Karin Peuker sitzt draußen in ihrem Garten und spricht leise, sehr leise. Sie schaut auf ihr Haus, in dem ihr Mann Liköre und Marmelade herstellt. In dem die beiden einen Dorfladen haben. In dem sie leben. "Momentan ist es nicht so einfach", sagt Peuker, "wir haben nix Privates, alles ist durchgemischt." Der Platz in dem Haus sei zu klein. Es müsse unbedingt etwas gemacht werden.
Weil der Dachstuhl kaputt sei, wollen Karin und Rolf Peuker das um die 400 Jahre alte Gebäude im Herzen von Ensdorf (Landkreis Amberg-Sulzbach) sanieren und umbauen. Neben dem Dorfladen soll darin auch ein kleines Wirtshaus entstehen, dazu acht Doppelzimmer in den oberen Etagen. So der Plan, den sie bereits vor mehr als drei Jahren gefasst haben, der aber noch immer nur ein Plan ist. Eine Nachbarin klagt dagegen.
Da ist ja die Frage: Wie lässt sich das Wirtshaussterben stoppen? Etwa in einem Viertel aller Gemeinden, so die Schätzungen, gibt es keine Gaststätte mehr. Auf dem Land ist die Situation noch dramatischer. Das meint auch Andrea Kramer, Oberpfälzer Dehoga-Geschäftsführerin, die das alles trotzdem nicht so negativ sieht. In den vergangenen zwei Jahren habe sie keinen weiteren Abwärtstrend in der Oberpfalz bemerkt. "Aber klar, in jedem Dorf gibt es ja ein leerstehendes Wirtshaus", sagt sie.
Wie also kann man dem Wirtshaussterben entgegentreten? Eine Möglichkeit sind ganz neue Gaststätten. In Ensdorf würden Karin und Rolf Peuker gerne eine solche aufmachen. Aber sie können nicht.
Seit den Klagen: Funkstille
Die beiden reichten im Mai 2019 zwei Bauvoranfragen beim Landratsamt ein: Es geht nicht nur um den den Umbau, die Sanierung und die Nutzungsänderung des alten Hauses, in dem die Gaststätte mit 30 Sitzplätzen rein soll. Sondern auch um einen Neubau, in dem das Paar später wohnen will. Dort soll auch Rolf Peuker Platz haben, um Liköre und Marmeladen zu produzieren. Und draußen im Garten wollen die beiden einen kleinen Biergarten mit vier Tischen.
Der Bescheid vom Landratsamt für die Bauvoranfrage des Neubaus kam im Dezember 2019. Die Nachbarin klagte dagegen. Den Bauplan für den Umbau reichten die Peukers danach trotzdem ein, der Bescheid kam im Oktober 2021. Auch dagegen klagte die Nachbarin, wie es auf Dokumenten steht, die Karin Peuker in einer Mappe gesammelt hat. Das Verwaltungsgericht hat bisher noch nicht entschieden.
Seit den Klagen herrscht Funkstille zwischen den Parteien. "Wir haben probiert, mit ihr zu reden", sagt Rolf Peuker, "funktioniert aber nicht." Man könnte sich vielleicht einigen, einen Kompromiss finden, meinen die beiden. Aber es komme ja nicht einmal mehr zu einem Gespräch. Warum die Nachbarin genau klagt, weiß das Paar nicht zu hundert Prozent. Da seien Sachen dabei, die hätten mit dem Neubau und dem Umbau gar nichts zu tun, vermutet Rolf Peuker.
Die Nachbarin möchte sich auf Nachfrage zu dem Fall nicht äußern.
"Flucht" nach Vilshofen scheitert
Der Streit ist seit Jahren ein Thema im Vilstal. Kommt jetzt ein neues Wirtshaus nach Ensdorf oder nicht? Oder kommt es in die Nachbargemeinde? "Wir wollten zwischenzeitlich nach Vilshofen ausweichen", erzählt Karin Peuker. Die Pläne waren schon fortgeschritten, aber dann sei es ihnen zu teuer geworden. Und überhaupt: "Das war eher eine Flucht", sagt Karin Peuker. "Ich bin da ja schon fast depressiv geworden, weil nichts weitergeht." Sie hat sich an die Redaktion der BR-Sendung "Quer" gewendet, an Albert Füracker und Markus Söder. Herausgekommen ist dabei nichts.
Ein Grund, warum die Dehoga-Bezirkschefin Andrea Kramer die Situation in der Oberpfalz nicht so negativ sieht, sind auch die Neueröffnungen von Wirtshäusern. "Da passiert schon was", sagt sie. Aber, natürlich, im ländlichen Raum sei es viel schwieriger, ein neues Wirtshaus aufzumachen. Die enorm gestiegenen Kosten, die müsse man ja auf die Preise umlegen. Das lasse sich nun mal in der Stadt leichter machen. "Auf dem Land sind hohe Bierpreise schwerer zu begründen", sagt Kramer. "Da müssen die Wirte mutig sein."
"Ein Dorf braucht so was"
Franziska Blaß ist eine junge Mutter aus Ensdorf und möchte den Peukers helfen. "Man muss ja erstmal wen finden, der Geld in die Hand nimmt und was macht, in einem Dorf", sagt sie. Das sei doch schön. Man müsse sich ja nur mal in Hohenburg umschauen, wo es viele Leerstände gibt. "Da meint man, man geht durch ein Geisterdorf", sagt Blaß, die Unterschriften sammeln möchte, für das Wirtshaus. "Leben in Ensdorf", will sie die Aktion betiteln. "Ein Dorf braucht was, wo sich Leute treffen können, wo man zusammenhocken kann", sagt sie. An so einem kleinen Wirtshaus hätten viele ihre Freude, nicht nur die Ensdorfer.
Im Vilstal gibt es kaum ein Wirtshaus mehr, das unter der Woche auch mittags geöffnet hat und da auch auskocht. Die meisten öffnen erst um 17 Uhr. Aber auch schon vorher würden manche gerne etwas essen: "Erst letztens habe ich 15 Wanderer und Radlfahrer wegschicken müssen", erzählt Karin Peuker. "Das tut schon weh." Die 50-Jährige kocht seit Jahren mittags, verkauft das Essen in ihrem Dorfladen, Fleischpflanzerl, Schnitzel, aber auch Falafel – alles zum Abholen. Aber Peuker will mehr, dass die Leute auch bei ihr in einer Gaststätte essen können. "Das würde mir voll taugen."
Mittlerweile naht wohl auch die Entscheidung vor dem Verwaltungsgericht. Ein Termin ist für Mitte Oktober angesetzt.
Wirtshaussterben
Die Zahl der Schankwirtschaften in Deutschland in ausgewählten Jahren:
- 2020: 22.536
- 2019: 28.808
- 2003: 45.017
- Die Zahl der Schankwirtschaften gilt als Kennzeichen des Bestands traditioneller Wirtshäuser, bildet aber nicht vollständig die Realität ab. Quelle: Statista.
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