Krimis, Thriller, True Crime. Ich verschlinge alles. Woher die Vorliebe für Verbrechen kommt, kann ich nicht sagen. Mit Zwölf konnte ich nicht mal Tatort schauen, ohne Albträume zu haben. Horrorfilme schau ich bis heute nicht. Vor ein paar Jahren wurde mir dann ein True-Crime-Podcast empfohlen. Als Podcast-Junkie gab ich ihm eine Chance und auf einmal ist irgendetwas in mir erwacht. Die Faszination für das Böse? Der Nervenkitzel, wenn ich mir denke: "Krass das hätte mir auch passieren können"? Mittlerweile weiß ich, es ist mehr als Faszination. Es geht auch um Aufarbeitung und Aufklärung. Für viele mag das unverständlich sein. Aber ich bin nicht alleine. Und vor allem nicht die einzige Frau. Das lässt sich schon an den Spotify-Nutzerdaten unseres True-Crime-Podcasts bei Oberpfalz-Medien ablesen. 65 Prozent Frauen hören "Tödliche Oberpfalz".
Als Moderatorin dieses Podcasts erlebe ich nun auch die andere Seite. Uns wird oft Voyeurismus und Glorifizierung der Täter vorgeworfen. Wir seien pietätlos. Opfer würden durch reißerische Nacherzählungen in den Hintergrund gedrängt. Aus realem Leid werden Unterhaltung und Profit geschaffen, so die Kritik. Darüber habe ich mir als Hörerin nie Gedanken gemacht. Aber als Moderatorin des Podcasts muss ich mich damit befassen. Ich kann die Argumente nachvollziehen. Und ich gebe zu, meine Gegenargumente wirken oft schwach und egoistisch, wenn ich die Angehörigen der Opfer am Telefon habe. Die journalistische Aufarbeitung von Straftaten ist kein Verbrechen. Zumindest nicht, wenn dabei die Würde der Opfer gewahrt wird, sage ich dann immer. Wir bemühen uns, den Fokus nicht nur auf die Tat zu legen. Es geht auch um gesellschaftliche Umstände, die menschliche Psyche und auch um Prävention.
Wo wir wieder bei den Frauen sind. Obwohl es laut polizeilicher Kriminalstatistik in Deutschland immer sicherer wird, steigt die Angst vor Verbrechen. Besonders Frauen wollen durch True Crime lernen, potenzielle Straftäter zu erkennen und sich Verteidigungen abschauen. Zu diesem Schluss kamen zwei Forscher aus den USA bei ihrer Studie 2010. Natürlich sollte Selbstverteidigung nicht der Hauptgrund für einen Podcast sein. Eher, dass nach Folgen über ungelöste Verbrechen sogar neue relevante Hinweise bei der Polizei eingehen. Opfer, die noch auf Gerechtigkeit warten, geraten so nicht in Vergessenheit. Deshalb werde ich weiter True Crime konsumieren und produzieren. Denn genauer hinzusehen und hinzuhören ist wichtig – solange man den eigenen moralischen Kompass im Blick behält.
OTon
Wir sind junge Mitarbeiter der Oberpfalz-Medien. In unserer Kolumne „OTon“ schreiben wir einmal in der Woche über das, was uns im Alltag begegnet – was wir gut finden, aber auch, was uns ärgert. Dabei geht es weniger um fundierte Fakten, wie wir sie tagtäglich für unsere Leser aufbereiten, sondern um unsere ganz persönlichen Geschichten, Erlebnisse und Meinungen. Wir wollen zeigen, dass nicht nur in Hamburg, Berlin oder München Dinge passieren, die uns junge Menschen bewegen. Alle Teile dieser Kolumne sind zu finden unter onetz.de/oton.
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