Ihre Haare sind grün, pink oder blau – Karliis Make-Up auffällig. Sie schminkt sich jeden Tag, mit knalligen Farben. Ihr Styling gehört zu ihrer Identität, aber nicht zu ihrem biologischen Geschlecht. Karlii ist nicht-binär*, also weder männlich noch weiblich. Ihr Name ist nicht der, der im Personalausweis steht. Mit ihrem Geburtsnamen kann sie sich nicht identifizieren. Das Pronomen "sie/ihr" dürfen wir aber verwenden.
Karlii ist 22 Jahre alt und studiert Biologie und Chemie auf Lehramt für Gymnasien in Regensburg. Seit vier Jahren wohnt sie dort, fühlt sich dort zuhause. Ursprünglich kommt sie aus dem katholisch geprägten Eichstätt nahe Ingolstadt. Biologie und Chemie zu studieren, stand für sie bereits seit der neunten Klasse fest – und nicht nur, weil sie die Themen interessieren. "Meine Lehrerin war offen queer, hatte Tattoos und Piercings. Sie gehört bis heute zu meinen größten Idolen", erzählt sie. "Sie hat ihre Geschlechtsidentität vor ihren Schüler:innen offen gezeigt und zu Schulfeiern auch immer ihre Freundin mitgebracht. Das habe ich bewundert."
Die vierte Folge "Zeit für Pride" mit Karlii
Karlii hat sich schon in der Kindheit mit den Begriffen "Mädchen" und "Tochter" nicht wohlgefühlt. Das Label "nicht-binär*" gebe ihr die Freiheit, keine Frau sein zu müssen. "Das Pronomen ist mir egal, solange die Leute akzeptieren, dass ich nicht weiblich bin, auch wenn ich so aussehe", sagt sie. "Ich präsentiere mich als weiblich gelesene Person, weil es mir gefällt. Nicht-binär* bedeutet nicht sofort, geschlechtsneutral herumlaufen zu müssen." Das bunte, auffällige Styling sei wichtig, um von anderen queeren Menschen erkannt zu werden, erklärt Karlii. "Es zeigt meine extrovertierte Persönlichkeit, aber nicht meine sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität."
Outing bei Familie und Freund:innen
Ihre Geschlechtsidentität hat Karlii ihrer Familie noch nicht offenbart, aus Angst vor Ablehnung. Mit ihrer sexuellen Orientierung geht sie offener um. "Meine Eltern wissen, dass ich nicht hetero bin und finden das okay", sagt sie. Allerdings habe sie sich als bi- und nicht als pansexuell geoutet, was sie eigentlich ist. "Bi ist einfacher zu erklären. Da magst du Männer und Frauen. Pansexualität bedeutet, mir ist es egal, ob jemand männlich, weiblich, nicht-binär*, transsexuell oder was auch immer ist", sagt sie. "Dass meine Eltern über den Podcast herausfinden, was Sache ist – davor habe ich keine Angst. Ich habe nur Angst, dass sie denken, ich hätte ihnen jahrelang etwas verheimlicht."
Geoutet hat sie sich vor zwei Jahren zuallererst bei ihrem Bruder. "Er war damals 15 Jahre alt und hat blöde Bemerkungen über queere Menschen gemacht. Ich musste ihm zeigen, dass es solche Leute nicht nur im Film gibt, sondern auch direkt vor seiner Nase." In der Uni und ihrer queeren Community wissen die meisten Bescheid.
Vorbild für Schüler:innen
Das LGBTQ-Thema sei noch nicht in allen Köpfen angekommen, sagt sie. Deswegen engagiere sie sich auf dem Campus für Aufklärung. Und das fängt bereits beim Namen an. "Alle meine Dozent:innen nennen mich Karlii. Kein Vorname, kein Nachname. Einfach nur Karlii. Wenn mich jemand mit meinem Geburtsnamen anspricht, ist das nämlich wie ein kleiner Stich ins Herz." Die 22-Jährige möchte sich offen zeigen und später, wenn sie Lehrer:in ist, ein Vorbild für ihre Schüler:innen sein. "So wie meine Lehrerin für mich damals." Sie wünsche sich, dass in der Schule die Themen "Sexuelle Orientierung" und "Geschlechtsidentität" genauer behandelt werden – vor allem im Sexualkundeunterricht. "Ich muss mich hauptsächlich an den Lehrplan halten, für Fragen werde ich aber immer zur Verfügung stehen. Für queere, aber auch für nicht queere Schüler:innen."
Karlii hofft, dass es in den kommenden Jahren einfacher wird, sich als queere Person in der Gesellschaft wohlzufühlen. Nur weil gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland kirchlich heiraten dürfen, sei der Kampf noch lange nicht vorbei. "Ich selbst fühle mich in der Oberpfalz gut aufgehoben und merke, wie bunt es hier teilweise ist", sagt sie. "Ich habe schon so viele, coole queere Persönlichkeiten kennenlernen dürfen und bin dafür dankbar. Es gibt so viele junge Menschen, die sich nicht scheuen, ihre Persönlichkeit nach außen zu tragen."
Karlii
- Pronomen und Identität: keine oder sie/ihr; nicht-binär*
- Sexuelle Orientierung: pan, polyamor
- Alter: 22
- Wohnort: Regensburg; gebürtig aus Eichstätt
- Beruf: Student:in Lehramt für Gymnasien; Fächer: Bio und Chemie

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