Oberpfalz
21.10.2022 - 14:00 Uhr

"Zeit für Pride" mit Josephine Taucher: Vom Mann zur Frau

Josephine Taucher ist als Junge in Vohenstrauß aufgewachsen. Heute lebt sie als Frau in Erlangen. Im Podcast "Zeit für Pride – Wie bunt ist die Oberpfalz?" erzählt sie, wie schwer ihre Transition und das Kinder kriegen für sie gewesen ist.

Josephine Taucher. Bild: Rebecca Zweigle
Josephine Taucher.

Es ist ein Abend im Jahr 2016, an dem sich das Leben von Josephine von Grund auf ändert. Sie trifft sich mit einem Kollegen, der gerade auf Jobsuche ist. Er erklärt ihr, wie Josephine für den Arbeitsmarkt zu sein hat. Sie soll sich ihre Haare abschneiden, sich einen Bart wachsen lassen und einen teuren Anzug kaufen. Damals ist Josephine offiziell noch ein Mann – mit langen Haaren, ohne Bart und mit engen Klamotten. Denn sie identifiziert sich schon länger nicht mehr mit ihrem biologischen, männlichen Geschlecht. An diesem Abend entscheidet sie sich mit Avril Lavigne und "I'm With You" im Ohr dazu, dass sie offen als Frau leben möchte.

"Ich habe gemerkt, dass ich mit mir selber so nicht klar komme, irgendwas hat so nicht gepasst, etwas hat gefehlt", sagt sie. Im Laufe der Pubertät habe sie gemerkt, dass sie immer mehr mit ihrer weichen und wenig männlichen Art aneckt. Allerdings hat Josephine sich damit nach und nach arrangiert. "Ich bin bin hier in der Oberpfalz aufgewachsen und ich hatte einfach keinen Zugang zu Informationen und Rollenmodellen", erklärt sie. Mit einem besseren Zugang zu Aufklärung hätte sie wohl auch besser mit ihren Gefühlen umgehen können, meint sie heute.

Die erste Folge "Zeit für Pride" mit Josephine

Online-Accounts um Pubertät nachzuholen

Schon 2007 hat Josephine ihre heutige Freundin kennengelernt – damals noch als Mann. 2014 heiraten die beiden. "Dann fängt man an nachzudenken, wie sehen die nächsten fünf, die nächsten zehn, die nächsten zwanzig Jahre im Leben aus." In ihr sei ein Konflikt entstanden, dass dieses stereotype Leben nicht ihr eigenes ist. Zu diesem Zeitpunkt kennt die junge Frau den Begriff "trans" schon und weiß was dahintersteckt. Sie habe sich eingeredet, dass das lediglich interessant für sei. Allerdings hat es eine Menge Anzeichen dafür gegeben, dass auch sie trans ist, sagt sie. So hat Taucher sich Online-Accounts des weiblichen Geschlechts erstellt und hat versucht damit viele Dinge nachzuholen, die sie verpasst hat. Zum Beispiel die weibliche Pubertät.

Ein paar Monate später spricht sie mit ihrer Frau über ihr persönliches Empfinden und ihre Gefühle – es ist ein schweres, tränenreiches Gespräch. Doch die Beziehung der beiden bleibt bestehen. "Egal was mit mir körperlich passiert, ich bleibe derselbe Mensch", stellt Taucher damals gemeinsam mit ihrer Partnerin fest.

Operation als Befreiung

Ihre Transition beginnt Josephine mit der Beratung in einem Verein für trans Personen. Sie sucht sich einen Therapieplatz und beginnt am Wochenende und zu besonderen Anlässen ihre weibliche Identität auszuleben. Doch so rutscht sie immer mehr in ein Doppelleben. Im Job führt sie ihr männliches Leben androgyner weiter. Sie lässt sich ihre Haare wachsen, trägt engere Klamotten und keinen Bart mehr. Dann kommt der Abend im Jahr 2016, an dem sie beschließt, dass sie offen als Frau leben möchte. Schnell outet sie sich vor ihren Eltern, vor allem ihr Vater hatte Probleme damit zu verstehen, was in Josephine vorgeht und was ihre Entscheidung bedeutet. Die Familie von Josephines Partnerin wirft ihr vor, sie habe ihre Frau in die Ehe getrickst, weil sie bei der Hochzeit noch ein Mann gewesen ist.

Die gebürtige Vohenstraußerin macht eine Stimm- und Hormontherapie für eine höhere Stimme. Es folgt eine Bartepilation und eine geschlechtsangleichende OP, um ihren Körper mehr an ihr Inneres anzugleichen. Sie betont: "Es wäre völlig falsch zu sagen, dass eine Person, die keine OP machen lässt weniger trans ist. "Der Eingriff ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, die Ampel-Regierung hat die Hürden für die Operation etwas gelockert. Es ist immer noch ein halbes Jahr Gesprächstherapie und ein Jahr "Alltagserprobung im neuen Geschlecht" nötig. Unter bestimmten Gesichtspunkten übernimmt die Krankenkasse den Eingriff. "Das war eine Art Befreiung aus einem Gefängnis", berichtet Josephine über ihr neues Körpergefühl nach der Operation.

Auch ihren Personenstand und ihren Namen ließ Josephine Taucher offiziell ändern. Heute sind die beiden Änderungen in einem möglich. Bis 2011 war eine Personenstandsänderung nur nach einer geschlechtsangleichenden Operation möglich. Für die Änderungen sind ebenfalls therapeutische Gutachten nötig. Trotz Personenstandsänderung ist Josephine in der Geburtsurkunde ihres Kindes bis heute als Mann eingetragen.

Großer Kinderwunsch

Josephine und ihrer Partnerin haben sich im Grunde schon immer Kinder gewünscht – am liebsten zwei. Josephine habe sich schon früh damit arrangiert, dass sie keine Kinder auf natürlichem Weg bekommen kann und dass es auch keine Garantie gibt, dass es jemals funktioniert. "Es wäre an manchen Stellen bestimmt der leichtere Weg gewesen, wenn man gesagt hätte, man könnte auch anders glücklich werden", meint sie.

Die dritte Folge "Zeit für Pride mit Josephine"

Adoption ist für sie und ihre Partnerin nie eine wirkliche Option, denn Josephines Frau hat schon immer den Lebenstraum von eigenen Kindern. Diesen Wunsch stellt sie auch als Bedingung für Josephines Transition, denn durch Hormontherapien und durch eine geschlechtsangleichende Operation ist die Zeugungsfähigkeit nicht mehr gegeben. Deshalb entscheidet das Paar, dass Josephine ihre Hormontherapie möglichst weit hinauszögern soll, damit sie noch davor gemeinsam versuchen können schwanger zu werden. Außerdem friert Josephine ihre Spermien ein, um auch nach ihrer OP noch Kinder zeugen zu können. Im Anschluss beginnt das Paar eine Kinderwunschbehandlung, die zur Hälfte von Krankenkassen übernommen wird – allerdings nur bei hetero Paaren. Da Josephine zu diesem Zeitpunkt ihren Personenstand noch nicht geändert hat, gelten die beiden auf dem Papier noch als hetero Paar. Nachdem Josephine ihren Personenstand geändert hat, verfällt auch die Förderung der Krankenkasse für die Behandlung. Allerdings bekommen die beiden ihre Kinderwunschbehandlung doch noch in Teilen finanziert, da Josephine der Klinik den entsprechenden Paragrafen aus dem Sozialgesetzbuch vorlegt. Dort heißt es, dass die Samen- und Eizellen von Ehegatten für die Kinderwunschbehandlung vorhanden sein müssen, damit diese von der Krankenkasse übernommen wird. Da das bei Josephine und ihrer Frau der Fall ist, bezahlt die Krankenkasse die Behandlung letztendlich doch.

"Haben auf Zeit gespielt"

Schließlich ist Josephines Partnerin im November des Jahres 2017 zum ersten mal mit Zwillingen schwanger gewesen. Allerdings erleidet sie wegen der Hormonbehandlung im Rahmen der Schwangerschaft ein Überstimulationssyndrom. Dadurch lagert sich Wasser überall am Körper an, unter anderem auch an wichtigen Organen, wie der Lunge. Kurz vor Weihnachten kann das Paar die Klinik verlassen. "Das ist ein sehr schönes Weihnachten gewesen", erinnert die junge Frau sich und lächelt kurz. Allerdings hält das Glück nicht lange an, denn schon bald ergeben sich Komplikationen bei der Schwangerschaft und Fruchtwasser tritt aus der Fruchtblase aus, womit das Infektionsrisiko maßgeblich ansteigt. "Ab da haben wir nur noch auf Zeit gespielt", erklärt Josephine mit brüchiger Stimme. Mit einem Not-Kaiserschnitt kommen die beiden Babys als Frühchen zur Welt. Wenige Tage später sterben sie auf der Frühchen-Intensivstation. Während diesem Satz steigen Josephine Tränen in die Augen.

Doch das Paar gibt nicht auf und versucht weiterhin ein Kind zu bekommen. "Ich war jedes mal enttäuscht, wenn der Test wieder negativ war", sagt Josephine. Letztendlich lohnen sich alle Strapazen, denn vor etwas weniger als zwei Jahren hat Josephines Frau ein Kind zur Welt gebracht. "Dieses Gefühl, haben wir das gemacht? Ja, das haben wir gemacht! Das war unglaublich", erinnert Josephine sich strahlend.

Als Vater in Geburtsurkunde eingetragen

Sie ist bis heute als Vater in die Geburtsurkunde ihres Kindes eingetragen. Grund dafür sei das altmodische deutsche Abstammungsrecht, erklärt Taucher. Denn in Deutschland ist es nicht möglich ein gleichgeschlechtliches Paar als Elternteile eines Kindes einzutragen. Die Alternative wäre gewesen, dass Feld in der Geburtsurkunde leer zu lassen und das Kind zu adoptieren. Das verfahren sei jedoch sehr langwierig und sollte Josephines Partnerin in der Zwischenzeit etwas schlimmes passieren, beispielsweise ein Unfall, wäre das Kind Vollwaise. "Ich bin ein Elternteil dieses Kindes, ich sollte nicht russisch Roulette spielen müssen, ob mein Kind tatsächlich mein Kind ist", echauffiert sie sich.

Auch in der Oberpfalz sieht Taucher noch viel Handlungsbedarf. "Gerade Selbsthilfestrukturen für queere Gruppierungen, also für sexuelle und geschlechtliche Minderheiten, die gibt es einfach in der Fläche nicht." Insbesondere die Politik könne noch mehr tun, wenn sie wollte, unterstreicht Josephine.

Oberpfalz14.10.2022
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Das ist...:

Josephine Taucher

  • Pronomen und Identität: sie/ihr, trans Frau
  • Alter: 35
  • Geburtsort: Vohenstrauß
  • Wohnort: Erlangen
  • Beruf: Chemieingenieurin bei der Stadt Nürnberg
  • Lebensmotto: "In einer perfekten Welt wäre das so und so, ABER…"

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