Wandern ist (nicht nur) des Müllers Lust

17.09.2020 - 11:21 Uhr

Passenderweise stammen die bekannten Zeilen über die Wanderlust des Müllers von Wilhelm Müller aus Dessau. Die Lust am Singen beim Wandern wird allerdings immer weniger.

Wandern und Radfahren erleben durch die Corona-Pandemie, verbunden mit den vielfachen Reisebeschränkungen, eine Renaissance. Auch in der nördlichen Oberpfalz sind Ferienwohnungen und -häuser, Campingplätze so ausgebucht wie noch nie zuvor. Gerade das Gebiet des Oberpfälzer Waldes und den seit 1990 wieder zugänglichen Ausläufern in den Böhmischen Wald hinüber, verlocken zum Wandern.

Dem Oberpfälzer Waldverein (OWV) ist es seit Jahrzehnten ein Anliegen, gut ausgeschilderte Wanderwege vorzuweisen. Gefragt ist auch besonders der "Goldsteig". Ihn wandern derzeit viele Holländer bis nach Passau hinunter. Auch der historische Wanderweg der Goldenen Straße von Nürnberg nach Prag ist beliebt. Ausgeschildert mit dem doppelschwänzigen böhmischen Löwen führt er von Nürnberg über Sulzbach-Rosenberg, Weiden nach Bärnau und Tachov (Tachau).

Lied auf den Lippen

Wandern scheint ein Urtrieb des Menschen zu sein. Nicht erst im Mittelalter, bereits in der Urzeit befand sich der Mensch auf Wanderschaft. Allerdings wohl weniger aus touristischen Beweggründen.

Wer über das Wandern nachdenkt, kommt nicht an den vielfältigen Wanderliedern unserer näheren und weiteren Heimat vorbei. Wandern und Singen gehörten einmal zusammen. Ein fröhlicher Wanderer hatte stets ein Lied auf den Lippen. Wer das Erlebnis hatte, nach der Wanderung gemeinsam bei Wanderliedern zusammenzusitzen, der weiß, dass sie ein Stück echte Lebensfreude beinhalten.

Kein schulisches Liederbuch, das keine Wanderlieder beinhaltet - diese Aussage stimmt schon längst nicht mehr. Liedgut von Jahrhunderten geht so unweigerlich verloren. Manchmal ist die erste Strophe noch bekannt, bei allen weiteren kapitulieren oft auch die Erwachsenen. Sieht man sich jedoch am Buchmarkt um, so stößt man noch auf eine Vielzahl von Wanderlieder-Büchern.

Lieder jeder Region

Jede Gegend, jede Landschaft hat ihre eigenen Lieder hervorgebracht. Amüsant und erfrischend sind die unterschiedlichen Dialekte der Lieder aus allen Himmelsrichtungen, deren Verfasser bestrebt waren, ihre Heimat einzubringen. Jede Region will ihr altüberliefertes Liedgut in entsprechenden Gesangsbüchern untergebracht wissen. So entstand im Laufe der Jahrzehnte eine Fundgrube liedhaften Volksbrauchtums.

"Die Oberpfälzer, als Altbayern, singen gerne." Dies wissen wir von Aventinus und dies beweisen heute noch organisierte Chöre und Volksgesang-Gruppen. Aber auch sie werden immer weniger. Aus diesem Grund brachte der Bezirk der Oberpfalz 1986 erstmals ein kostenloses Textbüchlein heraus: "Singa is unser Freid". Deutsches Liedgut, vor allem auch Lieder aus der Oberpfalz und dem Egerland wurden hier aufgenommen. Der frühere Bezirksheimatpfleger Dr. Adolf Eichenseer brachte schon 1979 ein Buch mit dem Titel "Volkslieder aus der Oberpfalz und angrenzenden Gebieten für Kinder und Jugendliche" heraus. Es ist allerdings schon lange vergriffen.

Dass es mit der Kenntnis oder gar dem Singen von Wanderliedern nicht mehr weit her sei, bedauerte bereits Hoffmann von Fallersleben in einem Gedicht vom 12. Februar 1871: "Wozu nun Wanderlieder heute noch? Es wandert keiner mehr, und gäbe es nicht noch Turn- und Sängerfahrten, hörte man kein Wanderlied im freien Felde mehr. Es hat die Allgewalt der Eisenbahn zerstört auch dieses Stück von Poesie." In fast 60 Zeilen beklagt der Dichter der deutschen Nationalhymne den Niedergang des Wandergedankens. Dass Wandern heute beliebter ist denn je, konnte er wohl nicht ahnen. Wahrscheinlich verlieh er seinem Unmut über die fortschreitende Industrialisierung Ausdruck.

Krug zum grünen Kranze

Wanderlieder haben zwar heute keine Hochkonjunktur, geläufig sind sie dennoch. Wer kennt nicht das Lied vom Müller und seiner Wanderlust? Genau wie beim Lied "Im Krug zum grünen Kranze" stammen die Verse von einem Mann mit dem schlichten Namen Wilhelm Müller, der am 7. Oktober 1794 in Dessau geboren wurde. Franz Schubert hat sie in seinen Liederzyklen von der schönen Müllerin und der Winterreise bekanntgemacht.

Missionar in Indien

Dem Schwaben Ludwig Uhland (1787 bis 1862) verdanken wir den Text von "Es zogen drei Burschen wohl über den Rhein". Der Thüringer Gottlieb Methfessel schrieb und vertonte das in vielen Variationen bekannte Lied "Hinaus in die Ferne". Im schlesischen Glatzer Bergland schrieb der dort geborene Oberlehrer Conrad Rotter das Lied "Ein Sträußchen am Hute". 1855 entstand das Wanderlied "Drunten im Unterland". Dessen Dichter Gottlieb Weigle verstarb 1855 in Indien, wo er als Missionar tätig war. Der schwäbische Musiker Silcher - bekannt durch viele Kirchenlieder - vertonte das bekannte Lied "Ein Heller und ein Batzen". Dessen Verfasser, ein gewisser Gutsbesitzer von Schlippenbach, stand bei Hof in hohen Ehren.

Besonders angetan hatte es den Dichtern und Liedermachern der Wonnemonat Mai, in dem ja die Wanderslust neben dem Herbst bekanntlich ihren Höhepunkt hat. "Der Mai ist gekommen" oder "Wer recht in Freuden wandern will" stammen aus der Feder von Emanuel Geibel.

Freiherr Josef von Eichendorff beim Vorstellen von Wanderliedern zu unterschlagen, wäre geradezu eine Sünde: "Wem Gott will rechte Gunst erweisen" oder "Mich brennt's in meinem Reiseschuh" dürften wohl seine bekanntesten Lieder sein. In Westfalen ertönte zum ersten Male das Lied "Nun ade, du mein lieb Heimatland".

Sehnen nach Geselligkeit

Auch die fränkischen Nachbarn lieben das Wandern und die damit verbundenen Lieder: "Lustig, lustig, ihr lieben Brüder ...". Bei einem guten Glas Wein kann man nach getaner Wanderung alle Sorgen ablegen.

Der bekannteste Frankendichter Viktor von Scheffel beschwört die Wanderer zur schönen Sommerzeit "ins Land der Franken zu fahren". In all den Liedern vom Wandern steckt das Träumen und das Sehnen der Menschen nach Geselligkeit.

Aber auch Fernweh gepaart mit Heimatliebe zieht sich durch alle Strophen. Und nicht zuletzt hat Goethes abgewandelter Spruch auch heute noch seine Berechtigung: "Wo man singt, da lass dich ruhig nieder; böse Menschen haben keine Lieder".

 
 

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