Die Uhr rückte am Montagabend schon gefährlich Richtung Sperrstunde, als der Stadtrat sich ein Herz nahm und den Tagesordnungspunkt nach vorne zog, wegen dem die 29 Bewohner der Siedlung am Postweiher gekommen waren. Bekanntlich beabsichtigen die Stadtwerke, auf dem freien Acker direkt neben dem Postweiher auf rund 7,2 Hektar eine Freiflächen-Photovoltaikanlage zu errichten. "Wir haben verschiedene Flächen geprüft, diese ist am Ende übrig geblieben", begründete Stadtwerke-Chef Stephan Prechtl am Montag die Standortentscheidung. Das Areal liege zudem günstig in der Nähe eines Netzanschlusses und es entstehe in unmittelbarer Nachbarschaft ein Gewerbegebiet als potenzieller Stromabnehmer.
Nahe an der Wohnbebauung
Den meisten Anwohnern draußen am Postweiher passt dieser Standort so nahe an der Wohnsiedlung aber überhaupt nicht. Sie fürchten unter anderem, künftig statt auf den Wald auf eine schwarze Glasfläche schauen zu müssen. Schon im Vorfeld der Stadtratssitzung hatte die CSU-Fraktion angesichts des drohenden Widerstands betont, sie werde sich die Entscheidung nicht leicht machen und selbstverständlich im Aufstellungsverfahren sehr sorgfältig die Argumente pro und contra abwägen. CSU-Fraktionsvorsitzender Matthias Schöberl redete noch kurz vor der Sitzung draußen vor dem ACC wild gestikulierend auf die Besucher vom Postweiher ein, um ihnen den Standpunkt seiner Fraktion zu erläutern.
Die Sitzung selbst brachte dann aber wenig Überraschungen. Mit sechs Gegenstimmen votierte das Gremium dafür, das Aufstellungsverfahren Amberg 156 "Photovoltaik-Freiflächenanlage Am Gewerbegebiet West" einzuleiten. Einzig Dieter Amann (SPD), Florian Fuchs (SPD), Klaus Ebenburger (Grüne), Eberhard Meier (FW), Aydin Ayten (Amberger Bunt) und Emilie Leithäuser (FDP) scherten mit ähnlicher Argumentation aus: falscher Standort, zu nahe an der Wohnbebauung und am Naturschutzgebiet.
Geht es nur ums Geld?
"Die Entfernung zu den ersten Häusern ist eine Zumutung", sagte beispielsweise Dieter Amann, der zudem die Vermutung aussprach, es gehe wieder einmal nur um das liebe Geld bei der Standortwahl: "Man ist gleich am Anschluss dran und dann passt das schon." Dass sie sich ihre Entscheidung nicht leicht gemacht haben, das gaben die Befürworter deutlich zu verstehen. So forderten Helmut Weigl (CSU) und Birgit Fruth (SPD) unisono, die betroffenen Bürger vom Postweiher "mitzunehmen", ihre Einwände zu berücksichtigen und beispielsweise für eine Eingrünung des betroffenen Areals zu sorgen, die diesen Namen auch verdient.
Das sah auch Hans-Jürgen Bumes (Grüne) so. "Aber der Klimawandel wird nicht an uns vorübergehen", begründete er, warum er persönlich für diese PV-Anlage stimmen werde. Im Augenblick sei Photovoltaik eben das einzige "Medium" für Nachhaltigkeit und Energiewende. Auch wenn Uli Hübner (SPD) genau für diese Energiewende in Amberg ein Gesamtkonzept fehlt, votiert er pro Anlage. Umgesetzt werde am Ende ja das, was im Satzungsbeschluss vom Stadtrat erarbeitet werde - und nicht der jetzige Vorentwurf der Stadtwerke.
"Sonst wird es ungemütlich"
Alternative gibt es auch für Matthias Schöberl (CSU) nicht. "Wir bräuchten ungefähr 1000 private Dächer, um diese Anlage zu ersetzen", rechnete er vor. Rechnen kann auch Klaus Mrasek, der darauf hinwies, dass der CO2-Ausstoß auch eines jeden Amberger Bürgers von heute 9,5 Tonnen auf 2,5 Tonnen im Jahr 2035 reduziert werden muss. "Sonst wird es ungemütlich."
Es erging der Appell von Tanja Dandorfer (Amberger Bunt), nach besseren Alternativen für das jetzige Areal zu suchen, es erfolgte das Bekenntnis von Manuel Werthner (FW) für eine dezentrale Energieversorgung und die Gegenrechnung von Martin Frey (Liste Amberg) zu Klaus Mrasek: "Wir werden es mit dieser Anlage allein nicht schaffen." Und der Hinweis von ihm, diese Diskussion werde den Stadtrat wohl künftig immer wieder beschäftigen. "Der Weg wird nicht konfliktfrei werden", schaute Oberbürgermeister Michael Cerny realistisch in die Zukunft. Dann stimmte das Gremium ab, es war Sperrstunde und die Bürger vom Postweiher waren kein bisschen zufriedener als vorher.
Das ist kein Thema für Populisten
Es ist wahrlich keine leichte Aufgabe, die der Stadtrat in Sachen Postweiher da vor sich hat. Auf der einen Seite erwarten die Bürger, dass ihre gewählten Volksvertreter alles in ihrer Macht stehende gegen den Klimawandel tun. Dazu gehört eben auch die Suche nach alternativen Energien. Und die Photovoltaik ist eine Möglichkeit, den Ausstoß an Kohlendioxid zu reduzieren. Auf der anderen Seite stehen die Interessen der Postweiher-Anwohner, die verständlicherweise keine Monster-PV-Anlage vor ihrer Haustüre haben wollen. Sie haben ihre Häuser in ein grünes Idyll gebaut, jetzt folgt ihnen ein Gewerbegebiet und womöglich auch noch eine große Photovoltaik-Anlage. Hier ist große Sensibilität gefragt. Hier gilt es, alle Alternativen auszuloten, bevor es zu einer Entscheidung kommt. Populisten, wie es sie leider auch im Amberger Stadtrat genug gibt, sind hier fehl am Platz. Die greifen nach der schnellen Stimmung, doch am Postweiher sind Sachverstand und Empathie gefragt.
Andreas Ascherl