Frankreich steht still, seit Dienstagmittag, 12 Uhr. Die Regierung hat eine landesweite Ausgangssperre verhängt. Nur noch wenige Gründe gibt es, draußen unterwegs sein zu dürfen. "Die Leute sind teilweise in Panik", schildert May Laviale, Französin aus Périgueux am Telefon die Situation in ihrer Heimatstadt. Im Hamstern unterscheiden sich ihre Landsleute überhaupt nicht von den Deutschen: Auch sie kaufen derzeit massenhaft haltbare Grundnahrungsmittel wie Nudeln und Reis. Und, wer hätte das gedacht, Toilettenpapier.
May Laviale ist am Dienstagmorgen regulär zu ihrer Arbeit in einem Autohaus gegangen. Am Abend vorher hatte Frankreichs Präsident Emanuel Macron drastische Maßnahmen im Fernsehen angekündigt: In ganz Frankreich herrscht Ausgangssperre. Ab Dienstag, 12 Uhr. Deshalb machte sich May Laviale am Dienstag um kurz nach 11 Uhr auf den Heimweg. Eine Dreiviertelstunde braucht sie dafür. Um kurz vor 12 Uhr kam sie daheim an. Einkaufen wird sie an diesem Tag nicht mehr, sagt sie. Auf der Fahrt nach Hause sah sie die vollen Supermarkt-Parkplätze, die langen Schlangen, derer, die mit Einkaufswagen vor den Discountern warten, als gäbe es kein morgen mehr. May Laviale hat erfahren, dass ihre Landsleute mitunter bis zu 30 oder 45 Minuten in der Warteschlange ausharren müssen, bis sie in Supermärkte eingelassen werden.
"Wir bleiben zu Hause"
"Wir bleiben zu Hause", sagt sie über den Nachmittag am Tag eins der Ausgangssperre in Frankreich. Mit sie meint sie sich und ihren Freund Jeremy. Ende Juli will das Paar heiraten. Die Zeit, in der es nicht raus darf, will es für die Hochzeitsvorbereitungen nutzen - in der Hoffnung, dass sich bis Juli das Leben normalisiert und zur Trauung auch die Verwandtschaft aus der Karibikinsel Martinique und eine Freundin aus der Oberpfalz, bei der May Laviale schon öfters zu Besuch war, anreisen können. "Wir werden jetzt unsere Garage aufräumen", gewinnt die junge Französin dem staatlich verordneten Daheimbleiben etwas Positives ab.
Will sie raus, braucht sie dafür einen schriftlichen Nachweis. Die entsprechenden Formulare, die man mit Namen, Anschrift und Geburtsdatum versehen muss, sehen laut May Laviale nur fünf zwingende Gründe vor. Die Hin- und Rückfahrten zur Arbeitsstätte, wenn dies unbedingt erforderlich ist, zählt ebenso dazu wie der Einkauf von Lebens- und Arzneimitteln. Ebenso erlaubt sind der Gang zum Arzt. Raus darf man auch, wenn man sich um gebrechliche Angehörigen kümmern oder Kinder betreuen muss. Die Franzosen dürfen außerdem das Haus verlassen, um spazieren zu gehen oder den Hund auszuführen. "Das darf man schon, aber eben alleine", sagt May Laviale. Sie erzählt, dass Joggen erlaubt ist, Fußball in der Gruppe nicht.
Küsschen sind jetzt verpönt
Seit zwei Wochen dürfen die Franzosen keine Menschen, die im Krankenhaus liegen, mehr besuchen. Gleiches gilt für die Senioren im Altenheim. "All diese Einrichtungen sind für Besucher gesperrt", sagt die junge Französin. Seit Samstag sind die Geschäfte, die nicht der Grundversorgung der Menschen dienen, geschlossen, ebenso Cafés und Restaurants. Weiter erzählt May Laviale, dass seit Montag Universitäten, Schulen und Kitas dicht sind. Für Franzosen ist es üblich, sich mit Wangenküsschen zu begrüßen. May Laviale schildert, dass auch diese "Bises", wie die Franzosen sie nennen, seit etwa zwei Wochen wegen Corona verpönt sind. Selbst in Läden des täglichen Bedarfs wie zum Beispiel Supermärkte, Bäckereien oder Metzgereien werden Menschen nicht zeitgleich unbegrenzt eingelassen.
Der Staat greift hart durch
Der französische Staat ist gewillt, hart durchzugreifen, wenn die Ausgangssperre nicht befolgt wird. 38 Euro kostet es laut May Laviale derzeit, wenn man ohne das mitzuführende Papier und aus nichtigem Grund unterwegs ist. Zwei Wochen lang schränkt der französische Staat wegen des exponentiellen Wachstums des Coronavirus die Bewegungsfreiheit seiner Bürger ein. "Minimum zwei Wochen", sagt May Laviale und es klingt, als würde sie sich auf eine längere Auszeit von sozialen Kontakten und dem bisherigen Alltagsleben einrichten.
Hervé Chassain, der seit fast 40 Jahren als Journalist arbeitet, lebt seit 20 Jahren in Périgueux. Aber so leer hat er seine Stadt noch nie gesehen. Am Dienstag, dem Tag, als ab Punkt 12 Uhr in ganz Frankreich eine Ausgangssperre galt, hatte er frei. Morgens ging er in die Bäckerei, um Brot zu holen. Bäckereien dürfen offen haben, allerdings bedienen die Verkäuferin mit Mundschutz. Kunden, die anstehen, müssen einen Sicherheitsabstand von einem Meter zum Vordermann halten. Gezahlt wird mit Karte, nicht mehr mit Bargeld. "Aber die Franzosen zahlen sowieso viel mehr mit Karte als die Deutschen", sagt Chassain. Journalisten, die einen Presseausweis haben, dürfen trotz der Ausgangssperre arbeiten. Das französische Innenministerium will deren Arbeit nicht behindern, erklärt Hervé Chassain. Eine freie Presse soll in Frankreich auch in Krisenzeiten gelten.
Verstoß kostet 38 Euro
Wer in Frankreich gegen die Ausgangssperre verstößt, ohne einen triftigen Grund wie Einkauf oder Arztbesuch hat, und erwischt wird, muss eine Strafe zahlen: 38 Euro. Am Dienstag bat die Polizei laut Chassain die Bürger in Périgueux noch nicht zur Kasse. "Sie wurden lediglich ermahnt, das zu unterlassen." Aber ab Mittwoch bleibt es nicht mehr bei freundlichen Belehrungen, da wird bei Verstößen rigoros abkassiert. In den großen Supermärkten ist die Zahl derer, die gleichzeitig einkaufen dürfen, reglementiert: Mehr als 100 Menschen dürfen es nicht sein. "Die anderen müssen einstweilen draußen warten."
Zelte für Verdachtfälle
In der Nacht zum Dienstag wurden vor dem Eingang zur Notaufnahme des Klinikums in Périgueux Zelte aufgestellt. Dort werden künftig Patienten empfangen, bei denen ein Verdacht auf Covid-19 besteht. Im gesamten Département der Dordogne, dessen Hauptstadt Ambergs französische Partnerstadt Périgueux ist, gibt es nach Angaben von Hervé Chassain insgesamt acht bestätigte Infektionen mit dem Coronavirus – bei 409 548 Einwohnern. „Der Südwesten Frankreichs ist nur sehr wenig vom Coronavirus betroffen“, erklärt der Redakteur der Tageszeitung Sud Ouest. Ganz anders sehe es im Elsass und Lothringen aus, „Dort ist es wirklich sehr schlimm. Da gibt es enorm viele Infizierte.“
Wie der Journalist weiß, werden drei der mit Corona infizierten Patienten im Krankenhaus von Périgueux behandelt. Die anderen Infizierten befinden sich seinen Worten nach in häuslicher Quarantäne.
Wahl-Ergebnis aus Périgueux
Auch in Ambergs französischer Partnerstadt wurde am Sonntag gewählt. Wahlberechtigt in Périgueux (30 036 Einwohner) waren 17 977 Bürger. Lediglich 7754 von ihnen machten von diesem Recht gebraucht, was einer Wahlbeteiligung von 43,13 Prozent entspricht.
Acht Kandidaten des kompletten politischen Spektrums hatten Listen für die Wahl eingereicht – von Konservativen bis zu Sozialisten. Mit der Ausnahme, dass in Ambergs Partnerstadt der rechtspopulistische Front National, der sich in Rassemblement National (Nationale Vereinigung) umbenannt hat, nicht zur Kommunalwahl angetreten war. Mit 19,15 Prozent (1439 Stimmen) setzte sich Amtsinhaber Antoine Audi von der rechtskonservativen Partei „Les Républicains“, also Frankreichs bürgerliche Rechte, bei der ersten Runde der Kommunalwahl an die Spitze. Platz zwei eroberte Delphine Labails von der sozialistischen Partei (Parti socialiste). Sie errang 17,37 Prozent, was 1305 Stimmen entspricht.
Périgueux’ früherer Bürgermeister Michel Moyrand, der ab 2008 Bürgermeister war und 2014 von Audi abgelöst wurde, landete auf dem vierten Platz. Der Kandidat der politischen Linken (divers gauche) erreichte 13,73 Prozent (1032 Stimmen). Da in Périgueux niemand die absolute Mehrheit erreichte, wäre eine zweite Runde für Sonntag, 22. März, vorgesehen gewesen. Diese wurde nun wegen der rasanten Ausbreitung des Coronavirus landesweit auf Sonntag, 21. Juni, verlegt. Dabei dürfen alle Listen antreten, die im ersten Wahlgang mehr als zehn Prozent der Stimmen erreicht hatten. In Ambergs französischer Partnerstadt sind dies fünf.
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