Das verlassene Dorf Bügellohe: Einst eine neue Heimat für Vertriebene

Schönsee
14.09.2023 - 11:42 Uhr
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Keine Straße, kein Strom, kein Wasser. Das Leben der Bewohner von Bügellohe war karg. 1946 siedelten sich hier Vertriebene aus dem Sudetenland an und bauten elf Höfe. Heute ist das Dorf verlassen, nur ein Haus ist noch vollständig erhalten.

Viel ist von dem ehemaligen Dorf heute nicht mehr zu sehen. Seit 1970 ist die Bügellohe (bei Schönsee im Landkreis Schwandorf) verlassen. Jahrzehntelanger Frost, Regen und Wind nagten an den insgesamt elf Bauernhöfen, die hier früher einmal standen. Von den meisten Gebäuden sind nur Ruinen geblieben. Auch vom Tanzboden und der Kegelbahn, die hier früher die einzigen Möglichkeiten für ein gesellschaftliches Leben der Bewohner boten, ist so gut wie nichts mehr zu sehen. Nur ein Haus, das sogenannte Fleischhackerhaus, steht heute noch. Hier kann man sich über die Geschichte des Dorfes informieren, geführte Touren bringen außerdem den Besuchern das Schicksal der Menschen in der damaligen Zeit näher. Doch meist ist es sehr ruhig rund um das verlassene Dorf. Die offenen Flächen werden als Weiden genutzt, meist verirren sich heute nur noch einzelne Wanderer und Radfahrer hierher.

Elf sudetendeutsche Familien

1946 siedelten sich hier elf sudetendeutsche Familien – insgesamt rund 60 Menschen – aus den böhmischen Ortschaften Wenzelsdorf und Rappauf an. Zunächst suchten sie auf ihren eigenen Grundstücken auf der bayerischen Seite der Grenze nur eine vorübergehende Bleibe, weil sie hofften, so der Vertreibung zu entgehen und bald nach Hause zurückkehren zu können. Doch ihre Hoffnung erfüllte sich nicht. Die Dörfer im Grenzstreifen wurden von der tschechischen Regierung dem Erdboden gleichgemacht, eine Rückkehr war unmöglich. Die Bügelloher, die bisher nur in notdürftigen Barracken gelebt hatten, errichteten daraufhin feste Häuser aus Feld- und Bruchsteinen. Es entstand auch ein Gasthaus mit überdachter Kegelbahn. Weil es keine Straße gab, konnten die Ziegel nicht von Pferdefuhrwerken angeliefert werden, sondern mussten in mühevoller Arbeit den Berg hinauf getragen werden. Die Lebensbedingungen waren sehr hart. Es gab hier weder Strom noch fließendes Wasser. Und auch keine richtige Straße, über die das Dorf hätte erreicht werden können.

Karge Verhältnisse

Es war ein karges Dasein, das die Familien hier fristeten. Fehlende Einkommensquellen und die schlechten landwirtschaftlichen Bedingungen führten schließlich dazu, dass der Ort nach und nach verlassen wurde. 1950 lebten noch 59 Menschen in Bügellohe, 1960 nur noch 8, 1969 gab dann auch der letzte Bewohner auf. Danach verfiel das Dorf zusehends. Das letzte noch verbliebene Haus wurde inzwischen gesichert. Seit Herbst 2011 ist darin eine Dokumentation untergebracht, die über die Siedlung Bügellohe und ihre Geschichte informiert.

Es bietet sich an, einen Besuch des verlassenen Dorfes mit einer Wanderung zu verbinden. Diese startet man am besten auf dem Wanderparkplatz am Vierziger zwischen Stadlern und Bügellohe, die Streckenlänge beträgt einfach rund vier Kilometer. Es werden auch regelmäßig geführte Wanderungen mit gespielten Szenen oder einer Schmuggler-Brotzeit angeboten. Nähere Informationen gibt es bei der Tourist-Information Schönseer Land auf www.schoenseer-land.de (E-Mail touristinfo[at]schoenseer-land[dot]de, Telefon 09674/317).

Hintergrund:

Die Vertreibung der Sudetendeutschen

  • Mit den sogenannten Beneš-Dekreten legitimierte die damalige Tschechoslowakei die Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg – eine Folge der vorhergegangenen brutalen NS-Herrschaft.
  • Als Sudetendeutsche wurden alle in den böhmischen, mährischen und schlesischen Grenzgebieten lebenden Deutschen bezeichnet.
  • Mehr als drei Millionen Menschen verloren ihre Heimat. Ein großer Teil von ihnen fand in Bayern, damals amerikanische Zone, ein neues Zuhause.
  • Nicht alle überlebten die Vertreibung. Wie viele von den drei Millionen Sudetendeutschen in Lagern, bei Gewaltexzessen oder auf den Transporten ums Leben kamen, lässt sich heute nicht mehr genau ermitteln.
 
 

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