Weiden in der Oberpfalz
18.03.2020 - 19:18 Uhr

Coronavirus: OB-Kandidat Benjamin Zeitler im Krisenmodus

In Zeiten von Corona läuft der Wahlkampf anders. OB-Kandidat Benjamin Zeitler bricht ihn offiziell ab und schafft gleichzeitig mit der neu gegründeten Initiative Coronahilfe eine aufmerksamkeitsstarke Plattform.

Die Task-Force Coronahilfe Weiden unter der Leitung von Benjamin Zeitler (Vierter von links) tagte am Montag das erste Mal. Bild: Georg Neumann/exb
Die Task-Force Coronahilfe Weiden unter der Leitung von Benjamin Zeitler (Vierter von links) tagte am Montag das erste Mal.

"Zusammenhalten" ist das Stichwort, mit dem CSU-Kandidat Benjamin Zeitler für Unterstützung wirbt. In einer Pressemitteilung heißt es, dass er den Wahlkampf zur OB-Stichwahl ab sofort einstellt. Er wolle sich ganz der Coronakrise widmen und den Menschen in Weiden helfen. Unterstützt wird er von einem Expertenteam mit Verantwortungsträgern und Ärzten (u. a. Dr. Jürgen Altmeppen, Professor Theodor Klotz, Dr. Eva Nitsche, ILS-Chef Jürgen Meyer, Bezirkstagsvizepräsident Lothar Höher) und Ehrenamtlichen.

Bürgerbüro eingerichtet

"Das, was die Stadt auf städtischer Seite tut, ergänzen wir auf ehrenamtlicher Seite", sagt Zeitler gegenüber Oberpfalz-Medien. "Wir organisieren gegenseitige Unterstützung von Bürgern für Bürger." Anlaufpunkt ist ab 20. März ein eigenes Bürgerbüro in der Schulgasse 15 (erreichbar per E-Mail: info[at]coronahilfe-weiden[dot]de oder Telefon 0151/62745822). Auf der extra eingerichteten Homepage www.coronahilfe-weiden.de werden alle Hilfsangebote und -gesuche erfasst. Es würden keine medizinischen Leistungen und Beratungen erbracht. Das Ärztenetzwerk nutze man vor allem, um auf dem neuesten fachlichen Stand zu bleiben. Dass das aus Stadträten und Stadtratskandidaten von CSU und Bürgerliste besteht, stört Zeitler nicht.

"Wir sind offen für jeden, der helfen möchte - über Parteigrenzen hinweg", und wischt damit auch den in den sozialen Netzwerken diskutierten Vorwurf eines indirekten Wahlkampfes vom Tisch. "Manches auf der Webseite war vielleicht parteiisch, aber das haben wir behoben. Auf die Idee mit der Initiative hätte jeder kommen können. Ich denke über den 29. März hinaus, denn wir haben gerade andere Probleme. Wen interessiert denn jetzt noch die OB-Wahl?"

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Oberpfalz18.03.2020
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Deutschland und die Welt18.03.2020

Jens Meyer: Viele Hilfsangebote

Die Coronakrise hat auch den SPD-Kandidaten Jens Meyer im Griff, der als amtierender Bürgermeister in der Führungsgruppe "Katastrophenschutz" agiert. Grundsätzlich sei jede Initiative positiv, kommentiert er Zeitlers Vorstoß. "Es gibt bereits viele Gruppen, die Nachbarschaftshilfe organisieren. Nun gibt es eine weitere." Und natürlich sei das Wahlkampf. Den eigenen beschränkt Meyer indes auf Plakate und soziale Medien. Als Bürgermeister sei er im Moment von früh bis spät unterwegs. Das werde von ihm in seiner Funktion auch erwartet. "Die Stadt muss in der Krise Ansprechpartner sein," sagt Meyer. So wurde am Dienstag ein Bürgertelefon "Corona" eingerichtet (erreichbar unter Telefon 0961/81-3838 von 8 bis 18 Uhr oder per E-Mail: bt[at]weiden[dot]de). Auch hier soll Weidenern schnell geholfen werden.

Michael Härtl aus Weiden gründete die Facebook-Gruppe "Corona-Nachbarschaftshilfe Weiden" und kann sich vorstellen, mit der Initiative Coronahilfe Weiden zu kooperieren. Benjamin Zeitler hatte dies angeboten. Bild: Härtl/exb
Michael Härtl aus Weiden gründete die Facebook-Gruppe "Corona-Nachbarschaftshilfe Weiden" und kann sich vorstellen, mit der Initiative Coronahilfe Weiden zu kooperieren. Benjamin Zeitler hatte dies angeboten.
Info:

Reaktionen auf die Initiative Coronahilfe Weiden

Wahlkampf, wichtiges Engagement oder beides – was trifft auf die Initiative Coronahilfe Weiden von Benjamin Zeitler zu? Wir haben bei Menschen aus Politik und Gesellschaft nachgefragt. (jak/shl)

  • Roland Richter, SPD: „Eine Hilfsaktion zu gründen ist an sich in Ordnung. Aber es verwundert schon. Die Initiative steht meiner Meinung nach mit Wahlkampf in Zusammenhang. Das ist nicht ganz ehrlich.“
  • Sema Tasali-Stoll, SPD, Ärztin: „Mich stört in erster Linie das Foto der Task-Force. Die Personen sitzen viel zu eng beisammen. Mindestabstand! Die ärztlichen Kollegen sollten das eigentlich wissen. Das vermittelt ein falsches Bild.“
  • Jürgen Meyer, Leiter ILS: „Ob die Initiative auch Wahlkampf ist? Das kann man so auslegen. Aber jetzt ist es wichtiger denn je, zu sensibilisieren, zu mobilisieren und Anordnungen Folge zu leisten. Wahlkampf ist zweitrangig“, sagt Jürgen Meyer, Leiter der Integrierten Leitstelle Nordoberpfalz (ILS) und seit Sonntag Stadtrat der Bürgerliste. Am Mittwoch hätten wegen des Coronavirus in vier Stunden fast 200 besorgte Menschen die ILS angerufen. Für die Coronahilfe sei er rein beratend tätig, soweit es Datenschutz, Schweigepflicht und seine anderen Funktionen unter anderem im Führungsstab „Katastrophenschutz“ für Neustadt/Weiden und Tirschenreuth zuließen.
  • Michael Härtl, Facebook-Admin: Michael Härtl, der die Facebook-Gruppe „Corona-Nachbarschaftshilfe Weiden“ gegründet hat, hält Wahlkampf-Vorwürfe für „Schmarrn“. Zeitler hatte der Gruppe eine Kooperation angeboten. Härtl kann sich eine Zusammenarbeit durchaus vorstellen. „Alles, was mit Hilfe verbunden ist, zählt“, sagt der 37-jährige Weidener. „Es ist mir egal, ob Zeitler auch Wahlkampf macht. Er hilft. Punkt.
Info:

Stimmen aus dem Netz

Die von OB-Kandidat Benjamin Zeitler gegründete Initiative Coronahilfe Weiden wird von Kommentatoren bei Facebook überwiegen positiv aufgenommen. Es gibt aber auch kritische Stimmen. (jak)

  • Oliver Goldmann: „Das ist grundsätzlich ein sehr gutes und (...) notwendiges Engagement (...). Aber dass der Eindruck entsteht, es ist eine andere Form von Wahlkampf, ist nicht von der Hand zu weisen. Ich bin sehr gespalten in der Meinung.“
  • Sabrina Arnold: „So etwas hat der Benjamin Zeitler bestimmt nicht nötig. Freuen wir uns doch einfach, dass jemand was macht.“
  • Michaela Frey: „Herr Zeitler. Ich wünsche Ihnen und ihren Kameraden des Puppentheaters viel Freude bei der weiteren Inszenierung des Stückes. Ich finde es sehr lieb (...), dass sie sich um die Vernetzung und die Ängste ihrer Wähler bemühen. (...) Kleinunternehmer, Künstler, Freischaffende (...), konstruktiv agierende Alternative und ich freuen uns darauf, das Ergebnis all ihrer Entscheidungen und Taten beklatschen zu dürfen.“
  • Ilona Forster: "Wir schaffen es nur Miteinander.“
  • Marco Bethmann: „Oje, das Bild ist aber das falsche Signal. Acht Personen auf engsten Raum ohne Abstand.“
  • Andrea Kroll: „Egal, ob jemand das als Nebeneffekt für seinen Wahlkampf nutzen will (...) – die Hauptsache ist, dass ein Netzwerk da ist und JEDER, der darauf angewiesen ist, wird froh sein, dass es das gibt. Niemand wird gezwungen, das in seine Wahlentscheidung mit einzubeziehen. Davon abgesehen sind in der ,Fachgruppe‘ Leute aus verschiedenen politischen/nicht-politischen Gruppen.“
Kommentar:

Wahlkampf der Krisenmanager

Frage: Welches Wort beginnt mit C und beherrscht die Medien sogar noch stärker als eine bevorstehende spannende Stichwahl? Nein, die Antwort lautet nicht CSU. Dabei gelingt es deren OB-Kandidat durchaus, das eine starke Top-Thema mit dem anderen, etwas schwächeren zu verknüpfen. Corona und die Wahl also. Auch wenn Benjamin Zeitler behauptet, genau das nicht zu tun und seinen Wahlkampf sogar für beendet erklärt. Er wolle sich nur noch der Corona-Krise widmen. Dazu stellt er sich an die Spitze einer Task-Force. Was ihn dafür qualifiziert, außer dass er eben ein gut vernetzter OB-Kandidat ist? Hmmm ...
Seine Grundidee ist ja richtig: In der Coronakrise gibt es keine anderen Themen mehr, mit denen ein Wahlkämpfer groß punkten könnte. Ein Gedanke, der sicher auch SPD-Bewerber Jens Meyer nicht fremd ist. Zufällig (?) räumt ausgerechnet jetzt Oberbürgermeister Kurt Seggewiß das Feld, und Bürgermeister Meyer kann sich kraft seines Amtes als Krisenmanager profilieren. Zeitler hält dagegen und versucht Gleiches mit einer Art Schatten-Krisenstab. Dem gehören natürlich auch Ärzte an – ein Anästhesist, eine Frauenärztin, ein Urologe. Was sie eint, ist nicht etwa das Fachgebiet Corona, sondern dass sie für den Stadtrat kandidierten (für CSU und Bürgerliste).
Nicht ausgeschlossen, dass daraus Gutes entstehen kann. In erster Linie ist es aber vor allem eins: Wahlkampf. Und dazu sollte Zeitler auch stehen.

Ralph Gammanick

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