Es sind wohl die einzigen Bewegtbilder, die vom berüchtigten NS-Kreisleiter Artur Kolb überhaupt existieren. Zu sehen sind sie im 80 Jahre alten Film, den Siegfried Feuerer Anfang des Jahres in die Redaktion der Amberger Zeitung gebracht hat. Der Streifen befand sich da schon viele Jahrzehnte in seinem Besitz, er war bei der Dachrenovierung des alten Schulhauses von Winbuch (Gemeinde Schmidmühlen) gemeinsam mit vielen anderen aufgetaucht.
Nach der Digitalisierung war der Film zum ersten Mal nach vielen Jahrzehnten wieder zu sehen. Das Interesse war groß, sogar das Bayerische Fernsehen meldete sich bei Oberpfalz-Medien, weil es die Szenen mit Kreisleiter Artur Kolb für eine Dokumentation über das jüdische Leben in Amberg und Sulzbach-Rosenberg anhand der unlängst restaurierten Thorarolle verwenden wollte (Sendetermin: BR-Fernsehen, Mittwoch, 20. Oktober, 22 bis 22.45 Uhr).
Weitsprung-Training in Zeiten des Nationalsozialismus
Ungeklärt ist aber immer noch, wie die Filmrollen, an die sich Siegfried Feuerer aus seiner Kindheit erinnert, überhaupt auf den Dachboden der Schule in Winbuch gekommen sind. Denn tatsächlich gab es laut Feuerer im Dorf bis 1952 überhaupt keinen elektrischen Strom. Damit würde aber die Möglichkeit ausscheiden, dass die Winbucher Schulkinder diese Filme im Rahmen ihres Unterrichts angeschaut haben.
Zweiter Film aufgetaucht
Die meisten der Zelluloid-Streifen sind nach ihrem Fund im Laufe der Jahrzehnte verloren gegangen. Nur Siegried Feuerer hat den Film mit Kreisleiter Kolb über die lange Zeit aufgehoben, um ihn Anfang 2021 in die Redaktion der Amberger Zeitung zu bringen, weil irgendwie doch herausfinden wollte, was darauf zu sehen ist. Nun hat Siegfried Feuerer tatsächlich noch einen zweiten dieser verschollenen Filme gefunden. Auch er gehört zu denen vom Dachboden, allerdings kann er nicht mit sensationellen Aufnahmen aufwarten.
Der erste Film war eine kleine Sensation
Offenbar handelt es sich um einen Lehrfilm über das Weitspringen. Deutlich erkennbar in der Zeit des Nationalsozialismus gedreht. Athletische junge Männer mit nackten Oberkörpern werden im militärischen Drill von ihrem Lehrer oder Trainer in die Kunst des Weitspringens eingewiesen. Doch bevor es damit los geht, springt eine Gruppe an junger Leute in freier Natur über einen Wassergraben. Etwas, das Kinder bis heute gerne machen. Pech für den letzten der Springer: Er schafft es zwar auf das gegenüberliegende Ufer – doch dann fällt er rückwärts ins Wasser und wird nass. Wie lange er sich wohl das Gespött seiner Kameraden anhören durfte?
Weiten über sechs Meter
Wo der Film gedreht worden ist, lässt sich nur schwer rekonstruieren. Gebäudeteile im Hintergrund lassen am ehesten auf einen Trainingsplatz in der Nähe des Berliner Olympiastadions schließen – doch ist das reine Spekulation. Jedenfalls lernen diejenigen, die sich diesen Film anschauen, wie man vor rund 80 Jahren den Weitsprung trainiert hat. Was sich von den heutigen Techniken nicht so sehr unterscheidet. Bei den jungen Männern scheint es sich jedenfalls um leistungsorientierte Sportler zu handeln, da sie ohne große Mühe Weiten über sechs Meter erzielen.
Ungeachtet der Tatsache, dass es sich bei diesem Film nicht um einen absoluten Volltreffer handelt, würden wir von Oberpfalz-Medien uns natürlich freuen, wenn mehr von solchen Filmen auftauchen würden. Auch wenn die Digitalisierung relativ teuer ist, sollten diese Zeitdokumente nicht verloren gehen. Besonders Filme, die in unserer Region gedreht worden sind, sind unersetzliche Dokumente für eine längst vergangene Zeit. Wer also alte Streifen, die mit Amberg oder dem Landkreis Amberg-Sulzbach in Verbindung stehen, auf dem heimischen Dachboden findet oder seit Jahrzehnten in staubigen Schachteln hortet – wir sind immer aufgeschlossen.
Ansprechpartner
- Redakteur Andreas Ascherl ist unter der Telefonnummer 09621/306-252 zu erreichen
- E-Mail-Adresse: andreas.ascherl[at]oberpfalzmedien[dot]de
Kommentare
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.