Schwandorf
10.11.2021 - 13:37 Uhr

Ein Jahrhundert Strom für Bayern, auch aus Dachelhofen

"Diese Bilder", versichert Heimathistoriker Georg Wickles, "wurden noch nie gezeigt." Sie stammen aus dem Archiv des Bayernwerk-Kohlekraftwerks, von dem Wickles Teile retten konnte. Zum "100." der Mutterfirma gab es nun einen Blick zurück.

Vor genau 100 Jahren wurde das Bayernwerk auf Initiative von Oskar von Miller gegründet. Die Vision des Gründungsvaters und berühmten Energiepioniers war es, Strom aus Wasserkraft über bayernweite Netze zu verteilen. Mit dem Bayernwerk nahm sie eine konkrete Form an. Es war am 5. April 1921, als die Gründung des Unternehmens auf Initiative von Oskar von Miller in München schriftlich besiegelt wurde. Ein einheitliches Versorgungsnetz sollte damals die Stromerzeuger und die Stromverbraucher flächendeckend verbinden. Die Voraussetzung dafür schaffte ein neues großes Wasserkraftwerk am Walchensee, das 1924 den ersten Strom lieferte.

In dieser Zeit begann eine neue Phase der Elektrifizierung. Die dezentralen, kleinteiligen Stromversorgungen in Städten oder Landkreisen wurden vernetzt und ergänzt durch regionale Großkraftwerke. Nur so ließ sich eine bezahlbare und wirtschaftliche Stromversorgung für alle gewährleisten. "Die rasche Umstellung auf elektrische Energie, vor allem in der Textilindustrie, sowie die Einführung elektrischer Geräte im Privathaushalt, die in den nächsten Jahren zu erwarten war, machten die Notwendigkeit der Schaffung einer Kraftreserve deutlich - und damit die umgehende Inangriffnahme zum Bau eines Kohlekraftwerkes erforderlich", führte Georg Wickles auf auf Einladung der Schwandorfer Volkshochschule bei einem Vortrag zum "100-Jährigen" des Unternehmens aus.

Laut Wickles "standen in unserem Raum zwei Standorte zur Wahl. Naheliegend war der Standort Wackersdorf, wegen der vorhandenen Braunkohle. Das Problem aber war das Kühlwasser. Dieses jedoch war in Dachelhofen reichlich vorhanden." So wurden Berechnungen angestellt, die zu Gunsten des Standortes an der Naab ausfielen. Es wurde folglich eine Bahnverbindung von Dachelhofen nach Wackersdorf zur Grube gebaut.

Schwandorf11.01.2021

Der Vorsitzende des Vorstandes der Bayernwerk AG war zu dieser Zeit der promovierte Landesbaurat August Menge, der bereits 1921 als drittes Vorstandsmitglied in den Vorstand berufen worden war. "Auf seine Initiative dürfte es in erster Linie zurückzuführen sein, dass das Projekt in Dachelhofen mit allen Mitteln vorangetrieben wurde", so Wickles. Folglich gab man dem Großkraftwerk den Namen von Menges Gemahlin: Else. Auch nach Menge selbst wurde in Dachelhofen etwas benannt: Eine Straße, in der unter anderem der derzeitige Oberbürgermeister der Stadt Schwandorf wohnt.

Schon 1929 wurde in Dachelhofen mit dem Bau des großen Kraftwerks begonnen, das ein Jahr später seinen Betrieb aufnahm. "Es entstanden zu einer schlechten Zeit gute Arbeitsplätze für mehrere Generationen", sagte Wickles. 19,2 Millionen Reichsmark mussten für das Großprojekt aufgewendet werden. Die Firma AEG lieferte dazu zwei Maschinen, die jeweils aus Turbine und Generator samt Erregermaschine bestanden. Wie Wickles recherchiert hatte, schickte am Sonntag, 9. März 1930, um 20.56 Uhr die Maschine 1 zum ersten Mal Strom ins Netz. Im ersten Betriebsjahr wurden 100 000 Tonnen Kohle aus Wackersdorf angeliefert und verfeuert. Dabei wurden 25,2 Millionen Kilowatt Strom erzeugt. Dies entspricht 3,5 Kohle Kohle pro Kilowattstunde. Die Belegschaft bestand im März 1930 aus 126 Mitarbeitern.

Mit Kommunalbetreuer Wolfgang Dumm von der Bayernwerk Netz GmbH und dem früheren Schwandorfer Bayernwerk-Betriebsratsvorsitzenden Josef Bauer hatte die VHS zwei weitere Fachleute zum Thema "100 Jahre Bayernwerk" gewonnen. Während Dumm auf technische Innovationen des Netzbetreibers hinwies, ließ Bauer die letzten Jahre des Schwandorfer Werkes Revue passieren, in dem zu Spitzenzeiten in den 1970er Jahren über 700 Menschen beschäftigt waren. Nach Fusionen großer deutscher Stromerzeuger wurde das Bayernwerk um die Jahrtausendwende schließlich Teil des neuen Konzerns Eon. Der Name Bayernwerk ging aber nicht verloren. Ihn trägt die für die Stromnetze zuständige Bayernwerk Netz GmbH, eine Tochter von Eon.

2002 wurde das Kohlekraftwerk "Else" in Schwandorf stillgelegt. "Für viele Kollegen brach eine Welt zusammen", erinnerte sich der frühere Betriebsratsvorsitzende. "Es geschah was sich kaum einer vorstellen konnte, der Kraftwerksstandort mit seinen beiden, von weitem sichtbaren, über 230 Meter hohen Kaminen wurde zum Großteil dem Erdboden gleich gemacht." Heute sieht man auf dem Standort nur noch die Hüllen der Rauchgasreinigungsanlagen von Block B und C/D, sowie das Hauptwerkstattgebäude mit dem Magazin, in dem sich das BBZ-Ausbildungszentrum befindet. Außerdem stehen noch der Backsteinbau, also das ehemalige Verwaltungsgebäude, und andere, kleinere Gebäude.

Abgerundet wurden die Vorträge durch eine Bilderschau von Georg Wickles. Sie stammen aus dem Schwandorfer Bayernwerk-Archiv und präsentieren das Kohlekraftwerk in historischen Aufnahmen. "Sie wurden noch nie gezeigt", versicherte Wickles, der rund 70 000 Negative mit Schwandorfer Bayernwerk-Motiven vor der Vernichtung gerettet hat. Im Mittelpunkt standen die Bilder vom Bau des Kraftwerk-Blocks D, der in den Jahren zwischen 1969 und 1972 erfolgte. Wickles selbst kennt das Werk aus der Innenschau, er war Betriebselektriker: "Von 1972 bis zum bitteren Ende."

OnetzPlus
Wackersdorf03.11.2020
Hintergrund:

Kraftwerk „Else“

  • Das Kohlekraftwerk Schwandorf, auch Kraftwerk „Else“ genannt, war ein Braunkohlekraftwerk im Stadtteil Dachelhofen der Stadt Schwandorf.
  • Die 1929-1930 von der Bayernwerk AG errichtete Anlage wurde 2002 stillgelegt.
  • Der Brennstoff wurde bis 1982 per Bahn aus den Tagebauen des nahegelegenen Braunkohlereviers bei Wackersdorf und Steinberg am See herantransportiert.
  • Nachdem die dortigen Vorräte erschöpft waren, kam die Kohle für die verbleibenden Betriebsjahre aus Tschechien.
  • Das Kraftwerk mit seinen beiden je 235 Meter hohen Kaminen wurde am 18. Februar 2005 gesprengt.
  • Einzig die Schaltanlage ist noch als 380/110-kV-Umspannwerk in Betrieb.
 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.