"Ich habe vier Bürgermeister erlebt", sagte Karl Berr bei der besonderen Auszeichnung. Nach Erich Oberndorfer, Ludwig Wolfrum und Franz Fink kam 2002 Franz Stahl. Und der überreichte dem langgedienten Stadtrat am Montagabend die goldene Ehrenmedaille der Stadt Tirschenreuth. Verliehen wurde sie, wie der Bürgermeister betonte, auf einstimmigen Beschluss des Stadtrats.
Dass Karl Berr und Franz Stahl nicht unbedingt die gleiche Meinung vertreten, ist allgemein bekannt. Der eigenwillige Stadtrat sitzt seit vielen Jahren für die Wählergemeinschaft Umwelt im Gremium und wird dort nicht müde, seine Positionen zu wiederholen. Jüngstes Beispiel ist der Wohnmobilstellplatz am Fischhof, den Berr als Standort für ungeeignet hält. Aber am Montag herrschte große Harmonie, als der 84-Jährige die hohe Auszeichnung der Stadt bekam.
Franz Stahl würdigte Karl Berr als Stadtrat, der sich stets für die ihm wichtigen Themen wie Naturschutz, Stadtplanung und lokale Energiepolitik eingesetzt hat. "Er gehört diesem Gremium durchgängig seit bereits fünf Jahrzehnten an, genau seit dem 1. Juli 1972", betonte der Bürgermeister. Was er in dieser Zeit erlebt habe, könne sicher mehrere Bücher füllen, angefangen von der Gebietsreform über das Ringen um den Straßenwalzen-Hersteller Hamm Ende der 1970er-Jahre bis hin zum Niedergang der Porzellanindustrie als größtem Arbeitgeber in den 1990er-Jahren.
Stahl erwähnte ebenso das Aufblühen der Stadt mit einem neuen Entwicklungskonzept, der Sanierung des Marktplatzes und der Gartenschau. Dass Karl Berr gerade zu letzteren Projekten "eine sehr differenzierte Meinung hatte", verschwieg der Bürgermeister nicht. "Trotzdem möchte ich dir, lieber Karl, danken, dass du dich in den vergangenen Jahrzehnten den zahlreichen Herausforderungen gestellt und einen Teil der Geschichte unserer Stadt begleitet hast."
Einige grundsätzliche Überlegungen schickte Franz Stahl der Auszeichnung voran. Der Gesetzgeber habe im demokratischen Rechtsstaat ein Gremium geschaffen, um Entscheidungen auf örtlicher Ebene zu treffen. Der Stadtrat sei das Spiegelbild des gesellschaftlichen und politischen Gefüges einer Kommune. Das Tirschenreuther Gremium sah der Bürgermeister als bestes Beispiel einer Bürgerkultur, dankte er allen früheren und heutigen Mitstreitern.
Der Einsatz im Stadtrat sei oft auch mit Mühen und Gewissensfragen belastet: "Habe ich mit meiner Entscheidung die richtige Wahl getroffen? Ist mit meiner Stimme den Menschen geholfen? Habe ich damit den nötigen Weitblick auch für die nächste Generation in unserer Stadt bewiesen? Sind dabei nicht die eigenen Interessen im Vordergrund gestanden?" Solche Fragen hätten so manchem schon den Schlaf geraubt. Vor allem bei der direkten Konfrontation mir den Bürgerinnen und Bürgern müssten innerhalb von Sekunden Antworten gegeben werden. "Die richtige Antwort heißt dabei, auch unangenehme Beschlüsse sachlich richtig mitzuteilen und eine Entscheidung zu erklären", sagte Stahl. Gerade hier zeige sich die Qualität eines guten Stadtrates.
Goldene Ehrenmedaille der Stadt Tirschenreuth
- Einführung: per Stadtratsbeschluss 1991
- Erste Auszeichnung: 1994 an Stadtrat Hans Reiter
- Bisher letzte Auszeichnungen: 2020 an die Stadträte Olga Luft und Günther Franz
- Medaillenträger insgesamt: 16
- Kriterien: Laut Satzung werden Persönlichkeiten ausgezeichnet, die allgemeines Ansehen genießen und sich durch hervorragende Leistungen um das allgemeine Wohl der Stadt Tirschenreuth und ihrer Bürger besondere Verdienste erworben haben.
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