Sühnekreuze gehen auf die von den Germanen praktizierte Blutrache zurück, die Tötung eines Angehörigen musste blutig gerächt werden. Bei Totschlag, also bei Tötung im Affekt im Gegensatz zum vorsätzlichen Mord, wurde, beginnend im 13. Jahrhundert, die Blutrache durch Zahlung eines Wergeldes, eines bestimmten Geldbetrages, abgelöst. Demnach war statt Strafe Wiedergutmachung angesagt.
Das Begräbnis und der Leichenschmaus waren vom Täter zu bezahlen und er musste die Familie des Verstorbenen für den Verlust des Angehörigen, also für den Verlust des Ernährers oder der Arbeitskraft, finanziell entschädigen. War er dazu nicht in der Lage, kamen seine Angehörigen in die Pflicht.
Doch es galt auch, sich um das Seelenheil des Getöteten zu kümmern, zumal dieser, ohne die Sterbesakramente zu erhalten verstorben war. Der Täter oder dessen Angehörige mussten Seelenmessen lesen lassen, Wachskerzen stiften oder gar eine Wallfahrt nach Rom oder Santiago de Compostela ausrichten.
Schließlich galt es, am oder in der Nähe des Tatortes, in der Regel an vielbefahrenen Handelsstraßen oder Straßenkreuzungen, ein sogenanntes Sühnekreuz aufzustellen. Vorbeikommende sollten des Toten gedenken, für sein Seelenheil beten. Für den Täter ist das Kreuz eine Bitte um Vergebung. Die Verwandten des Getöteten hatten einen Eid zu leisten, dass sie sich jeder Rachehandlung enthalten. Sie mussten Urfehde schwören. Meist wurde hierüber ein Urfehdevertrag abgeschlossen. So geht zum Beispiel aus einer Urkunde aus dem Jahr 1525 hervor, dass Michael Fengk, Müller, den Konz Sengl, Fischer, beide aus Wildenau, in Notwehr getötet hat. Der Täter einigte sich mit der Witwe des Getöteten und dem Vormund derer Kinder, nachdem diese dem Hofmeister und Rat Heinrich Nothafft "mit handgebenden Treuen gelobt" hatten, auf folgende Sühne: Michael Fengk musste in der Pfarre zu Luhe sechs Wachskerzen stiften, ein gesungenes Vigil und Seelamt mit fünf gelesenen Messen verordnen und ausrichten.
Weiter hatte er ein steinernes Kreuz im Wert von etwa zwei Gulden anfertigen und nach Weisung der Witwe und des Vormundes setzen zu lassen. An die Witwe und deren Kinder waren 42 Gulden in drei Raten zu zahlen. Schließlich musste Fengk sein Hab und Gut verkaufen und Wildenau für ein Jahr verlassen.
Entzog sich der Täter diesen Verpflichtungen, wurde er geächtet. Er war rechtlos, jeder konnte ihn töten. Seinem Leichnam stand kein ordentliches Begräbnis zu, man überließ ihn im wahrsten Sinne des Wortes, wie einen Gehängten oder Geräderten, den Galgenvögeln zum Fraße.
Überträgt man das Geschehen in der Neuzeit, für das statistische Aufzeichnungen vorhanden sind, in das Mittelalter, war Totschlag häufiger als Mord. So wurden in den Jahren 1873 bis 1875 vor dem Gericht in Amberg 16 Fälle wegen Totschlags, jedoch "nur" elf wegen Mordes verhandelt.
Mit Einführung der "Peinlichen Halsgerichtsordnung", der Constitutio Criminalis Carolina Kaiser Karls V. 1532, kam zumindest theoretisch das Ende dieser Art der Sühne. Gefordert wurde nun ein ordentliches Gerichtsverfahren. Der Brauch, Sühnekreuze aufzustellen wurde dann von Marterln, die an das Geschehen erinnern und den Vorbeikommenden zu einem Gebet anhalten sollten, abgelöst.
Sühnekreuze fallen wie auch Wetter-, Pest-, Weg- oder Schwedenkreuze unter den Oberbegriff "Steinkreuze". Meist sind sie schmucklos, was eine Zuordnung erschwert. Bei wenigen Kreuzen ist die Tatwaffe eingeritzt, nie Schriftzeichen. Wozu auch, da die am Kreuz Betenden meist des Lesens nicht kundig waren. Gefertigt wurden die Kreuze aus dem in der Region vorkommenden Gestein, in der Oberpfalz Granit, Kalk- oder Sandstein.
Oft ist eine Zuordnung, vor allem bei den sogenannten Schweden- oder Hussitenkreuzen, schwierig. So hatte die Bevölkerung nach Jahrhunderten keine Erklärung mehr für die Entstehung und ordnete sie kriegerischen Ereignissen zu. Nicht nur Straßenverlegungen und Straßenbauarbeiten oder dem Umstand, dass sie dem Bauer bei der Feldarbeit im Wege standen, fielen viele Steinkreuze zum Opfer. In der Oberpfalz spielt auch die religionsgeschichtliche Entwicklung eine Rolle, das heißt in der einstigen Jungen Pfalz sind im Vergleich zur rheinischen, später bayerischen Oberpfalz weitaus weniger Steinkreuze erhalten geblieben. Der (heutige) für Bodendenkmalpflege im Landkreis Amberg-Sulzbach zuständige Kreisheimatpfleger, Mathias Conrad, spricht in seiner 1992 diesbezüglich erschienenen Veröffentlichung von 16 noch existenten, heute großteils restaurierten Steinkreuzen im Landkreis.
Zahlreich ist die Literatur zum Thema, so zum Beispiel die vom Verein Deutsche Steinkreuzforschung oder, aus der Region, in den Publikationen des Vereins für Flur- und Kleindenkmalforschung in der Oberpfalz e.V. (www.afo-regensburg.de) und in unzähligen Arbeiten der Heimatforscher und -pfleger.
Vereinzelt findet auch eine Erwähnung in den Kunstdenkmälern für Bayern statt. Einstiges Geschehen dokumentieren auch zahlreiche Flurbezeichnungen. (ddö)
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