Tirschenreuth
14.11.2023 - 10:27 Uhr

Dr. Grit Nickel aus Erlangen erhält den Johann-Andreas-Schmeller-Preis

Nur alle drei Jahre wird der Johann-Andreas-Schmeller-Preis in Tirschenreuth verliehen. Die Preisträgerin profitierte bei ihrer Dissertation selbst von den Arbeiten des Begründers der modernen Mundartforschung.

Mit der Schmeller-Preisträgerin Dr. Grit Nickel freuen sich (von links) Vorsitzender Christian Ferstl, Laudator Anthony Rowley und Bürgermeister Franz Stahl. Bild: heb
Mit der Schmeller-Preisträgerin Dr. Grit Nickel freuen sich (von links) Vorsitzender Christian Ferstl, Laudator Anthony Rowley und Bürgermeister Franz Stahl.

Höhepunkt der diesjährigen Jahreshauptversammlung der Johann-Andreas-Schmeller-Gesellschaft im Gasthaus „Zur Alm“ war die Verleihung des mit 2000 Euro dotierten Schmeller-Preises an Dr. Grit Nickel aus Erlangen. Sie hatte über die Formenlehre in den ostoberdeutschen Dialekten Bayerns geforscht. Nach der Begrüßung gedachte Erster Vorsitzender Christian Ferstl der verstorbenen Mitglieder des vergangenen Jahres, darunter des langjährigen Vorstandsmitglieds Dr. Johann Schmuck, den er als einen der größten Schmellerfreunde und -kenner gleichermaßen bezeichnete.

In seinem Tätigkeitsbericht zeigte sich Ferstl über das immer größer werdende Netzwerk aus nationalen und internationalen Verbundpartnern erfreut, dem die Schmeller-Gesellschaft angehöre. So konnte er unter anderem auf Kooperationen und gemeinsame Projekte mit dem Bayerischen Cimbern-Kuratorium, dem Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas an der Universität Marburg an der Lahn, der Philosophischen Fakultät der Westböhmischen Universität Pilsen, dem Einheitskomitee der historischen deutschen Sprachinseln in Italien sowie dem Kulturverein „Laimpachtaler Zimbarn“ verweisen.

Neun Bewerber

Dr. Grit Nickel aus Erlangen hatte sich mit ihrer Dissertation zum Thema „Nominale Flexionsmorphologie in den ostoberdeutschen Dialekten Bayerns“ um den Johann-Andreas-Schmeller-Preis beworben. Wie Professor Dr. Anthony Rowley, der kurzfristig für die verhinderte Juryvorsitzende Dr. Nicole Eller-Wildfeuer als Laudator einsprang, bemerkte, hatte die Preisträgerin letztlich den Vorzug vor acht weiteren Bewerbern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz bekommen. Alle eingereichten Arbeiten hätten dabei ein sehr hohes wissenschaftliches Niveau gehabt, so dass der Jury ihre Entscheidung nicht leichtgefallen sei.

Rowley ging auf den Lebenslauf der Preisträgerin und ihre bisherigen Veröffentlichungen ein. Dabei vergaß er nicht darauf hinzuweisen, dass Nickels Dissertation bereits im vergangenen Jahr mit dem Nachwuchspreis der Internationalen Gesellschaft für Dialektologie des Deutschen ausgezeichnet worden war. Sein Fazit: „Eine umfassende, empirisch wie theoretisch auf höchstem Niveau durchgeführte morphologische und dialektgeografische Analyse der bayrischen Nominalmorphologie – absolut preiswürdig.“

"Stiefkind der Dialektologie"

Die frischgekürte Schmeller-Preisträgerin stellte ihre Arbeit selbst vor. Dabei spannte sie den Bogen zur vor vier Jahren in Tirschenreuth von der Schmeller-Gesellschaft veranstalteten Jubiläumstagung „Eine Grammatik des Bairischen“, bei der klargeworden sei, dass die Morphologie (Formenlehre) nach wie vor als „Stiefkind der Dialektologie“ gelte, wie es der Laudator Anthony Rowley bereits in seiner im Jahre 1997 erschienenen Habilitationsschrift formuliert hatte. Als Einziger habe sich zuvor Johann Andreas Schmeller bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gründlicher mit dieser Thematik befasst, so dass Nickel auch heute noch von dessen Pionierleistungen profitiert habe.

Am Beispiel der dialektalen Aussprachevarianten der Mehrzahl von „Hund“ – wie etwa „Hind“, „Hūnd“ oder „Hundn“ – warf sie die Frage auf, inwiefern die unterschiedlichen Pluralformen lautgesetzliche Fortsetzungen des mittelhochdeutschen Deklinationssystems seien oder ob sich ein spezifisch dialektales Deklinationssystem entwickelt habe. Nickels Antwort darauf fiel vielschichtig aus. Sie hat ihre Untersuchungen, basierend auf 37 sogenannten Tiefenbohrungspunkten im ostoberdeutschen Sprachgebiet, sowohl unter synchroner als auch diachroner Perspektive durchgeführt und verortet dabei dialektale Flexionsmorphologie nicht nur an der Schnittstelle von Phonologie (Untersuchung der Funktion von Lauten) und Morphologie, sondern ebenso an der Schnittstelle von Morphologie, Syntax und semantisch-pragmatischem Kontext.

Tirschenreuth29.11.2022
Hintergrund:

Der Johann-Andreas-Schmeller-Preis

  • Seit 1985 verleiht die Johann-Andreas-Schmeller-Gesellschaft durchschnittlich alle drei Jahre den mit insgesamt 2000 Euro dotierten Johann-Andreas-Schmeller-Preis.
  • Der Preis wird verliehen für eine oder mehrere Arbeiten aus dem Gebiet der bairischen beziehungsweise deutschen Dialektforschung oder zur Lebens- und Wirkungsgeschichte Johann Andreas Schmellers oder eines seiner Zeitgenossen.
  • Die Verleihung des Preises erfolgt stets im Rahmen einer Mitgliederversammlung der Schmeller-Gesellschaft in Tirschenreuth.
  • Bisher wurden 17 Personen mit dem Schmeller-Preis ausgezeichnet.
 
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