Amberg
11.09.2022 - 15:16 Uhr

Verletzt und völlig erschöpft: Als 25 Amberger im Jahr 1535 Geschichte schrieben

Es ist die Geschichte von 25 Ambergern, die im Jahr 1535 Geschichte schrieben, ohne das zu wissen oder auch nur im Ansatz ahnen zu können. Ambergs neuer Stadtarchivar Dr. Andreas Erb liefert bei seinem ersten großen Auftritt die Details.

Der neue Amberger Stadtarchivar Dr. Andreas Erb hatte beim Tag des offenen Denkmals seinen ersten großen öffentlichen Auftritt. Bild: Wolfgang Steinbacher
Der neue Amberger Stadtarchivar Dr. Andreas Erb hatte beim Tag des offenen Denkmals seinen ersten großen öffentlichen Auftritt.

Kein Tag des offenen Denkmals in Amberg ohne einen Vortrag des Stadtarchivars. So zumindest interpretierte Dr. Johannes Laschinger seine Rolle, bis er im April vergangenen Jahres in Ruhestand ging. Sein Nachfolger Dr. Andreas Erb knüpfte am Sonntag, 11. September, an diese Tradition an und referierte im Rathaus bei seinem ersten großen öffentlichen Auftritt über 25 mutige Amberger, die im 16. Jahrhundert Erstaunliches erlebten.

Man schrieb das Jahr 1535, als bei einer Gruppe Amberger Wissbegierde und Abenteuerlust enorm groß waren. Die 25 Männer machten sich auf den Weg zu einer Höhle bei Breitenwinn, einer Wüstung im heutigen Truppenübungsplatz Hohenfels. Da die Strecke mit 30 Kilometern relativ lang war, legten die Männer einen Zwischenstopp ein und übernachteten in Hohenburg. Vor Ort ging es laut Erb aber „nur noch kriechenderweise voran“.

Furchterregender Anblick

Unterirdische Hallen wechselten mit engen Gängen, in denen die Männer immer wieder steckenblieben und einander befreien mussten. Tief in der Höhle kamen sie zu einem Bach. Als der Anführer zur Quelle kriechen wolle, löste sich ein Stein und verwundete einen Mann am Kopf. Der Stadtarchivar weiter: „Allmählich mussten sie merken, dass sie keine weiteren Gänge mehr zum Vorwärtskommen finden.“ Nach sieben Stunden verließen sie völlig erschöpft die Höhle. Der Anblick, den sie boten, muss furchterregend gewesen sein. Ein Soldat, der des Weges kam, hat laut Überlieferung sofort die Flucht ergriffen. So viel zur Vorgeschichte.

„Wesentlich attraktiver sind die 25 Amberger für die Nachwelt“, ließ Erb wissen und erzählte davon, dass Berthold Buchner, einer der Teilnehmer, damals einen Bericht über diese Unternehmung veröffentlichte. Das Werk habe enorme Aufmerksamkeit erhalten. Mehr noch: Buchners Bericht ging in die oberpfälzische Sagensammlung von Franz Xaver von Schönwerth ein. Noch heute gilt die Tat der 25 Amberger laut Erb als Beginn der seriösen Höhlenforschung in der Frankenalb.

Nur ein Name bekannt

Wer aber waren die Männer? Mit vollem Namen bekannt ist lediglich Berthold Buchner, der Verfasser des Berichts. Erwähnt werde außerdem ein namenloser Apotheker, „der Buchner Labung reichen musste, ohne dass klar wird, ob er dies während oder nach der Expedition getan hat“. Erb stellte sich auch die Frage, was die Männer antrieb. Eine Antwort darauf sei schwierig. Vieles liege im Bereich der Spekulation.

Bekannt ist aber der Tag des Ausflugs: „Dass die Expedition am 29. Juni, also am Peter-und-Paul-Tag, stattfand, leitet den Text ein.“ In einen religiösen Rahmen stellten sich die 25 Amberger auch, als sie auf ihrem Weg zur Höhle das Pilgerlied „In Gottes Namen fahren wir“ anstimmten. Darin könne man den Versuch erkennen, sich angesichts der drohenden Gefahren unter Tage „des Wohlwollens des Schöpfers zu versichern und gegen heidnische Abgötter zu wappnen“.

Vermutlich Handwerksgesellen

Plausibel klinge auch die Vermutung, die 25 Amberger hätten sagenhafte Schätze oder wundersame Dinge in der Höhle vermutet, die sie sich aneignen wollten. Der Stadtarchivar dazu: „Tatsächlich hat Schatzgräberei in der Höhlenkunde eine wichtige Rolle gespielt. Sie erreichte ihren Höhepunkt allerdings erst im 17. Jahrhundert.“ Bei den Akteuren handelte es sich höchstwahrscheinlich nicht um Akademiker oder um Angehörige des Gelehrtenstandes. Vermutlich seien es Handwerksgesellen gewesen. Ein Indiz: „Die Publikation des Höhlenberichts erschien nicht in universitären Kontexten als eine gelehrte Abhandlung, sondern als Flugschrift.“ Erb kam zu dieser Schlussfolgerung: „Ihre Expedition sollte keine spezifischen Fragen beantworten, es wurden weder Experimente durchgeführt noch Dokumentationen gefertigt. Ihr Bericht thematisiert überwiegend das eigene Verhalten, die gesehenen Wunder und überstandenen Mühen und Gefahren.“

Mit der Wahl ihrer Worte passten sich die Männer zudem eher an nicht gelehrte Leser an. Die Amberger waren laut Erb neugierig auf die Höhle, „sie wollten aber weder Welträtsel klären noch Experimente durchführen“. Die Funde, die sie machten, nahmen sie als Souvenirs nach Hause, einer Analyse unterzogen sie sie höchstwahrscheinlich aber nicht. Den Heimkehrern blieb folglich nur dieses Mitbringsel - ein bestandenes Abenteuer und somit der Ruf mutiger Männer: „Dass dieser Ruf noch fast 500 Jahre später nachhallte, wird wohl kaum ein Teilnehmer geahnt haben.“ Erb abschließend: „Die Höhle wurde 1951 dreifach vermauert und damit für den Zugang gesperrt, das Areal gehört zum nur schwer zugänglichen Truppenübungsplatz Hohenfels. Ich kann also niemanden dazu ermutigen, den 25 Ambergern auf Schritt und Tritt zu folgen.“ Mit einem Lächeln sagte Erb noch diesen Satz: „Vielleicht aber hat den einen oder anderen ja die Neugierde gepackt, sich auf den Weg zu machen und Unbekanntes zu unserer Region ans Tageslicht zu bringen. Den kann ich sehr wohl ermutigen: Kommen Sie doch ins Stadtarchiv!"

 
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