Sulzbach-Rosenberg
12.10.2020 - 11:28 Uhr

Autorinnen erleben Schauplätze ihrer Familiengeschichte

Wo komme ich her? Wie bin ich geworden, was ich bin? Welchen Einfluss hat die Migration auf das Familienschicksal genommen? Die Schriftstellerinnen Nadine Schneider und Katerina Poladjan antworten darauf in Romanen.

Für eine Lesung und ein Gespräch rund um das Thema „Weggehen und Ankommen“ holte das Literaturhaus Oberpfalz die Schriftstellerinnen Nadine Schneider (links) und Katerina Poladjan ins Capitol. Bild: aks
Für eine Lesung und ein Gespräch rund um das Thema „Weggehen und Ankommen“ holte das Literaturhaus Oberpfalz die Schriftstellerinnen Nadine Schneider (links) und Katerina Poladjan ins Capitol.

Zu "Herkunft", dem Thema der Veranstaltungsreihe "Und abseits liegt die Stadt" der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und des Literarischen Colloquiums Berlin, begrüßte das Literaturhaus Oberpfalz mit Katerina Poladjan eine Vertreterin der ersten Auswanderer-Generation, mit Nadine Schneider eine der zweiten. Der Fokus lag dabei insbesondere auf dem "Weggehen und Ankommen".

Nadine Schneider wurde 1990 in Deutschland geboren. Das rumänische Dorfszenario kurz vor dem Sturz des Ceauşescu-Regimes, das sie im Roman "Drei Kilometer" aufbaut, hat sie selbst also gar nicht mehr erlebt. Auch ihre Eltern waren schon zuvor emigriert und hatten mit diesem Kapitel abgeschlossen.

Ihr unnachgiebiges Interesse habe aber letztlich doch dazu geführt, dass die Familie gemeinsam an die Schauplätze der Vergangenheit reiste, erzählt Nadine Schneider im Gespräch mit Moderatorin Patricia Preuß. So kam nicht nur ein Roman in Gang, der das erstarrte Verharren der im Dorf Zurückgebliebenen in einen lethargisch-entschleunigten Erzählton fasst, sondern auch das Gespräch mit dem Vater über das Schicksal der eigenen Familie.

Katerina Poladjan dagegen weiß aus eigenem Erleben, wie es ist, als Kind die Moskauer Heimat zu verlassen und über Stationen in Ostia, Wien und das Auffanglager Marienfelde schließlich in Berlin Fuß zu fassen. Der Roman "Hier sind Löwen" dreht die Uhr allerdings weiter zurück und sucht Antworten auf die Fragen, die ihr Vater dem armenischen Großvater nicht zu stellen wagte. Während ihrer Recherche vor Ort sei Gewalt immer spürbar gewesen, genau wie die immerwährende existenzielle Bedrohung des armenischen Volkes, berichtet Poladjan. Dass dieser Aspekt ein Jahr nach Erscheinen des Romans wieder so schmerzhaft aktuell wird, bedrückt. Der frisch aufgebrochene Bergkarabach-Konflikt macht die Vorstellung der gerade in Armenien veröffentlichten Romanausgabe zumindest unsicherer. Ein Besuch in der Türkei, wo der Roman bereits übersetzt aufliegt, scheint ihr momentan auch keine allzu gute Idee zu sein - selbst wenn sie beim zu Anfang des 20. Jahrhunderts an den Armerniern verübten Genozid allein auf Erzählung statt Anklagen und Schuldzuweisungen setzt.

Sulzbach-Rosenberg06.10.2020
Sulzbach-Rosenberg04.10.2020
"Weggehen und Ankommen" stand im Mittelpunkt der Gesprächslesung mit Nadine Schneider (links) und Katerina Poladjan (Mitte), moderiert von Gastgeberin Patricia Preuß (rechts). Bild: aks
"Weggehen und Ankommen" stand im Mittelpunkt der Gesprächslesung mit Nadine Schneider (links) und Katerina Poladjan (Mitte), moderiert von Gastgeberin Patricia Preuß (rechts).
 
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