Zeit des ehemaligen Gesamtbetriebsratsvorsitzenden der Siemens AG ist schon lange vorbei. Alfons Graf feiert am Freitag. 11. Februar, daheim in Poppenricht seinen 80. Geburtstag.
Wer mit Alfons Graf wegen einer Laudatio zum Geburtstag spricht, bekommt innerhalb kürzester Zeit eine Vielzahl von Anekdoten zu hören. Beispielsweise die, wie er zum damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl bei einem Essen gesagt hat, er, Alfons Graf, sei ja eigentlich dessen Vorgesetzter. Dem verblüfften Kohl lieferte er sogleich die Erklärung: Der Kanzler sei ja schließlich Pfälzer. "Ich dagegen bin Oberpfälzer." Alfons Graf kann heute noch lachen über diesen Scherz auf Kosten des Bundeskanzlers, seine Frau Helga tut es im Hintergrund auch.
Vom Lehrbub zum Gesamtbetriebsratsvorsitzenden
Gelacht hat Alfons Graf in seinem Leben viel, oft ging es aber auch sehr ernst zu bei Siemens, wo Alfons Graf vom Lehrbuben bis zum Gesamtbetriebsratsvorsitzenden sein gesamtes Berufsleben verbracht hat. Mit 26 war er schon Betriebsratsvorsitzender in Amberg, ab 1992 dann bis zu seinem Ausscheiden mit 60 Jahren der oberste aller Betriebsräte des weltweit operierenden Konzerns. Mit Büro am Wittelsbacher Platz in München und jederzeit direktem Zugang zum damaligen Vorstandsvorsitzenden Heinrich von Pierer.
Das Verhältnis der beiden Männer war gut, es herrschte ein enges Vertrauensverhältnis. Pierer wusste, dass er sich auf Alfons Graf verlassen konnte, der wiederum konnte sicher sein, dass ihn Pierer niemals hintergehen würde. Graf setzte immer auf Kooperation, sah sich selbst als eine Art Co-Manager, der dem Vorstand kreativ zur Seite stand. Heinrich von Pierer ließ das gerne zu, er schätzte das zusätzliche Potenzial, das dem Unternehmen von der Arbeitnehmerseite zugute kam. "Bei Siemens konnten wir sowieso nicht mit der Faust auf den Tisch schlagen, wie die Betriebsräte bei der Maxhütte mit ihrem Arbeitsdirektor", verdeutlicht Graf den Unterschied.
Kampf um Elektronikwerk
Was nicht heißt, dass Alfons Graf nicht auch energisch werden konnte, wenn es um die Interessen der Menschen ging, die bei Siemens arbeiteten. Anfang der 1990er-Jahre schlitterte das Unternehmen in eine tiefe Krise. In dieser Phase bekam Alfons Graf Wind davon, dass der Amberger Standort geteilt werden sollte. Plötzlich gab es einen Vorstand für das Elektronikwerk (EWA) in Nürnberg und einen für das Gerätewerk (GWA) in Erlangen. Trotz aller Beteuerungen witterte Alfons Graf, damals noch stellvertretender Gesamtbetriebsratsvorsitzender, dass da was nicht stimmte, dass womöglich eine Verlagerung anstand. "Wir als Arbeitnehmervertreter werden dem nicht zustimmen", lautete seine Botschaft an den Vorstand. Der zog die Pläne daraufhin zurück. "Ich habe dann erfahren, dass sie in Nürnberg schon ein Grundstück für das Elektronikwerk gekauft hatten", erzählt Graf. "Ich konnte dafür sorgen, dass das EWA in Amberg bleibt." Die Belegschaft habe das der Firma dann auch über Jahrzehnte durch hervorragende Leistung gedankt.
Wenn Alfons Graf erst einmal ins Erzählen kommt, reiht er eine Geschichte an die nächste. Bundeskanzler Helmut Schmidt, den er als Mensch sehr schätzte, als Zigarettenraucher aber nicht mochte, durfte er zum Beispiel als einer der wenigen Menschen duzen. Und er führte bei Siemens ein neues Berechnungssystem für Stückkosten ein, um eine vorschnelle Verlagerung der Produktion in vermeintliche Billiglohnländer vermeiden zu helfen. Aber immer war es Alfons Graf wichtig, dass Vorstand und Betriebsrat der Siemens AG im Einklang waren.
Bis heute wird geschafkopft
Das hat nicht nur dem Amberger Siemens-Standort genutzt, sondern den Konzern erst aus der Krise und dann weltweit wieder an die Spitze gebracht. Alfons Graf und Heinrich von Pierer verbindet bis heute ein tiefer Respekt voreinander. "Wir treffen uns bis zum heutigen Tag in Illschwang zum Schafkopfen", verrät Alfons Graf. Der übrigens 1966 die Poppenrichter SPD gegründet hat und bis 2012 auch im Gemeinderat saß.
In den vergangenen Jahren hat er privat ein bisschen langsamer tun müssen. Er ist von seinen geliebten Wandertouren umgestiegen auf das E-Bike. "Ich bin die Donau praktisch von der Quelle bis nach Wien gefahren", erzählt er. Und dann habe er ja noch seinen großen Obstgarten, um den er sich kümmern muss. Abgesehen davon, dass er sich liebevoll um Ehefrau Helga kümmert und um den Rest der Familie. Eine Bitte hat Alfons Graf: Potenzielle Gratulanten mögen sich an seinem heutigen Geburtstag möglichst fern halten von seinem Haus. Das hat nichts mit Unhöflichkeit zu tun, sondern mit Corona, wie Graf betont. Viel lieber nämlich würde er im Kreis seiner Familie und Freunde feiern und die eine oder andere Anekdote aus seinem Leben erzählen.
"Ich habe dann erfahren, dass sie in Nürnberg schon ein Grundstück für das Elektronikwerk gekauft hatten."
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