Der Dialekt bedient sich einer knappen und prägnanten Ausdrucksweise. Zur Illustration dieses Sachverhalts kontrastiert Prof. Dr. Ludwig Zehetner, der bairische „Dialektpapst“, wie er auch genannt wird, gerne Mundartsätze mit ihren standardsprachlichen Entsprechungen. Er zählt dabei die Anzahl der Silben und führt sogar den prozentualen Unterschied auf.
In einem seiner neuesten Werke mit dem Titel „Wert und Ehre des Bairischen“ findet sich unter dem Aspekt der Silbenreduktion der Beleg „Was wird es denn gekostet haben?“ mit neun Silben im Gegensatz zum mundartlichen Pendant „Wos weadsn kost hom?“ mit viereinhalb Silben, also 50 Prozent. Um ein weitaus weniger komplexes, aber sehr anschauliches Beispiel für das beschriebene Phänomen handelt es sich bei den beiden Vorsilben „an-“und „ab-“ bei Tätigkeitswörtern.
Im nordmittelbairischen Dialekt erfolgt hier eine Beschränkung auf jeweils einen einzigen Laut, die beide sehr ähnlich klingen. Nur durch die korrekte Artikulation können ihre Bedeutungen voneinander unterschieden werden. Im ersten Fall („an-“) liegt ein nasales o (geschrieben: õ) vor und im zweiten Fall („ab-“) ein offenes o (geschrieben: ò). Mit dieser subtilen Differenzierung kann in der Regel nur der Dialektkundige etwas anfangen, wenn auch in den meisten Sätzen der Zusammenhang eindeutig Aufschluss gibt, wie etwa bei dem Wortpaar „õgej“ (angehen) und „ògej“ (abgehen).
Hier wird der Sinn sofort klar, wie der folgende Vergleich zeigt: a) „Wos gäidn di des õ?“ – Hier wird dem Gegenüber bedeutet, dass er nicht so neugierig sein soll. b) „Omẽi, du gäisdma ò.“ Hier wird dem Gesprächspartner mitgeteilt, dass er dem Sprecher fehlt. Gleiches gilt für „se wos õdou“ (Bedeutungen: „eine schwere Arbeit/Aufgabe übernehmen, Selbstmord begehen“) und „se òdou“ (Bedeutungen „sich sorgen, sich plagen“).
Bei anderen Verben, wie zum Beispiel „se õgwena“ (sich angewöhnen) und „se ògwena“ (sich abgewöhnen), ist dagegen die Möglichkeit eines Missverständnisses größer. Bei der Frage „Hodsa der des õgwend/ògwend?“ muss man sich schon sehr genau ausdrücken bzw. hinhören, um das wiederzugeben bzw. zu verstehen, was gemeint ist. Zur Sicherheit ist eine Nachfrage angebracht.
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