Traumhafte Flitterwochen auf Bali mit gebuchtem Fotoshooting. Die Kulisse ist wunderschön, doch statt eines großen Shootings mit professionellem Fotografen, Spiegelreflexkamera und Beleuchtung, erwartet das frisch verheiratete Paar ein Hotelmitarbeiter mit mickriger Sofortbildkamera. Und das ist nur ein kleiner Einblick in die Flitterwochen von Andy Neumaier und seinem damaligen Partner.
Die zweite Folge "Zeit für Pride" mit Andy
Andy ist schwul und hat insgesamt zwei Mal geheiratet. Zum ersten Mal 2007 in Aaalen. Bei dieser Hochzeit war das Aalener Ordnungsamt für die Verpartnerung von Andy und seinem Liebsten zuständig und nicht wie inzwischen das Standesamt. Das liegt auch daran, dass das Ganze damals noch eine eingetragene Lebenspartnerschaft war. Doch statt auf dem Ordnungsamt konnten Andy und sein Partner ihre Hochzeit dank eines netten Landrats auf einem Schloss in der Nähe feiern. "Bei der Hochzeit haben wir eigentlich bewusst mit allen Bräuchen gebrochen", sagt Andy.
Muskelshirts, Shorts und Vans
Die Feier war sehr pompös mit über hundert Gästen. Getragen haben Andy und sein Mann damals Muskelshirts, Shorts und Vans. "Es war weder sehr männlich, noch weiblich – wir haben da keine Rollen erfüllt." Lediglich das Anschneiden der Hochzeitstorte und eine Fahrt im Brautauto haben die beiden Männer als Bräuche bei der Eheschließung zelebriert. Wobei die Fahrt im Brautauto, dem Karmann-Ghia-Oldtimer einer Freundin, doch eher skurril war, wie Andy berichtet. Seine Freundin sei das Auto gefahren und er saß mit seinem Mann gemeinsam auf der Rückbank. "An jeder Kreuzung dachten die Leute: 'Oh Gott, die arme Braut, die muss an ihrer Hochzeit selbst fahren!'", amüsiert er sich.
Für Andy habe das damals keinen großen Unterschied gemacht, dass er rechtlich betrachtet nicht verheiratet war. Gemerkt habe er das ganze vor allem beim Ehe-Zuschlag, den seine verheirateten Kolleg:innen bezahlt bekamen und er nicht. Denn als die "Ehe für alle" in Deutschland eingeführt wurde, bekam Andy den Zuschlag für die vorherigen Jahre nachgezahlt. "Das war ein ganz schöner Batzen Geld", erzählt er lachend. Seit August 2001 konnten Paare des gleichen Geschlechts als Äquivalent zur Hochzeit eine eingetragene Lebenspartnerschaft schließen. Anfangs gab es größere rechtliche Unterschiede zur Ehe, die nach und nach angeglichen wurden. Seit der Einführung der "Ehe für alle" können keine eingetragenen Lebenspartnerschaften mehr geschlossen werden. Wer bis 2017 eine Lebenspartnerschaft geschlossen hatte, konnte diese umwandeln lassen. Denn die Ehe für alle gibt es in Deutschland erst seit dem 1. Oktober 2017.
Auch Andy feierte nach dem 1. Oktober 2017 nochmal eine Hochzeit, im Jahr 2020. Denn Andy ließ sich von seinem ersten Mann scheiden. Dessen Namen hatte er bei der Hochzeit angenommen und behielt ihn auch nach der Scheidung, sodass sein neuer Mann den Namen seines Exmannes annahm. "Mein Mann hat aber vorher höchstpersönlich bei den Eltern meines Exmannes und meinen Exmann nachgefragt, ob dass denn okay ist", erzählt Andy. Auch heute sei er mit seinem ersten Mann noch befreundet. Die Trennung ist ohne Streit, im Guten abgelaufen, sagt Andy. Sogar eine Scheidungsparty habe es gegeben, in dem Café in dem die beiden ihre Hochzeit gefeiert haben. Außerdem war sein ehemaliger Mann mit seinem neuen Partner bei Andys zweiter Hochzeit zu Gast.
Sakkos mit Engelsflügeln
Im Gegensatz zur ersten Hochzeit, war die zweite mit seinem jetzigen Mann eher klein. Eigentlich hätte die Trauung in Stockholm stattfinden sollen, doch das war wegen der Pandemie nicht möglich, sodass die Feier in Mitterteich stattfand. Nur mit ein paar Verwandten und den engsten Freunden. Die Hochzeitsgesellschaft war bei der Mitterteicher Hochzeit eher schick, die Bräutigame trugen beide Sakkos mit goldenen Engelsflügeln am Rücken.
Bei beiden Hochzeiten habe Andy keine beziehungsweise kaum Erfahrungen mit offener Diskriminierung gemacht. Lediglich bei einer Arbeitsstelle als Meteorologe an einem Bundeswehrstandort sei er von anderen Bundeswehrlern beleidigt worden. "Mir wurde da unterstellt, ich würde mich am Bahnhof verkaufen oder so."
"Plötzlich vorbei mit Flitterwochen"
Zwei Hochzeiten, heißt auch zweimal Flitterwochen. Nach der ersten Hochzeit, passend pompös für drei Wochen auf Bali. Andy und sein damaliger Mann hatten die Reise offiziell als Honeymoon angemeldet. "Die in Bali konnten mit den deutschen Namen nichts anfangen und wussten nicht, dass da zwei Männer kommen", erklärt er. Als die Mitarbeiter:innen des Hotels verstanden hätten, dass die beiden ein verheiratets Paar sind, sei es dann ganz plötzlich vorbeigewesen mit typischen Flitterwochen-Aktivitäten, wie beispielsweise mit dem professionellen Fotoshooting, das die beiden im Vorhinein gebucht hatten. Auf Rügen, wo Andy die Flitterwochen mit seinem jetzigen Mann verbrachte, war das Ganze schon weniger problematisch.
Problematisch sieht Andy dagegen den Begriff "Ehe für alle", denn der schaffe nochmal eine Abgrenzung zu "Hetero-Ehen". Andy ergänzt: "Wenn es Christopher Street Days mal nicht mehr geben muss, dann sind wir da, wo wir hin wollen. Wenn man Leute nicht mehr provozieren muss, um sie aufmerksam auf etwas zu machen, dann wäre das eigentlich das Richtige." Er fordert einen Austausch auf Augenhöhe und einen offenen Dialog.
In der Oberpfalz hat dieser Austausch laut Andy schon begonnen: "Die Oberpfalz ist bunter als viele denken."
Andy Neumaier
- Pronomen und Identität: er/ihm; cis Mann
- sexuelle Orientierung: schwul
- Alter: 45
- Geburtsort: Tirschenreuth, aufgewachsen in Mitterteich
- Wohnort: Würzburg
- Beruf: Meteorologe bei der Bundeswehr, im Radio und für verschiedene Medien im Online und Print Bereich; vielen bekannt als der "Wetter-Andy"
- Lebensmotto: "Ich falle versehentlich immer die Treppe rauf."
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