In Grafenwöhr wird es laut: Hochbetrieb und Schießlärm rund um die Uhr

Grafenwöhr
13.03.2022 - 16:47 Uhr

Zur Stärkung der Nato hat die US-Armee zusätzliche Truppen auf den Truppenübungsplatz Grafenwöhr geschickt. Bislang war außerhalb des Übungsgeländes wenig zu hören. Das ändert sich nun. Doch es gibt eine Ausnahme.

Schon immer waren die Auswirkungen der Krisen und Kriege auf den amerikanischen Truppenübungsplätzen in der Oberpfalz zu spüren. Manchmal war es ganz still geworden, weil alle US-Truppen im Einsatz waren. Niemand war zum Üben da. Diesmal ist es anders. In den nächsten zweieinhalb Monaten kann es rund um den Truppenübungsplatz Grafenwöhr sehr laut werden.

Auf Bitten des Ausbildungskommandos der 7. US-Armee (7th Army Training Command) in Grafenwöhr (Landkreis Neustadt/WN) hat das Bundesverteidigungsministerium einer Ausnahme von den Schieß- und Flugbeschränkungen zugestimmt – zunächst befristet bis zum 14. April. Demnach dürften Nato-Verbände, darunter fallen auch die US-Truppen und die Bundeswehr, an sieben Tagen die Woche rund um die Uhr üben. In Grafenwöhr, bedeutet dies vor allem Schießen. Beantragt wurde die Aussetzung der Beschränkungen von der US-Seite bis zum 1. Juni.

Panzer, Artillerie, Hubschrauber und Flugzeuge

Hintergrund ist, dass der amerikanische Präsident Joe Biden wegen des Angriffs des Regimes von Wladimir Putin auf die Ukraine weitere 7000 US-Soldaten zur Unterstützung der Nato nach Deutschland entsandt hat. Darunter sind 4300 Männer und Frauen des 1st Armored Brigade Combat Team der 3rd Infantry Division aus Fort Stewart im US-Bundestaat Georgia und Soldatinnen und Soldaten des 3rd Battalion, 321st Field Artillery Regiment, 18th Field Artillery Brigade aus Fort Bragg im US-Bundesstaat North Carolina. Die ersten Soldaten waren Anfang März in Grafenwöhr angekommen und haben bereits erste Schießübungen absolviert.

"Übe wie Du kämpfst und kämpfe, wie Du geübt hast", ist ein Merksatz, der seit Jahren bei Besuchen auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr von amerikanischen Offizieren zu hören ist. Immer verbunden mit der Hoffnung, dass dies dazu beiträgt, einen möglichen Gegner abzuschrecken und so einen Krieg zu vermeiden. Zum realitätsnahen Üben gehört vor allem das Zusammenspiel von Infanterie, Panzern und Artillerie sowie Luftwaffe. Und: für das Militär heißt das, auch in der Nacht.

Pause an den Osterfeiertagen

Üblicherweise sind im März und April die Zeiten, in denen auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr geschossen werden darf, aber begrenzt. So darf mit Munition, die größer als 20 Millimeter ist, nur von 8 bis 12 Uhr geschossen werden. Ab Samstag, 14 Uhr, ist Ruhe. Ebenso den ganzen Sonntag. Nur mit Munition, die kleiner als 20 Millimeter ist, darf in diesen Monaten rund um die Uhr geschossen werden. Mit der Ausnahmegenehmigung entfallen nun die Beschränkungen – nicht nur für Bodentruppen, sondern auch für Flugzeuge. "Mit Ausnahme des Osterwochenendes wollen die US-Streitkräfte zudem alle Waffensysteme und den Luftraum an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr nutzen", teilte die zuständige Bundeswehrstelle, das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen mit.

"Wir stellen die Einsatzbereitschaft unserer Streitkräfte sicher, um das Bündnis zu unterstützen“, begründet der Sprecher des Ausbildungskommandos, Oberstleutnant Michael Weisman, den amerikanischen Wunsch nach zeitlich nicht begrenzten Übungsmöglichkeiten. Zugleich betont er: „Wir sind uns bewusst, dass die Übungen zusätzlichen Lärm im Bereich des Truppenübungsplatzes verursachen werden. So weit möglich, berücksichtigen wir dies bei unserer Planung“, sagt der Sprecher. So soll am Osterwochenende Ruhe herrschen: Trotz des erhöhten Bedarfs an Schieß- und Ausbildungszeiten werde während der Osterfeiertage nicht geschossen werden. Weisman fügt hinzu: „Wir sind äußerst dankbar für die Unterstützung unseres Gastgeberlandes und Nato-Verbündeten."

Söder beobachtet Artillerieübung

Diese Unterstützung hatte am Freitag noch einmal Ministerpräsident Markus Söder (CSU) signalisiert, als er sein Versprechen einlöste und zum Weißwurstessen mit den Soldatinnen und Soldaten aus Fort Stewart nach Grafenwöhr gekommen war. Begleitet wurde er von Landtagsabgeordneten und Bürgermeistern der Gemeinden am Übungsplatz. Der Freistaat hatte den Amerikanern 4000 Paar Weißwürste, Brezen und 600 Kilogramm Obatztn spendiert. Ein Weißbier gab es nicht für die US-Soldaten. Die Generäle hätten dies abgelehnt, sagte Söder bedauernd. Möglicherweise hat er an den ein oder anderen Bundeswehrstandort in der Oberpfalz zu Zeiten des Kalten Krieges gedacht. Dort war mittags ein Bier zum Essen erlaubt.

Der bayerische Regierungschef hatte Anfang März die ersten Soldaten der US-Panzerbrigade auf dem Nürnberger Flughafen begrüßt. Nach dem gemeinsamen Weißwurst-Essen mit den US-Truppen bekam Söder noch eine Artillerieübung der US-Armee zu sehen. Aber da war die Presse schon nicht mehr eingeladen.

In den vergangenen Tagen waren auf dem Truppenübungsplatz nicht nur die Soldaten des 1st Armored Brigade Combat Team aus Fort Stewart eingetroffen. Sondern per Zug und Lastwagen auch die Ausrüstung aus den Depots in Deutschland, etwa in Mannheim. Darunter waren unter anderem Kampfpanzer M1 Abrams, Schützenpanzer M2 Bradley, Panzerhaubitzen M109 sowie Mehrfachraketenwerfer M142 HIMARS. Letztere sind für das 3rd Battalion, 321st Field Artillery Regiment.

Sowohl die Soldatinnen und Soldaten des US-Panzerverbandes als auch die des US-Artilleriebataillons üben auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr, um ihre Einsatzbereitschaft zu sichern und sich auf die Teilnahme an Nato-Übungen vorzubereiten. Die Artilleristen aus Fort Bragg bringen dabei eine besondere Fähigkeit mit, die in der Nato fehlt. So wie die dauerhaft in Grafenwöhr stationierte amerikanische 41st Field Artillery Brigade beherrschen sie das "Long Range Precision Fire". Darunter versteht die US-Armee die Fähigkeit, über weite Distanzen zielgenau zu treffen. Je nach Munitions-Art können dies bis zu 300 Kilometer sein, teilt das US-Heer auf einer Internetseite mit.

Bundeswehr überwacht Übungslärm

"Übungen verstärken die Abschreckung", hieß es schon vor Tagen vom Oberkommando des US-Heeres in Wiesbaden auf die Frage, welche Auswirkungen die angespannte Sicherheitslage auf den Truppenübungsplatz Grafenwöhr habe. "Wir üben weiter, um den Frieden in Europa zu sichern." Zudem wurde betont, das Übungsprogramm werde weiterhin mit Verbündeten und Partnern abgestimmt. Ziel sei es, die Kampffähigkeiten zu verbessern, die Interoperabilität zu fördern und den strategischen Zugang aufrechtzuerhalten. "Alles, was wir tun – einschließlich der Durchführung militärischer Übungen – ist defensiv, verhältnismäßig und steht im Einklang mit unseren internationalen Verpflichtungen." Da sich die US-Armee ebenso wie die Bundeswehr von einem möglichen Gegner nicht in die Karten schauen lassen will, wird über Truppenbewegungen oder Stärken nicht mehr so genau informiert wie etwa im vergangenen Jahr.

Bürgermeister der betroffenen Anliegergemeinden des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr waren vorab durch das Bundesverteidigungsministerium informiert, "dass das zusätzliche Übungsgeschehen mit einer erhöhten Geräuschentwicklung verbunden sein wird". Die Bundeswehr will auch den Übungslärm im Blick behalten. Die beim Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen angesiedelte "Immissionsmessstelle der Bundeswehr überwacht das Übungsgeschehen hinsichtlich der Immissionsgrenzwerte zur Sicherstellung des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung".

OnetzPlus
Grafenwöhr04.03.2022
Hintergrund:

Übungen auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr

  • Bis 31. März: Ausbildung mit Helikoptern
  • bis 23. März: übt die Artillerie.
  • offenes Ende: Kampfpanzer und Schützenpanzer
  • Quelle: Internetseite des Ausbildungskommando 7. US-Armee Grafenwöhr
 
 

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