Amberg
15.03.2022 - 19:51 Uhr

Wohnraum für Flüchtlinge aus der Ukraine könnte bald knapp werden

Weit über 300 Flüchtlinge aus der Ukraine sind bisher in Amberg und im Landkreis Amberg-Sulzbach von den Behörden erfasst worden. Und sie bereiten sich auf einen weiteren Zustrom vor. Über dessen Stärke wird gerätselt.

Von Kristina Sandig, Miriam Wittich und Markus Müller

Bei der Stadt Amberg wurden bis Montagabend 71 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine erfasst. Die Zahl der Schutzsuchenden, die bislang nach Amberg gekommen sind, dürfte aber nach Angaben von Pressesprecherin Susanne Schwab sehr, sehr viel höher sein. Viele nämlich seien tatsächlich privat untergekommen und hätten sich bis dato noch nicht bei der Stadt gemeldet.

Die Verwaltung sei gerade dabei, Notunterkünfte auszuweisen und einzurichten. Da hat die Stadt verschiedene Objekte im Blick, am Dienstag fanden dort Begehungen statt. "Die Notunterkünfte sind in Vorbereitung", sagt Schwab. Bei den privaten Wohnungen, die Bürger für die Unterbringung der Menschen aus dem Kriegsgebiet anbieten, gehe es sehr gut vorwärts. "Wir sind froh um jede Wohnung, die uns noch gemeldet wird", betont Schwab.

Gleichzeitig bittet sie diejenigen, die Wohnungen gemeldet haben, um Verständnis, dass es etwas dauern kann, bis sich die Stadt zurückmeldet. Schließlich müssten die angebotenen Wohnungen auch begutachtet werden. Insgesamt sei in Amberg die Hilfsbereitschaft der Menschen riesengroß. Und Susanne Schwab ist es ein Anliegen, allen, die helfen, eine "großes Dankeschön dafür" zu sagen.

Ziel ist Israel

Auch die Israelitische Kultusgemeinde Amberg beherbergt derzeit Flüchtlinge aus der Ukraine. Am Montag um 5 Uhr waren nach Angaben von Rabbiner Elias Dray 18 Menschen, darunter vier Kinder, in Amberg angekommen.

Für zwei der Frauen ist das nur eine Zwischenstation, sie wollen weiter nach Israel. "Meine Enkel warten dort auf mich", sagte eine der beiden am Montagabend beim gemeinsamen Essen im Saal der jüdischen Gemeinde. Sie wird zu ihrem Sohn ziehen. Der lebt in Ashkelon, einer Stadt im Süden Israels, am Mittelmeer, rund 20 Kilometer von der Grenze zu Gaza entfernt. Ihr Flug ist bereits gebucht, schon am Mittwoch wird sie in einer Maschine nach Tel Aviv sitzen. Die andere Frau mit ihrer zehnjährigen Tochter fliegt am Mittwoch ebenfalls nach Tel Aviv und reist dann weiter nach Haifa.

Technik für Ausweise läuft jetzt

Einer der ersten Schritte der behördlichen Erfassung der Flüchtlinge aus der Ukraine ist die sogenannte PIK-Registrierung. PIK steht für Personalinfrastrukturkomponente und meint die Kerndaten, die für einen biometrischen Ausweis benötigt werden. Also etwa ein Fingerabdruck und ein Foto. Den Ausweis in Form eines kleinen Kärtchens erhalten die Registrierten einige Tage später.

Die notwendige Erfassungstechnik ist mittlerweile im Landratsamt vorhanden und täglich im Betrieb. Auch die Stadt Amberg benutzt sie mit. Für die Flüchtlinge aus dem Landkreis ist es meist der zweite Schritt nach der Meldung bei der Kommune, in der sie angekommen sind. Allerdings besteht für ukrainische Bürger in Deutschland keine Meldepflicht. Sie können erst einmal 90 Tage bleiben und sich völlig frei bewegen, ohne die Behörden informieren zu müssen.

Christine Hollederer, die Pressesprecherin des Landratsamts, geht deshalb davon aus, dass aktuell mehr Ukrainer im Landkreis sind als die offiziell erfassten 249. Diese teilen sich nach dem Wohnort auf in 80 Menschen in der Notunterkunft im Beruflichen Schulzentrum Sulzbach-Rosenberg und 169, die anderweitig untergebracht sind.

193 Wohnungen für Flüchtlinge angeboten

„Wir wissen, dass noch mehr kommen“, begründet Hollederer die Suche nach weiterem Wohnraum durch das Sozialamt. Dem wurden bisher schon 193 Wohnungen für Flüchtlinge aus der Ukraine angeboten. Hollederers Befürchtung: Das reicht womöglich nicht.

Wenn eine größere Menge Flüchtlinge im Landkreis ankommt, erhält das Landratsamt üblicherweise am Tag vorher Bescheid. „Das funktioniert ganz gut“, sagt die Pressesprecherin. Man könne da auch die Erfahrungen mit den hohen Migrantenzahlen im Jahr 2015 nutzen.

Gleichzeitig ist Hollederer klar: „Für die in nächster Zeit zu erwartenden Flüchtlinge müssen wir vom Platz her in Vorleistung gehen.“ Das heißt: Neben der weiteren Suche nach privaten Mietgelegenheiten wird die Notunterkunft in Sulzbach-Rosenberg von 100 auf 120 Plätze aufgestockt. Das ehemalige Schwesternwohnheim am Auerbacher Krankenhaus soll bis spätestens April für die Unterbringung von Ukrainern nutzbar sein. Die Turnhalle des Sonderpädagogischen Förderzentrums in Sulzbach-Rosenberg ist vom Landratsamt für den nächsten Schritt vorgesehen, wenn kurzfristig noch mehr Platz benötigt wird. „Die ist jetzt quasi im Standby-Betrieb“, sagt Christine Hollederer.

In Pfarrhäusern ist Platz

Ansonsten gibt es quer durch die Region neben den privaten Angeboten auch viele Initiativen aus Gemeinden und Kirchengemeinden bzw. Pfarreien. So sind in Neukirchen im evangelischen Gemeindehaus und in privaten Räumen inzwischen 22 Ukrainer untergebracht; vor allem Frauen und Kinder, aber auch ein Mann. Bei dieser Zahl soll es vorläufig bleiben. „Wir wollen da jetzt erst mal konsolidieren und auch niemand überfordern“, sagt der Neukirchener Bürgermeister Peter Achatzi mit Blick auf die große Unterstützung durch viele Helfer.

Die Amberger Paulanergemeinde hat am Montag acht Flüchtlinge im Andreas-Hügel-Haus aufgenommen. Die zwei Familien bestehen aus vier Erwachsenen und vier Kindern. Es wäre auch noch mehr Platz. „Den haben wir der Stadt für die Unterbringung weiterer Ukrainer angeboten“, sagt Pfarrer Joachim von Kölichen. Und er berichtet davon, dass im Dekanat Sulzbach-Rosenberg die leerstehenden Pfarrhäuser in Königstein und Eschenfelden für die Aufnahme von Flüchtlingen hergerichtet wurden.

Kloster Ensdorf nimmt auf

In Michelfeld (Stadt Auerbach) sind zwei Frauen mit ihren Kindern in die seit dem Tod von Ruhestandspriester Georg Braun im November 2021 leerstehende Wohnung im Pfarrhaus eingezogen. Im Kloster Ensdorf wurden am Wochenende drei ukrainische Frauen und ein Kleinkind aufgenommen. „Für sie wollen wir auf jeden Fall schauen, dass sie längerfristig bleiben können“, sagt Daniel Neuburger, der Leiter des Bildungshauses. Ansonsten könne man unter der Woche immer freie Betten für eine kurzfristige Unterbringung anbieten, und bis Ende März habe man auch am Wochenende noch Kapazitäten. Nach Ostern sei man allerdings an den Wochenenden mit Schulklassen komplett ausgebucht.

In Hirschau hat der Stadtrat das Josefshaus für die Aufnahme von Flüchtlingen angeboten. Inzwischen liegen alle dafür erforderlichen Genehmigungen vor, aus Brandschutzgründen sind aber noch an zwei Stellen die Türen zu ersetzen. In der Stadtverwaltung rechnet man damit, dass ab Anfang April die ersten Bewohner einziehen können. Die neun Zimmer sind für zwei bis vier Personen geeignet; im Bedarfsfall wäre also für mehr als 30 Leute Platz.

Auch Regierung weiß nicht mehr

Einen vollständigen Überblick, wie viele Ukrainer bisher insgesamt in der Oberpfalz angekommen sind, gibt es nicht. "Das liegt daran, dass sehr viele Ukrainer mit entsprechenden Passdokumenten nach Deutschland einreisen dürfen", erklärte Manfred Schmied von der Pressestelle der Regierung der Oberpfalz auf Nachfrage. Neben den bisher registrierten Geflüchteten gibt es so viele weitere, die bei Familie, Freunden oder Bekannten in Deutschland Zuflucht gefunden haben. "Wir gehen davon aus, dass momentan mindestens 1000 ukrainische Flüchtlinge bereits privat in der Oberpfalz untergekommen sind."

Sobald sie sich jedoch bei den Ausländer- und Sozialämtern der Kreisverwaltungsbehörden melden, werden sie dort auch erfasst, erläuterte Schmied. Konkrete Aussagen darüber, wie viele Schutzsuchende noch hier erwartet werden, seien derzeit nicht möglich.

Amberg11.03.2022

Wir sind froh um jede Wohnung, die uns noch gemeldet wird.

Susanne Schwab, Pressesprecherin der Stadt Amberg

Susanne Schwab, Pressesprecherin der Stadt Amberg

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