Der Gastraum in der „Böhmischen Stube“, der Heimat von Bürgermeisterkandidat Werner Rieß, war am Freitagabend beim Wahlkampfauftakt von SPD und FWG voll besetzt. Dominic Maier führte als Hauptmoderator durch den Abend, der als „Bürgerstammtisch“ gedacht war. Den Gästen solle hier das Wahlprogramm der beiden Gruppierungen vorgestellt werden, das in vielen Gesprächen herausgearbeitet wurde, sagte Maier. Die entscheidende Aufgabe für SPD und FWG sei, gemeinsam für den Wechsel einzutreten, betonte der Hauptmoderator.
Bürgermeister- und Spitzenkandidat Werner Rieß stellte sich kurz vor, nannte sich wegen seiner langjährigen Beziehung „als fast verheiratet“. Die Frage nach dem Warum seiner Kandidatur beantwortete Rieß dann auch gleich selbst: „Ich will's und ich kann's, ich kann lesen, schreiben und erfülle damit alle fachlichen Qualifikationen.“ Als politisches Ziel nannte der SPD-Bürgermeisterkandidat, mit der FWG die „Oligarchie in der Stadt zu beenden". Dass „Wenige herrschen“, wie das Wort „Oligarchie“ aus dem Griechischen zu übersetzen ist, solle künftig der Vergangenheit angehören, sagte Rieß. Als Beispiel schilderte der Kandidat den Ablauf von Stadtratssitzungen, die offiziell am Dienstagabend stattfinden, deren Entscheidungen aber bereits einen Tag vorher „beim Wassermann“ bei der Fraktionsbesprechung der CSU getroffen werden. „Wir dürfen dann am Dienstag abnicken oder auch dagegen stimmen, was Tags vorher nicht einmal eine Hand voll Leute beschlossen haben“, verdeutlichte Rieß die Situation.
Besonders vermisst hat der SPD-Fraktionssprecher im Stadtrat die Beteiligung der Öffentlichkeit. Dazu zitierte Rieß einen Passus aus der Gemeindeordnung, wonach Sitzungen grundsätzlich öffentlich „sein sollten“. In Pleystein seien aber 60 Prozent der Sitzungsinhalte nicht öffentlich. Als „schwerwiegend“ beschrieb er den Verzicht von Bürgermeister Rainer Rewitzer, Beschlüsse aus nichtöffentlichen Sitzungen nach Wegfall der Geheimhaltung bekanntzugeben, wie es in anderen Kommunen üblich ist. Statt sich unendlich in Planungen auszulassen, fordert Rieß wenige Planungen, diese aber konkret und unter Berücksichtigung der finanziellen Mittel durchzuführen. „Schubladenprojekte bringen uns nicht weiter“.
Unter Zugrundelegung der Einzelpläne des Haushalts listete Rieß abschließend die Maßnahmen der Stadt in den knapp sechs zurückliegenden Jahren auf. Dazu nannte er unter anderem die Errichtung der Pfreimdbrücke bei Burkhardsrieth nach vorausgegangener 22-jähriger Planung, wie aus dem Zuhörerkreis zu vernehmen war. „Das wäre sicher auch vorher schon mal machbar gewesen.“
Von den 58 Kilometern Gemeindestraßen seien rund 43 Kilometer sanierungsbedürftig. Bei einer „Durchschnittshaltbarkeit“ von 30 Jahren einer Straße müssten somit jedes Jahr zwei Kilometer saniert werden, errechnete Rieß. Die notwendigen Maßnahmen im Bereich Kanalbau, wie beispielsweise die Errichtung eines notwendigen Regenrückhaltebeckens, müssen über Beiträge und Gebühren finanziert werden, folgerte der Kandidat. Jetzt werde mit diesen Maßnahmen „langsam“ begonnen, so dass die Bürger wohl „kurz nach der Wahl“ die große Rechnung bekommen.
Weiter schilderte Rieß die bisherigen Vorgänge zur Sanierung des Freibads. Der erste Bauentwurf sei von einem nicht tragbaren Aufwand von weit über fünf Millionen Euro ausgegangen. „Das war als Tagesordnungspunkt im Stadtrat auf meine Initiative öffentlich“. Die zweite Planung mit Kosten in Höhe von 3,2 Millionen Euro sei vernünftiger gewesen. Jetzt stehe die dritte Planung auf dem Programm, wofür ein beauftragtes Ingenieurbüro wiederum geeignete Büros für die Sanierung ermitteln solle. Die angekündigte staatliche Förderung von 15 Prozent nannte Rieß ein Almosen, so dass zu überlegen wäre, seitens der Stadt die Maßnahmen selbst durchzuführen. Das koste dann vielleicht zwei Millionen Euro, dieser Weg wäre machbar, meinte der Bürgermeisterkandidat. Auch bei allen anderen Maßnahmen, auch aus dem ISEK, müsse darauf geachtet werden, was unverzichtbar sei. „Wir können nicht alles finanzieren.“
Absolut kritisch beäugte Rieß den Vorgang zur Entscheidung, künftig einen hauptamtlichen Bürgermeister zu wählen. „Ich hätte gerne als ehrenamtlicher Bürgermeister kandidiert, aber die Oligarchen haben einen Strich durch die Rechnung gemacht und dies auch sehr ausführlich begründet“. Die letzten fünf Jahrzehnte habe es auch mit einem ehrenamtlichen Bürgermeister geklappt, sagte Rieß. Die Verwaltung nannte der Kandidat sehr gut funktionierend, das Argument mit der Überwachung aktueller Bauvorhaben wollte Rieß nach Einstellung eines Bauamtsleiters nicht gelten lassen. Für ihn stelle sich die Überlegung, wann bei der CSU die Entscheidung für einen hauptamtlichen Bürgermeister gereift sei. Den Zeitpunkt der Entscheidung im Stadtrat nannte Rieß auch anderen potentiellen Kandidaten gegenüber „unmöglich und respektlos“.
Ich will's und ich kann's, ich kann lesen, schreiben und erfülle damit alle fachlichen Qualifikationen.
Die einzelnen Abschnitte ihres Wahlflyers mit den Porträts der Kandidaten überschreibt die SPD und FWG mit „Pleystein für uns alle“, „Themen der Bürger wahrnehmen“, „Finanzen“ und „Zukunftspläne angehen“. Unterabschnitte dieser Themen moderierten Kandidaten der beiden Gruppierungen. Thomas Parton befasste sich mit dem Ende 2013/Anfang 2014 in Auftrag gegebenen Energiekonzept, für das im Oktober 2014 der Schlussbericht vorgelegt wurde. Von den darin enthaltenen 39 Einzelprojekten seien „bei größtem Wohlwollen“ sechs Maßnahmen angegangen worden. Auch der vorgeschlagene Energiebeauftragte, ein „Kümmerer“ sei nie zum Einsatz gekommen. „Das Energiekonzept ist in Vergessenheit geraten“, lautete das Fazit von Parton, das damals kurz vor der Kommunalwahl 2014 vielleicht als „Aktionismus“ nur vorgetäuscht war. „Wir möchten das Energiekonzept wieder aufnehmen, auch wenn es jetzt vielleicht schon nicht mehr aktuell ist“.
Kandidat Uli Weig plädierte, dem Markplatz im Rahmen des ISEK nicht den Charme zu nehmen, weil bestimmte vorhandene Bauwerke nicht verändert werden können und auch die Grüneinbindung sehr gut ist. „Wir müssen für die nächsten 20 Jahre planen und dürfen dem Marktplatz nicht die Seele nehmen.“ Dieser Meinung stimmte auch Stadtrat Hans Sax zu. Uli Weig bedauerte, dass Protokolle über Stadtratssitzungen auf der Homepage der Stadt nicht zu finden sind, so dass diesbezüglich Transparenz zu vermissen sei. Der Kandidat befasste sich auch mit der Sanierung der Zottbachtalschule, wie hier Asbestplatten entfernt wurden, obwohl Kinder im Unterricht waren. Es wäre sinnvoll, derartige Baustellen vorher auf Schadstoffe zu untersuchen.
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